Wohnen als Grundrecht – vielleicht auch mal in Potsdam

Ein Bericht von Andrzej Kraijnik

Am 20. September fand in Berlin das Wohnungspolitische Forum statt. Gegen die Interessen der Immobilienlobby, die man durchaus mit den Interessen der bundes-regierenden Parteien gleichsetzen kann, wurden hier Konzepte erarbeitet, mit denen die Spekulation eingedämmt und das Risiko des Wohnungsverlustes gemindert werden kann. Gerade für Potsdam wären solche Konzepte hilfreich. Hat sich hier der Effekt des „reichen Nordens“ und des „armen Südens“ für dessen Benennung seinerzeit Oberbürgermeister Platzeck schon viel Kritik einstecken mußte, unter seinem Nachfolger Jakobs doch politisch gewollt weiter verstärkt und beschleunigt.

Natürlich hängt vieles an der Gesetzeslage der Bundesrepublik und deren konsequenter Umsetzung. Daß Boden ein endliches Gut ist und damit nicht als unbegrenzte Ware zu behandeln, wurde höchstrichterlich bereits in den 60er Jahren in Westdeutschland erkannt und in den 90ern nochmal bestätigt. Es interessiert nur niemanden. (In der DDR war Boden konsequent billig, um Stadtplanungen nicht an dieser Komponente auszurichten.)

Wo Preise für Mieten steigen, gibt es höhere Dividende. Und wenn, wie politisch befördert, hohe Mieten zum Hauskauf führen, freut sich auch die Kreditwirtschaft. In den Jahren 2008/09 führte die geplatzte Immobilienblase weltweit zur Krise in der Bankenwirtschaft. Deutschlands Mietwirtschaft war recht gut dagegen gesichert. Die nächste Immobilienblase werden wir auch in Deutschland spüren.

Nicht alle wollen Spekulation und die Folgen als Naturgesetz akzeptieren und fordern Lösungen, die Wohnungswirtschaft aus dem System der Gewinnmaximierung herauszulösen. Was gar nicht so revolutionär ist, weil es das vor einigen Jahrzehnten in Westdeutschland noch gab. Wichtig wären heute umfassende Konzepte. Der erkennbare Wille, eine Lösung herbeizuführen, die den Wohnungsmarkt und Mieter entlastet.

Heute kann ein Mietrückstand durch überzogene Mietminderung oder Zahlungsverzug bereits ohne Mahnung zur Kündigung führen. Gefordert wurde am 20. September daher, daß man dem Mieter (wieder!) die Möglichkeit geben muß, dem Kündigungsgrund abzuhelfen, wenn ein Gericht das in einem Urteil so bestimmt. Ähnliches gilt bei Mietverzug. Sind bisher auch die Jobcenter mit einer Vorauszahlung eingesprungen, um einen Wohnungsverlust zu vermeiden, ist diese Art Unterstützung heute lange keine Garantie mehr, daß die Kündigung aufgehoben wird.

Andere üble Geschichten durch weitere Teilnehmer des alternativen Wohnungsforums waren schnell zur Hand. Als einzelner Mieter ist man oft nur noch den Profitinteressen im Wege, die eine regelmäßige Neuvermietung mit entsprechender „Mietanpassung“ ermöglicht. Die Ahndung von Kleinigkeiten und überzogene juristische Prozesse gegen die Mieter werden dann zur wirtschaftlichen Notwendigkeit, zermürben aber den einzelnen.

Die Forderungen für politische Besserungen wurden in verschiedenen Arbeitsgruppen verfaßt, um sie dann vor dem Wohnungsgipfel der Bundesregierung am 21.09.18 als konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Natürlich sind weder SPD noch CDU soziale Parteien, die so etwas in ihr Programm übernehmen würden. Doch könnte der Druck der Straße etwas gegen die massive Lobbyarbeit der Immobilienwirtschaft ausrichten?

