Eine schwierige Premiere

Die MieterInnen der Wichgrafstraße 11 kämpfen um das Vorkaufsrecht

Was in vielen Städten längst Alltag ist, könnte für Potsdam eine Premiere werden.
In der der Wichgrafstraße 11 in Potsdam Babelsberg kämpfen die MieterInnen darum, dass die Stadt ihre sogenanntes „Kommunales Vorkaufsrecht“ wahrnimmt.

Darum geht es:

Das große Mietshaus in Babelsberg Nord soll verkauft werden. Ganz offensichtlich möchte sich der Besitzer aus Berlin ein Stück vom Kuchen des Wahnsinns auf dem Immobilienmarkt sichern.

Die MieterInnen haben sich deshalb in einem Verein zusammengeschlossen und dem Besitzer ein Angebot unterbreitet, dass sich am Verkehrswert orientierte und im Verbund des Mietshäusersyndikats umgesetzt werden sollte.

http://wichgraf11.de/

Der Besitzer lehnte ab.

Das Gemeinschaftsmodell war ihm wohl suspekt, der Kaufpreis angesichts der möglichen Spekulationsgewinne in Potsdam zu gering.
Inzwischen ist klar, es gibt zwei mögliche Käufer aus Berlin, die einen Kaufpreis bezahlen würden, der weit über dem Verkehrswert liegt und eigentlich nur eine Verwertung möglich macht. Wenn sie den Kaufpreis von 4,2 Mio. € refinanzieren und dann noch Gewinne erzielen wollen, geht das nur über die Umwandlung in Eigentumswohnungen und Luxussanierungen.

Für die BewohnerInnen in der Wichgrafstraße würde dies bedeuten, dass sich die Mehrheit von ihnen Babelsberg nicht mehr leisten könnte. Die gewachsene Gemeinschaft würde zerstört, die Menschen verdrängt.

Genau da setzt das Baugesetzbuch mit der Möglichkeit des „Kommunalen Vorkaufsrechts“ an. Im § 24 ist dies genau festgeschrieben und dabei wird vor allem auf das „Wohl der Allgemeinheit“ als Hauptrechtfertigungsgrund verwiesen. In § 172 BgB wird dann schließlich festgelegt, aus welchen Gründen Kommunen ihr „Kommunales Vorkaufsrecht“ wahrnehmen können. Dabei wird ausdrücklich auf die Notwendigkeit verwiesen, dass Kommunen Erhaltungssatzungen erlassen müssen und dabei auch die „Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“ als Ziel formulieren müssen.

Alle diese Bedingungen sind in Potsdam, sind vor allem im Erhaltungsgebiet Babelsberg Nord gegeben.

Und trotzdem ist es schwierig.

Potsdam hat dieses Recht noch nie wahrgenommen.
Potsdam hat dies wohl noch nie probiert.

Potsdam hat keine rechtlichen Erfahrungen, keine konkreten Verwaltungsrichtlinien dafür.

Potsdam hat Investoren noch nie solche Vorgaben gemacht.

Die MieterInnen aus der Wichgrafstraße haben in den letzten Wochen alles getan, was möglich ist.
Sie haben sich an den Oberbürgermeister und die Stadtverordneten gewandt.

Offener Brief Förderverein Wichgraf11

Sie haben sich rechtlich kundlich gemacht und können nachweisen, dass das ihr Haus im Erhaltungsgebiet Babelsberg Nord liegt.

grenze_es_bab_nord

Sie kennen die Rechtslage in anderen Städten, wissen, welche Voraussetzungen Kommunen leisten müssen.

VZK-Konzept_Vorkaufsrechte

Sie haben bewusst darauf verzichtet, zu polarisieren, eine intensive Öffentlichkeit zu suchen. Ein Beschluss in der SVV kam ohne ihren Druck zu Stande, verpflichtet die Stadt aber zum Handeln.

https://www.pnn.de/potsdam/wohnen-in-potsdam-mieter-kaempfen-um-ihr-haus-in-der-babelsberger-wichgrafstrasse/24079372.html

Trotzdem ist es schwierig.

In der Finanz – und Bauverwaltung gibt es offensichtlich sehr große Vorbehalte und kaum Wissen und Erfahrungen mit dem „Kommunalen Vorkaufsrecht“. Der Stadtkontor als Treuhänder der Stadt sieht gar keine Möglichkeit für die Wahrnehmung eines Vorkaufsrechts und weist die MieterInnen ab. Der Baubeigeordnete und die Stadtsprecherin verwechseln das Vorkaufsrecht aus sozialen Gründen mit den Möglichkeiten einer Kommune, Grundstücke für ihre Aufgaben zu erwerben: „Denn das Recht gelte nur dann, wenn Flächen oder Häuser für kommunale Infrastruktureinrichtungen benötigt werden“ erklären sie gegenüber der PNN.
Das ist rechtlich einfach falsch.

Und im Bauamt sorgt man sich um Haftungsfragen beim Verkauf an Dritte und ob die „alte“ Erhaltungssatzung aus dem Jahr 1992 überhaupt noch rechtlich gültig ist.

Allein diese Rechtsauffassung ist makaber genug.
Denn 1992 hatte man tatsächlich noch die gesamte Erhaltung des Kiezes in Babelsberg im Blick und verwies auf den § 172 in Gänze und auf die Zielstellung, die „Zusammensetzung der Bevölkerung“ zu erhalten.

BabelNordSatzung

Wahrgenommen hat Potsdam diese Möglichkeit nie.

Gleichwohl wurde die Satzung 2014 bestätigt, wohl in der Annahme, in Potsdam ginge es sowieso nur um die Erhaltung von Bausubstanz und Architektur.
Jetzt argumentiert das Bauamt, ob diese „Zusammensetzung der Bevölkerung“ überhaupt noch als Ziel gültig sein könne – nachdem man 27 Jahre lang jede Privatisierung, jede Luxussanierung, jeden spekulativen Verkauf zugelassen hat und dadurch die ursprüngliche Bevölkerung verdrängt wurde.

Aber die MieterInnen in der Wichgrafstraße kämpfen weiter.

Sie meinen zu Recht:

Es wird Zeit, dass Potsdam seine Rechte auch wahrnimmt.
Dies könnte eine Premiere sein, aber auch ein Modell, endlich in viel mehr Kiezen in der Stadt Erhaltungs – und Milieuschutzgebiete zu schaffen – in Potsdam – West, im Zentrum – Ost und vielen anderen Quartieren, wo Menschen bezahlbar leben wollen.

Es ist an der Zeit.

Hier kann eine Petition unterzeicnet werden.
Bitte beteiligt Euch!

https://www.openpetition.de/petition/online/immobilienspekulation-verhindern-kommunales-vorkaufsrecht-nutzen

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