Halbzeit beim Bürger*innen-Haushalt

Die ersten fünf Wochen sind rum und es zeichnen sich klare Favoriten für die Potsdamer*innen ab. Bei der Haushaltssicherung sind es die Vorschläge „Kein städtisches Geld für den Wiederaufbau der Garnisonkirche“ und „Hundesteuer erhöhen“. Im Bereich laufende Verwaltung haben sich „kostenfreier ÖPNV“ und „Faire Bezahlung / Tarifvertrag im Klinikum“ von den anderen Vorschlägen abgesetzt. Bei der Investitionsplanung liegen zwei Verkehrsthemen vorn: „Fahrradwege ausbauen und sicher gestalten“ und „Umgehungsstraße realisieren (3.Havelübergang)“.

Es fällt auf, dass viele dieser Vorschläge schon in den vergangen Jahren das Interesse und die Zustimmung der Stadtbevölkerung fanden. Daraus könnte geschlussfolgert werden, dass es ihnen damit ernst ist und dass es ihnen scheinbar zu langsam bei der Umsetzung geht. Nahverkehr stärken, autofreie Innenstadt und Fahrradfreundlichkeit waren schon im letzten Jahr Top-Themen. Kontrapunkt dazu ist auch schon seit einiger Zeit der 3. Havelübergang. Doch auch andere Themen und Konflikte leben wieder auf.

„Kein städtisches Geld für die Garnisonkirche“ war schon 2017 Spitzenreiter im Bürger*innen-Haushalt. Für den Doppelhaushalt 2018/19 waren es 15.123 Stimmen und ebenfalls Platz 1. Derzeit liegt dieser Haushaltsvorschlag zur Halbzeit erneut auf dem Spitzenplatz (9.009 Stimmen; Sonntag den 03.11.). Letztes Jahr gab es von Mitteschön den Vorschlag „historische Mitte vorantreiben“. Er bekam 3.791 Stimmen. Allerdings konnte sich der Mitteschön-Stadl auch ohne Bürger*innenhaushalt der Unterstützung der Stadtvorderen von Rot-Schwarz-Grün sicher sein.

Aktuell steht „kein städtisches Geld für den Wiederaufbau der Garnisonkirche“ direkt dem Vorschlag „Oberbürgermeister soll Wiederaufbau der Garnisonkirche unterstützen“ gegenüber. Letzterer Vorschlag ist auch ein Gegenvorschlag zum letzten Votum der Stadtverordneten. Diese haben mit der Annahme des Bürgerbegehrens beschlossen „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, alle für die Stadt rechtlich zulässigen Möglichkeiten zu nutzen, um auf die Auflösung der Stiftung Garnisonkirche Potsdam hinzuwirken.“ Das Stimmenverhältnis im aktuellen Bürger*innenhaushalt beträgt zur Halbzeit 7,5 zu 1. Während die Gegner des Wiederaufbauprojekts bereits über 9.000 Stimmen haben, haben die Befürworter*innen lediglich 1.206.

Ein Oberbürgermeister wäre gut beraten, die Haushaltsvorschläge nicht nur wörtlich ernst zu nehmen, sondern auch als stellvertretende Abstimmung über das Wiederaufbauprojekt als solches zu betrachten. Eine eindeutige Klärung könnte natürlich eine Bürger*innenbefragung bringen.

Doch diese Chance hat die Stadtspitze im Wahljahr 2019 trotz dreier Wahlen erneut verpasst. Diese demokratische Fehlleistung geht jedoch eher auf die Kappe des ehemaligen OB, Jann Jakobs. Denn er hatte sich mit seiner Politik zwei Bürgerbegehren zum Thema Stadtmitte und Stadtentwicklung eingefangen und die Chance verstreichen lassen, mit klaren Ja-Nein-Fragestellungen eine Klärung herbeizuführen.

Noch fünf Wochen lang (bis zum 2.Dezember) kann stellvertretend für eine richtige Bürger*innenbefragung beim Bürger*innen-Haushalt über diese Frage und natürlich alle anderen Vorschläge zur Stadtpolitik, abgestimmt werden.

Hier geht es zum BÜHH 2020/21: https://buergerbeteiligung.potsdam.de/node/10387/Votierungsbogen

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