Auch die Kommunen können durchaus ihren Beitrag leisten, starke Fehlentwicklungen lokal zu verhindern. Hierzu gehört, daß städtischer Boden nur in Erbpacht vergeben wird, auf keinen Fall aber verkauft. Es sind nur in dem Fall überhaupt die Grundstücke der Kommunen abzugeben, wenn darauf Aufgaben erfüllt werden, zu welchen die Kommune sich selbst nicht in der Lage sieht. Hierzu gehören vor allem soziale Einrichtungen. Ein kommunaler Vermieter hat dämpfend und nicht treibend auf den Mietspiegel einzuwirken und auf keinen Fall Teile seines Bestandes zu verkaufen. Auch eine werterhaltende Sanierung, die nicht gleich Luxussanierung mit Luxuspreisen bedeutet, ist kommunalen Vermietern durchaus zuzumuten. Die Mieter in kommunalen Vermietern müssen ein verbindliches Mitbestimmungsrecht haben, gleichzeitig muß die Kommune als Eigentümer politisch Einfluß auf ihr Unternehmen ausüben. Die Kommune hat außerdem neue Grundstücke, soweit es die Spekulationspreise sinnvoll erscheinen lassen, wieder zu erwerben. Und wo schon Mietspiegel sein müssen, sollen Wohnungen aus dem Luxus-Segment keinen Einfluß darauf nehmen. Auf die Weise ließen sich schon die größten Preistreiber ausklammern.

In Potsdam läßt sich beobachten, wie es nicht zu sein hat. So günstig wie die städtischen Filetgrundstücke am Jungfernsee und anderswo abgegeben wurden, wird man sie nicht mehr in die öffentliche Hand bekommen. Statt dessen wird verkauft, was noch da ist, die Preisschraube für Mieter zieht weiter an, die Spaltung des Stadtgebietes in Arm und Reich geht erkennbar weiter. Auch in Potsdam befinden sich leider keine sozialen Parteien in der Regierungsverantwortung.

Was bleibt, sind Mieterinitiativen. Und Stiftungen, welche die Wohnungen aufkaufen, um sie gemeinsam mit den Mietern zu betreiben und der Profitwirtschaft zu entziehen. Auch deren Vertreter waren in Berlin anwesend. Und auch diese sind bereits in Potsdam aktiv. Wo es die Rathausspitze nicht mehr schafft, bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, haben sich längst Initiativen zusammengefunden, um genau das zu erstreiten.

Grundsätzlich wurden beim alternativen Wohnungsforum in Berlin auch die Wohnungsgenossenschaften hervorgehoben, deren Ziel satzungsgemäß in der sozialen Pflege und dem Ausbau ihres Bestandes liegt. Es ist natürlich schon bekannt, daß das Management mancher Genossenschaften das inzwischen anders sieht und dazu übergeht, „unwirtschaftliche“ Langzeitmieter zu verdrängen. Die satzungsgemäße Pflicht zur demokratischen Beteiligung der Mieterschaft in Wohnungsgenossenschaften kann bei entsprechender Solidarisierung der Genossenschaftsmitglieder jedoch vieles verändern – auch das Management selbst.

  1. Die große Stärke des alternativen Wohnungsforums offenbarte auch gleichzeitig seine Schwächen. Es war eine Leistung, bundesweite Akteure in ein Haus zu bekommen, von Erfolgen zu hören und Handlungsvorschläge zu erarbeiten. – Und es ist betrüblich, wenn schon Vertreter der Kreuzberger Initiative nicht von Potsdam wissen und entsprechend Vorschläge mit auf den Heimweg gaben, die allesamt schon längst verwirklicht sind. (Einbindung von Kunst, alternative Medien abseits der offiziellen Jubelpresse, intensive Vernetzung verschiedenster stadtpolitischer Akteure etc.) Nicht überall hat der öffentliche Druck den gleichen Erfolg. Und in Potsdam bedarf es noch sehr viel mehr Anstrengungen, um das zu erreichen, was gegen unbestreitbare Widerstände in Hamburg, München und Kreuzberg bereits geglückt ist. So zeigte der 20. September in Berlin, was in Potsdam eigentlich schon alles auf die Beine gestellt wurde. Und wie viel noch zu tun ist, um die berechtigten Belange der Bürger auf die Agenda der Rathauspolitik und der beiden Tageszeitungen zu heben. Daß der Oberbürgermeister Jakobs nun nicht mehr Teil der Altherrenriege zusammen mit Semmelhaack, dem GEWOBA-Chef, dem Stadtwerkechef, dem Luftschiffhafen-Chef und ähnlichen ist, die in Hinterzimmern Demokratie simulieren, stimmt optimistisch. Tatsächlich fand zuletzt nur noch die Gewoba dankbare Worte für den scheidenden Oberbürgermeister. Sie hat ihn auf die Titelseite ihrer Mieterzeitung gesetzt und sogar eigens für ihn den Jann-Jakobs-Preis erfunden und ihm verliehen. Es bleibt jedoch auch ohne ihn noch harte Arbeit, aus Potsdam eine Stadt zu machen, in der das Wohnen wieder Grundrecht ist und kein teurer Luxus-Artikel.
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