Das nächste soziale Gemeinschaftsprojekt scheitert

Wir dokumentieren:

Eine gemeinsame Stellungnahme von:
Projektgruppe Das Blaue L & Wohnungsgenossenschaft Sanssouci Süd i.G.

Kein Soziales Wohnungsunternehmen

Wie die städtische ProPotsdam GmbH gemeinschaftliches Wohnen systematisch verhindert am Beispiel der Lennéstr. 54 und 55

Zur Schaffung lebenswerter Städte ist eine soziale Durchmischung, sprich der Kampf gegen zu hohe Mieten notwendig. Ein Blick auf das tatsächliche Agieren von städtischen Unternehmen und entsprechenden Verantwortlichen in Verwaltung und Politik zeigt jedoch, dass genau in die gegenteilige Richtung gesteuert wird. Ein Beispiel aus dieser unsozialen Praxis ist die Grundlage dieses Textes. Wir möchten damit erläutern, warum wir uns nicht auf eine Ausschreibung der ProPotsdam GmbH für die Vergabe in Erbbaupacht der Lennéstraße 54 und 55 in Potsdam bewerben werden.

Wer wir sind

Wir sind zwei altersdurchmischte Gruppen, insgesamt 40 Menschen, zu denen auch die aktuellen Bewohner:innen des ausgeschriebenen Hauses gehören. Die meisten von uns wohnen seit vielen Jahren in Potsdam und gestalten die Stadt durch ihre beruflichen und ehrenamtlichen, kulturellen, sportlichen und gastronomischen Aktivitäten mit. Unsere Vision ist eine nachhaltige Lebensweise in einer solidarischen Gemeinschaft sowie das gemeinsame Altwerden ohne die permanente Angst, ob wir uns beispielsweise die überteuerte 2-Raum-Wohnung nächstes Jahr noch leisten können. Unsere Gruppen wären genau eine der angestrebten Zielklientel, könnten wir der Ausschreibung der ProPotsdam zur Vergabe eines Erbbaupachtvertrages für zwei sehr sanierungsbedürftige Grundstücke in Potsdam-West Glauben schenken.

Die „Schein“-Konzeptausschreibung der ProPotsdam

An sich eine hervorragende Idee: Die kommunalen Flächen werden nicht mehr privatisiert, sondern per Erbbaurechtsvertrag für 99 Jahre den zukünftigen Bewohner:innen verpachtet. Die Ausschreibung umfasst viele begrüßenswerte Anforderungen, die wir unseres Erachtens allesamt erfüllen: Soziale Heterogenität der Bewohner:innen, der Wunsch ins Quartier zu wirken, (Alters-)Diversität, Nutzungskonzept für den Gewerbeteil, Anstreben von barrierearmem und ökologischem Bauen, sowie eine Kombination aus neuen und tradierten Wohnformen.

Und dann das: In einem zweistufigen Verfahren, von dem behauptet wird, es sei eine Konzeptvergabe, macht die ProPotsdam schon auf der ersten Verfahrensstufe die Hälfte der Entscheidung vom Höchstgebot bezogen auf den Pachtzins abhängig. Dazu ruft sie 68.000 Euro jährlich als Mindestgebot auf.

Die Kosten für die Sanierung von Gebäuden, die die ProPotsdam z.T. 20 Jahre leer stehen und verfallen ließ, würden noch hinzukommen. Nach verschiedenen Expert:innenschätzungen läge die Miete pro qm bei ca. 15,50 Euro. Dies ist, nicht nur in Anbetracht unseres Einkommens, absolut untragbar. Am Beispiel dieser Ausschreibung wird erneut deutlich, dass ein soziales und gemeinschaftliches Wohnen in Potsdam nicht erwünscht ist. Wir können uns das nicht leisten.

Wenn also städtische Politik im Verbund mit ihrer städtischen Wohnungsbaugesellschaft das für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung hält: Gute Nacht, Potsdam. Zum Vergleich: Das Landesprogramm zur Förderung von sozialem Wohnungsbau verpflichtet die Förderungsempfänger:innen auf einen qm-Mietpreis von 6,20 Euro (kalt). Das heißt wiederum, dass die explizite Nennung gemeinschaftlicher Wohnformen in städtischen Konzepten und Ausschreibungen schlussendlich nur politische Lippenbekenntnisse sind und es offensichtlich nicht gewollt ist, die Nachbarschaftsstruktur zu erhalten. Immerhin lebt fast die Hälfte von uns bereits lange in P-West. Chance vertan – für uns und für Potsdam.

Unsoziale Stadtpolitik hat System

Viele von uns versuchen seit Jahren bezahlbare Objekte für gemeinschaftliches Wohnen zu finden. Leider ist es nicht das erste Mal, dass wir dabei an der ProPotsdam, ihren Ausschreibungen und dem zugehörigen Gebaren scheitern. Ein anderes trauriges Beispiel war die Ausschreibung eines Grundstückes in der Goethestraße (Babelsberg) 2018. In mehrmonatiger intensiver Arbeit hatten damals knapp 100 Menschen gemeinschaftlich ein Konzept und einen Finanzplan für die Bewerbung bei der ProPotsdam erarbeitet. Wir waren sehr zuversichtlich, weil beides den formalen und inhaltlichen Anforderungen der Ausschreibung entsprochen hat. Doch anstatt über die eingegangenen Bewerbungen zu entscheiden, ließ die ProPotsdam alles liegen, und zwar so lange bis das zur Ausschreibung gehörige Grundwertgutachten nicht mehr gültig war. Es wurde ein neues Gutachten angefertigt und es ist leicht zu erahnen, ob bei den Bodenpreissteigerungen in Potsdam die Finanzierung nach der Neubewertung für die Großgruppe noch realistisch gewesen wäre. Natürlich nicht.

Bei uns führt das Geschilderte zu Desillusion und Frustration, was die Entwicklung in Potsdam sowie das Agieren von städtischen Unternehmen und entsprechenden Verantwortlichen in Verwaltung und Politik angeht. Wir müssen unsere Träume von gemeinschaftlichem Leben entweder weit außerhalb der Stadt angehen oder voneinander separiert in ohnehin kaum find- und bezahlbaren Einzelwohnungen lebend nach und nach verblassen lassen. Damit wird nicht nur unsere Idee und unsere persönlicher Wunsch eines gemeinschaftlichen, nachhaltigen, diversen und demokratischen Lebensortes in die Welt der Träume befördert, sondern auch mal wieder die Chance verpasst, Potsdam als eine wirklich vielfältige, soziale und zukunftsfähige Stadt für alle zu gestalten.

Gezeichnet:
Wohnungsgenossenschaft Sanssouci Süd i.G. & Projektgruppe Das Blaue L
Für Rückfragen stehen wir per Email an l54@lists.riseup.net zur Verfügung.

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