Das Feeling von früher

Dieses „Feeling von früher“ zu erleben wünscht sich Prof. Nolte, der Chef des wissenschaftlichen Beirates der Stiftung Garnisonkirche. Das Feeling von früher heißt Garnison sowie Hofstaat mit Missbrauch von Kirche zur Sicherung der Krone. Das Feeling bedeutet Säbelrasseln und Stiefelknallen, unerbittlicher Gehorsam – sprich Militarismus und Krieg. Und ganz besonders in der Garnisonkirche zu Potsdam, der preußischsten aller Garnisonkirchen.

Die Äußerungen des Beiratsvorsitzenden gegenüber dem arte-journal (Sendetermin 20.08.2020) sind erneut eine inhaltliche Bankrotterklärung der GK-Untersützer*innen.

Seht selbst: https://www.arte.tv/de/videos/099273-000-A/potsdam-streit-um-den-wiederaufbau-der-garnisonkirche/

Einen Teil des „früher“ vergessen machen, möchte hingegen Saskia Hüneke mit ihrem Antrag an die Stadtverordnetenversammlung, das Iserlohner Glockenspiel einschmelzen zu lassen. Ein Grund wird im Antrag offensichtlich: das von rechtsradikalen Einschreibungen geprägte Glockenspiel, welches 28 Jahre lang die Plantage verlärmte, hat seine Schuldigkeit getan. Max Klaar und dessen rechte Gesinnungsgenossen haben immer betont, dass dieses Glockenspiel , welches 1990 der Stadt Potsdam geschenkt wurde, die Initialzündung zum Bau der Garnisonkirche sein soll. Hat scheinbar funktioniert. Heute setzt die Stiftung das Werk Klaars fort.

Die grüne Frontfrau für das Feeling von Gestern, macht in der Antragsbegründung auch kein Hehl daraus, dass sie das Iserlohner Glockenspiel nicht mehr braucht, da „die Bemühungen um ein klanglich und technisch besseres Glockenspiel für den im Bau befindlichen Kirchturm bereits seit längerem laufen“ (siehe https://egov.potsdam.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=31976 )

Doch was sie nicht erklärt ist, warum sie die Geschichte dieses Glockenspiel mit dem Einschmelzen der Glocken vergessen machen will. Vielleicht liegt es daran, dass sie es war, die als Stadträtin für Kultur und Denkmalpflege das Geschenk der Iserlohner Kampfmannschaften 1990 angenommen hat. Und ihr Amtsnachfolger ließ es 1991 feierlich mit vielen hundert Gästen einweihen. Der Amtsnachfolger heißt Wieland Eschenburg. Beide zusammen sind immer noch das PR-Team für den Wiederaufbau der Garnisonkirche in dieser Stadt (gemeinsam mit Frau Kuster natürlich – welch Dreiklang).

Seit 30 Jahren liegen uns die Feeling-von-früher-Genießer*innen in den Ohren, mit der Notwendigkeit, Geschichte durch Rekonstruktion erlebbar machen zum müssen. Nahezu gnadenlos löschen sie seit 1990 jüngere bauliche und kulturelle Epochen aus; durch Häuserabrisse, das Schleifen von Denkmälern, Straßenumbenennungen u.v.a. mehr. Und nun soll plötzlich die Geschichte des Glockenspieles vernichtet werden, obwohl es doch die schönen alten Lieder spielte. Lieder der Gottespreisung und des Untertanentums – „Lieder aus der guten alten Zeit“.

Die 40-jährige Geschichte des Glockenspieles ist auch eine 30-jährige Stadtgeschichte. Die Inschriften waren vom ersten Tag an bekannt und in den Glocken sichtbar. Die Spender*innen haben diese gezielt gewidmet. Wer behauptet, dass dies nicht den Handelnden bewusst war, verbreitet Fake-News.

Die wissenschaftliche und geschichtliche Aufarbeitung des Iserlohner Glockenspiels ist notwendig. Teile des Glockenspieles gehören ins Potsdam-Museum. Ein Teil sollte vor Ort in einen Mahnort integriert werden. Das Glockenspielgerüst sollte als Akt der militärischen Konversion zu einem Spielgerät für Kinder umgestaltet werden.

Die Aufarbeitung der Glockenspielgeschichte hat längst begonnen. Wer sich informieren möchte, kann dies tun. Der Lernort-Garnisonkirche mit seinem wissenschaftlichen Beirat, macht deutlich, wesen Geistes Kind dieses unsägliche Geschenk war und ist. http://lernort-garnisonkirche.de/?p=149

Hier geht es zur Übersicht zu den Glockeninschriften: http://lernort-garnisonkirche.de/wp-content/uploads/2020/06/Inschriften-Glockenspiel_1984-87.pdf

Das Glockenspiel wird auch Thema der Transformale im Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum sein. Am Eröffnungstag, dem 04.September gibt es eine Performance „Glocken Spiel Fragmente“ und am Folgetag einen Vortrag zum Glockenspiel sowie zum Abend die Eröffnung des physischen Lernorts Garnisonkirche mit dem Schwerpunkt Wiederaufbauprojekt Garnisonkirche (Inklusive Glockenspiel). Mehr unter: http://transformale.de/programm/

P.S. Für die TV-Aussage des eingangs erwähnten Prof. Nolte, die Garnisonkirche sei eine der schönsten Barockkirchen gewesen, fehlt bis heute jeglicher wissenschaftlicher Beleg. Die Aussage stammt vom Hobbyhistoriker Kitschke aus jüngster Vergangenheit. Auch in seiner Huldigungsschrift an die Garnisonkirche war scheinbar das Feeling von früher stärker als jedes Faktum.

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