Anmerkungen zur geplanten Inschrift am Turm der neuen Garnisonkirche

Anmerkungen zur geplanten Inschrift1 am Turm der neuen Garnisonkirche

von Carsten Linke

Der Wunsch nach Frieden ist allgegenwärtig.

Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Kein normaler Mensch wünscht sich Krieg. Für Frieden sein, ist universell.

„Bist du etwa nicht für den Frieden?“ Diese Frage kennen die Heranwachsenden in der DDR nur zu gut, wenn ihnen Widerrede ausgetrieben werden sollte. „Für Frieden und Sozialismus“ prangte von zahlreichen maroden Häuserwänden. Große Worte, große Widersprüche. Die Diskrepanz zwischen Wort und Tat ist meist dort am Größten, wo große Worte geschwungen werden. Mehr Schein als Sein. Wer seine Mission lebt, wer Frieden und Versöhnung lebt, muss dies nicht permanent auf- oder gar an Fassaden schreiben. Die verkündete Inschrift der Stiftung Garnisonkirche für die Turmkopie wirkt aufgesetzt und suggestiv.

Im Lukas-Evangelium (Lk 1,79) steht: „… auf daß er erscheine denen, die da sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.“

Ja, sie saßen im Kirchturm der Finsternis und im Schatten des Todes, im Zentrum zahlreicher Schlachten und zweier Weltkriege. Der Lukas-Text mahnt: Gott soll den Schwachen, den Tätern erscheinen und all den Christen, damit sie „dem Geist der Gewalt widerstehen und sich für den Frieden einstehen.“ Mit diesen Worten mahnte der Rat der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) unter Bezug auf Lukas 1,79 anlässlich des 100. Jahrestages des Beginns des 1. Weltkrieges 2014.

Der Rat der EKD fand klare Worte zur Schuldfrage:

Der tiefliegende Schaden von Kirche und Theologie in Deutschland wurden durch diesen Krieg deutlich sichtbar. Sie versagten im Hinblick auf die im Wort Gottes gegründete Aufgabe, zu Frieden und Versöhnung oder auch nur zur Gewaltbegrenzung beizutragen und sich zu Anwälten der Menschlichkeit und des Lebens zu machen. Ihr Glaube an den liebenden und versöhnenden Gott, ihre Verbundenheit im einen Leib Christi mit anderen Kirchen und die Universalität ihres Glaubens hat sie 1914 nicht vor Kriegsbegeisterung und -propaganda bewahrt, noch vor der Rechtfertigung nationaler Kriegsziele bis zum Ende. So konnten sie nach Kriegsende auch nicht zur Versöhnungskraft werden und sich 1933 nicht dem Gift des wieder aufkommenden Nationalismus entziehen. Zu sehr dem nationalistischen Zeitgeist verhaftet war ihre Theologie und zu schwach war ihr ökumenisches Bewusstsein. Dies gilt in besonderer Weise für den deutschen Protestantismus – jedenfalls in seiner Mehrheit: Die wenigen Mahner aus seinen Reihen wurden mundtot gemacht. Dieses Versagen und diese Schuld erfüllen uns heute mit tiefer Scham….2

Weder die Scham noch das Eingestehen von Schuld derer die die Hof- und Garnisonkirche als ihre Heimstätte betrachteten, ist im „Ruf von Potsdam“ oder in einer anderen Niederschrift der SGP, des Kuratoriums oder des Fördervereins erfahrbar.

Von Garnisons- und Hofpredigern wie Johannes Kessler und Walter Richter wurden Soldaten in die Kriege geschickt: „Ihr seid die Pioniere des gekreuzigten Heilands! Darum Hand ans Schwert!3 …“Was kümmern uns die Hügel unserer Leichen – das ist Herrengeist, … der deutsche Adler fliegt frei im Licht der eigenen Sonne.4 Bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts stilisiertes sie die Deutschen als das von Gott auserwählte Volk, welches seine Männer in den Krieg schickt, um Heil über die Welt zu bringen. Auf diesen Nährboden ließen sich später gut Herrengeist und Herrenrasse begründen.

Der Rat der EKD reflektiert 2014, dass die evangelische Kirche in Deutschland nach 1945 Schritte auf einem langen Weg der Veränderung ging. Die evangelische Kirche „… ist zu einem lebendigen Mitglied der weltweiten und der europäischen Ökumene geworden und tritt aktiv für humanitäre Prinzipien und Anliegen ein.“

Wozu dann noch eine neue Kirche bauen, wenn der Versöhnungsgedanke längst ein deutscher und europäischer ist? Warum das Gewand der Täter wählen, wenn die Funktion eine der Opfer sein soll? Mit wem will sich die SGP über die europäische Ökumene hinaus noch versöhnen, außer mit der eigenen Geschichte? Welchen Gewalttaten und Kriegsopfern will dieses Projekt gedenken? Wiedermal allen zugleich? Den Tätern und den Opfern?

Das wäre Verhöhnung und nicht Versöhnung!

1 Diese soll lauten: „Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“ und in fünf Sprachen umgesetzt werden

2 https://www.ekd.de/wort_des_rates_zum_ersten_weltkrieg.htm

3 Potsdamer Intelligenz-Blatt Nr. 173, 26.07.1900 1. Beilage. S.1 Potsdams Scheidegruß fürs Reiter-Regiment

4 Ansprache bei der Rekruten-Vereinigung im Langen Stall am 10.11.1913 Domstiftsarchiv Po-G 82/208 S.5

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