Schubert ist Steigbügelhalter der Stiftung Garnisonkirche

Der aktuelle Vorschlag Schuberts klingt fast wie eine Schlichtung und Versöhnung. Es ist aber ein gekonnt eingefädeltes taktisches Kalkül zu Gunsten der Stiftung Garnisonkirche und dem Prestigeobjekt des Oberbürgermeisters (OB), dem Stadtkanal.

Wer kann schon etwas gegen eine internationale „Jugendbegegnungsstätte für Bildung und Demokratie“ haben? Wer will sich dem in den Weg stellen oder stoisch auf seiner angestammten Meinung beharren oder im alten Rechenzentrum bleiben?

Selbst die Gegner*innen des Kirchenprojektes fordern seit vielen Jahren ein NS-Dokumentationszentrum und eine umfassende Aufarbeitung der Militärgeschichte der Stadt sowie des Preußischen Nationalismus. Jüngst kündigten die Niemöller-Stiftung und andere Kritiker*innen die Schaffung eines unabhängigen Lernorts Garnisonkirche Potsdam an. Der OB-Vorschlag klingt wie das Aufgreifen dieser Forderungen und Aktivitäten. Es erweckt den Eindruck des aufeinander Zugehens.

All das ist es NICHT!

Der Vorschlag Schuberts ist kein Beitrag zur Diskussion in der Stadtgesellschaft, sondern ein Versuch vollendete Tatsachen zu schaffen. Er liefert gleich eine Beschlussvorlage (BV) mit. Diese ist eine weitere Unterstützung der Stiftung GK hinsichtlich des Turmbaus. Dieser Beschluss wird auch als Zustimmung Potsdams zum Bau des Turmes gewertet werden. Auch von der Bundesregierung, die über weitere 6 Mio. € Steuermittelverschwendung zu Gunsten dieses Nationalen Unsinns nachdenkt.

Der Turm ist das Kernstück des Wiederaufbaus. Er ist das Symbol der Geschichtsrevision, welches über die Stadt ragen soll und das alte Preußen verherrlichen soll. Der Sorgenprinz der Hohenzollern wird es ihnen danken. Zur Grundsteinlegung war er ja auch. Und das ihm die öffentliche Hand auch noch den Turm hinstellt, ist reines Zuckerschlecken.

Von Anbeginn stand das Kirchenschiff in Frage. Die Finanzierbarkeit war nie gegeben. Die laufenden Kirchenkredite an die Stiftung fordern sogar einen Bruch mit der ursprünglichen Architektur. Der Verzicht auf das Kirchenschiff ist also kein Entgegenkommen der Stiftung. Es ist ein Muss. Die neue Beschlussvorlage fordert nicht einmal eine Satzungsänderung in Bezug auf den Bau des Schiffes. Das wäre das Mindeste. Ein Nutzungskonzept für das überdimensionierte Kirchenschiff hat es nie gegeben. Der Versuch, es der Stadt als Konzertsaal anzudrehen, scheiterte schon bei OB Jakobs; einem Projektbefürworter.

Jetzt soll eine Begegnungsstätte unter Mitsprache und Federführung der Stiftung entstehen, die 15 Jahre lang nicht mal in der Lage war, ein Konzept für die kleine Turmausstellung zu fertigen. Die Forderung seitens der Stadt muss lauten: Rückgabe des Grundstückteiles, der für das Kirchenschiff gedacht war. Wenn jemand eine Jugendbegegnungsstätte errichten will, die all das reflektiert, was als Begründung in der Beschlussvorlage aufgeschrieben steht, dann sollte dies frei von konfessioneller und parteilicher Einflussnahme sein! Ein Beschluss (siehe Punkt C der BV), dass die Stiftung die „Bildungs- und Jugendarbeit als Zweck“ in die Satzung aufnimmt, geht völlig in die falsche Richtung.

