Heimat / los

Heimat???

HIer mal ein Dankeschön an die PNN: Wir diskutieren tatsächlich die Wirkungen von Stadtentwicklung in Potsdam. Wir bekommen tatsächlich mal eine differenzierte Sicht auf emotionale, soziale und reale Wirkungen einer „Stadt von oben“.

Nur der Begriff „Heimat“ stört.

Zuerst aber: Diese Diskussion über die Entwicklung von Potsdams Mitte scheint irgendwie völlig von realen sozialen und wirtschaftlichen Prozessen abgekoppelt.
Als ob der zugezogene Student (der gerade irgendwo in einem Zelt auf der Wiese campt, weil keine Wohnheimplätze da sind) mit den zugezogenen Millionären Jauch, Joop oder Döpfner vergleichbar wären. Jeder kann mitbestimmen – was für ein Quatsch. Der eine gibt seine Unterschrift unter ein Bürgerbegehren und demontriert für bezahlbare Mieten – und wird dafür kriminalisiert und der Andere spendet Millionen für den Wiederaufbau einer barocken Fassade und entscheidet damit die Finanzierung eben dieser Entwicklung in der Mitte.
Als ob es immer nur um Architektur ginge. Es geht um öffentliches Eigentum und öffentliche Plätze für alle oder um Privatisierung und Ausgrenzung. Es geht um bezahlbare Mieten für Menschen, die auf dem Brauhausberg oder im Staudenhof wohnen oder um Kreative im Rechenzentrum. Dem gegenüber steht eine Stadtmitte für TouristInnen und stolze (Neu) BesitzerInnen von teuren Anlageobjekten.
Als ob es darum geht, wie wo was aussieht? Nein, es geht um Vielfalt, Lebendigkeit, um Freiräume und Offenheit. Darum, dass sich eine Stadtmitte alle Menschen dieser Stadt leisten können, dort ihre Freiräume finden und gestalten können, darum, dass sich alle Kulturen, historischen Epochen und Ideen von Leben und Alltag (gern auch von Architektur) wiederfinden. Doch genau dies ist eben nicht die Realität des Beschlusses von 1990: Was in Potsdams Mitte passiert, hat mit „Behutsamkeit“ überhaupt nichts zu tun!

Insofern teile ich viele Auffassungen von Peter Effenberg.
Aber mit dem Begriff von Heimat kann ich wenig anfangen.

Das kann daran hängen, dass ich Nationalstaaten als Ursprung des Heimatbegriffs problematisch finde. Es kann damit zusammenhängen, dass ich mich schon zu DDR – Zeiten eher in Opposition zur „DDR – meine Heimat“ – Ideologie befand. Es kann ganz sicher damit zusammenhängen, dass ich Vieles, was heute mit Heimat in Verbindung gebracht wird gruslig finde: Heimatmusik, heimatliche Bräuche, Heimatministerium, Heimatverteidigung.
Nein, bitte nicht.

In einer Stadt wie Potsdam fühle ich mich dann zu Hause, wenn ich ich mich mit Menschen treffen kann, die ich mag., wenn ich Räume gemeinsam gestalten kann, wo ich Vielfalt und Lebendigkeit finde, wo ich mit meinen Ideen ernst genommen werde, wo ich Geschichte kritisch erfahre und eine neue Welt gestalten kann.

Wo bitte ist dafür in der neuen Potsdamer Mitte noch Raum?
Auf dem sterilen „Alten Markt“?
Zwischen superteuren Anlageobjekten oder Kopien barocker Gebäude?
An der Baustelle einer neuen Militärkirche, wo nebenan die Kreativen ihre Sachen packen?
Bei den resignierenden MieterInnen auf dem Brauhausberg?
Zwischen den Staus auf der „Langen Brücke“ und der Heuchelei einer angeblich viefältigen Geschichte am Zaun einer lauten Baustelle?

Was bitte sollte mich motivieren, ausgerechnet die Stadtmitte einer Epoche wieder haben zu wollen, in der absolute Herrschaft, Militarismus und Ausbeutung von Soldaten und Arbeitern die gesellschaftliche Grundlage darstellten?
Meine Potsdamer Mitte ist das ganze Gegenteil von Herrschaft und Herrschaftsarchitektur (und wenn das angeblich die Fachhochschule war, warum dann nicht auch die Nikoleikirche als übermächtiges Symbol kirchlicher Herrschaft abreißen?), das Gegenteil von Privatisierung und SponsorInnenpolitik.

Hier treffen ich mich mit FreundInnen, kann feiern, ohne Verbote und Regeln, hier kann ich Neues gestalten, statt „Barockem“ zu huldigen, hier kann ich Menschen verschiedener Kulturen, Herkunft und sozialen Status treffen und gemeinsam etwas Neues gestalten.

All dies ist in der Potsdamer Mitte nicht mehr möglich – egal, ob dies etwas mit Heimat zu tun hat oder einfach die Realität einer neoliberalen Stadtentwicklung abbildet.

Schade.

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