Die Stiftung Garnisonkirche hat in ihrem langjährigen Bestehen kein Konzept für einen Lernort geschaffen. Sie hat auch keine kritischen Seiten des Ortes beleuchtet. Sie hat nie die „wunden Punkt der Geschichte“ (Prof. Paul Nolte) aufgezeigt. Sie hat aber “die Kirchengeschichte nostalgisch-beschönigend dargestellt, die Kirche zum Opfer der Zeitläufte stilisiert und mit dieser Mythenbildung in problematischer Weise einen Identifikationsort propagiert“ (Prof. Philipp Oswalt). Wie kann die Stadtpolitik eine solche Stiftung in die Entwicklung einer Jugendbegegnungsstätte für Bildung und Demokratie einbeziehen? Da kann ja gleich Herr Gauland – ein Erstunterzeichner des „Ruf aus Potsdam“ – zum Leiter der Bildungsstätte ernannt werden.

„Bis zum Jahr 2023 soll ein inhaltliches Konzept erarbeitet werden“ (siehe Punkt B der BV). Das Datum gibt zu denken. Ende 2023 soll das neue – völlig überteuerte – KreativQuartier fertig sein. Dann sollen die Nutzer*innen des Rechenzentrums (RZ) umziehen. Entweder ins neue Quartier (welches die historische Nachbildung des Langen Stall zum Wohlwollen der Retrofans ermöglicht), oder an den Stadtrand. Hauptsache raus. Denn dann kann und soll das RZ abgerissen werden. Die Möglichkeit, dass das bestehende Gebäude in die Konzeption der Bildungsstätte integriert wird, ist zwar theoretisch denkbar, aber illusorisch. Eine ganz kleine Chance hätte das Haus, wenn die Stiftung GK nicht mehr „Herrin“ des Grundstückes ist, sondern die Stadt UND die politisch Verantwortlichen sich neu besinnen. Dazu müsste sich aber die „linke“ Mehrheit auch von ihrer liberal-konservativen Politik lösen. Außerdem müsste der B-Plan und dessen Zielstellungen geändert werden. Auch das sklavische Festhalten an historischen Grundrissen.

Dazu besteht leider wenig Hoffnung. Das RZ steht dem Stadtkanal im Weg! Es steht dem Prestigeobjekt des neuen OB im Weg. Und die Stadtverordneten sollen jetzt erneut – indirekt über die Befürwortung einer „internationalen Jugendbegegnungsstätte“ – den Platz dafür frei machen.

Die mündlichen Aussagen des OB Schubert, dass eventuell Bundesfördermittel zur Förderung des Bildungsortes eingesetzt werden können, wird die Stiftung GK freuen. Dann braucht sie nicht einmal eigenes Geld für die „Bildungsstätte“ aufbringen. Der Staat bezahlt dann auch noch die Kirchenschiffattrappe. Und die Verheißung, dass Rechenzentrum und Begegnungsstätte zusammen agieren könnten, ist eine reine Nebelkerze bzw. bezieht sich auf die Zeit nach 2023 und meint im Klartext das räumliche Nebeneinander von Jugendbegegnungsstätte und KreativQuartier.

Dass OB Schubert keine Diskussion zur Zukunft rund um die Plantage wünscht, zeigt sich auch darin, dass er in den letzten Monaten nicht einmal die Gegner*innen des Kirchenprojektes zum Gespräch geladen hat. Weder die überregionalen Netzwerke, noch die Initiativen vor Ort. Schubert reiht sich in die mittlerweile lange Reihe der Sozialdemokraten ein, die durch ihr Agieren die Finanzierung dieses liberal-konservativen bis rechts-nationalen Projektes organisieren. Die Reihe reicht von Bürgermeistern und Ministerpräsidenten bis zum Bundespräsident. Die neue Beschlussvorlage des OB verstößt gegen den Auftrag der SVV, alles ihm Mögliche zur Auflösung der Stiftung Garnisonkirche zu unternehmen. Er kehrt die Handlungsrichtung um! Er stärkt die Stiftung mit dieser Beschlussvorlage!

Notwendige Voraussetzung für ein Neuanfang wäre ein sofortiger Baustopp beim Turmbau und eine offene, stadtgesellschaftliche Debatte zum Fortgang des Projektes. Schubert wagt keinen Neuanfang. Er schlafwandelt lediglich in den Fußstapfen seiner beiden protestantischen Amtsvorgänger.

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