Offener Brief der BI „Rettet die Nedlitzinsel“

In Potsdam tun sich immer mehr Menschen zusammen, um sich gegen eine investorenorientierte Stadtpolitik zu protestieren und solche Bauprojekte zu verhindern.
Hier dokumentieren wir den offenen Brief der Bürger*inneninitiative „Rettet die Nedlitzinsel“ an die Abgeordneten Heuer (SPD) und Niekisch (CDU). HIer will ausgerechnet ein Unternehmen bauen – was der Deutschen Wohnen zugerechnet wird.
Und wieder einmal dient ein sogenannten „Werkstattverfahren“ als Mittel, Beteiligung vorzutäuschen, obwohl alles bereits ohne Öffentlichkeit vorentschieden ist und es dort nur noch um kosmetische Reperaturen geht.

https://www.inselnedlitz.de/

Hier ist der offene Brief:

Offener Brief an die Stadtverordneten Heuer und Dr. Niekisch

Sehr geehrter Herr Heuer, sehr geehrter Herr Dr. Niekisch,

ich wende mich an Sie, da von ihrer Seite Bereitschaft bestand, die aktuelle Verwaltungsplanung für den Bebauungsplan „westliche Nedlitzinsel“ kritisch zu hinterfragen und ehrlich und ergebnisoffen zu diskutieren. Gern nehme ich ihr Angebot an, die Ansichten des Ortsteils und der Bürgerinitiative „Rettet die Nedlitzinsel“ in die Diskussion um die aktuelle Verwaltungsplanung einzubringen. Sie hatten in der Videokonferenz Anfang Dezember die Einladung ausgesprochen, das Verfahren zu begleiten. Dabei hatten Sie in Aussicht gestellt, dass diese Beteiligung im Rahmen der Gremien erfolgen kann, die maßgeblich für die weitere Gestaltung des Prozesses verantwortlich sind.  

Die jüngste Planung der Stadtverwaltung macht sprachlos. Geradezu kafkaesk sind erste Stellungnahmen der politischen Fraktionen. Hier liegt in der Position maßgeblicher Entscheidungsträger ein Wortbruch vor, der für mich ohne Vorbild ist. Seit 1996 gibt es eine klare Planungslinie für das Gelände der westlichen Insel, die in zwei Beschlüssen der SVV konkretisiert wurde. All dies erfolgte im Konsens mit dem Ortsteil. Der Beschluss vom Mai 2019, diese Planung fortzuführen und in Bezug auf die Baumassen weiter einzuschränken, erfolgte unmittelbar vor der Kommunalwahl nach einem Dringlichkeitsantrag, der von SPD, Grünen, CDU und Bürgerbündnis/FDP eingebracht wurde.

Dies erfolgte offenbar um die Bedeutung der Sache für alle Beteiligten zu unterstreichen und dem Wähler das klare Signal zu geben,

ja, wir stehen zu unseren Grundsätzen des Natur- und Landschaftsschutzes,

ja, wir denken maßvoll und haben grundlegende Belange der Bevölkerung wie Verkehr, Infrastruktur, Lebensqualität oder die Erhaltung des Ortsbildes im Blick,

ja, wir berücksichtigen eben auch die Bedürfnisse und Wünsche der kleineren Ortsteile und

vor allem: wir gewähren Vertrauensschutz in das, was für alle Ortsansässigen Planungsgrundlage ist.

Maßgebliche Politiker der verantwortlichen Parteien hatten im Vorhinein ihr Wort gegeben, ohne Einschränkung die damaligen Beschlüsse umzusetzen. Ich darf an dieser Stelle den vielstrapazierten Begriff „Ehrenwort“ bemühen.

Die aktuelle Planung scheint sich über die damals Beteiligten lustig zu machen. Zum wiederholten Male handelt die Verwaltung – unter maßgeblicher Beteiligung von Herrn Rubelt – als wenn politische Entscheidungen und Bürgerwille gar nicht vorhanden wären. Man gibt sich nicht einmal mehr dem Versuch hin, so etwas wie ein Feigenblatt zu finden, das die diametrale Abweichung der Planung von der politischen Entscheidung cachiert. Maßvolle Vorgaben werden durch Architektur von Trabantenstädten der 60er ersetzt. Dabei wird gelogen, dass die Havel vor Scham errötet. Hierzu eine nicht abschließende Auswahl der größten Dreistigkeiten, die u.a. im Werkstattverfahren verbreitet wurden:

1. Der Investor habe bereits heute ein umfangreiches Baurecht.  –  Dies ist baurechtlicher Unsinn und trotz diesbezüglicher Hinweise falsch in die Diskussion eingebracht worden.

2. Der Investor genieße Vertrauensschutz.  –  Tatsächlich hat der Investor Quarterback spekulativ Gelände ohne Baurecht erworben, das die Gesellschaft entwickeln möchte. Die Planungshoheit der Stadt darf durch solche privaten Investitionen aber grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Man könnte ebenso gut ein Naturschutzgebiet ohne Ausgleichszahlungen an den Investor beschließen.

3. Nachteilige Auswirkungen auf die wertvollen umliegenden Naturräume seien nicht zu erwarten. –  Bei 500 neuen Bewohnern am Rande eines Europäischen Vogelschutzgebietes mit Populationen von See- und Fischadlern steigt der Zivilisationsdruck mit jedem Hochbau exponentiell.

4. Die Deutsche Wohnen habe nur eine untergeordnete Beteiligung an der Investorin Quarterback. – Tatsächlich kontrolliert die Deutsche Wohnen das Unternehmen

über direkte und indirekte Beteiligungen. 

5. Bauen im Wasserschutzgebiet mit Tiefgaragen und Großbauten für 200 Familien sei erlaubt. – Tatsächlich begrenzt die diesbezügliche Satzung das Baurecht auf 

die bereits beschriebene maßvolle Planung.

6. Es gebe neue Erkenntnisse. – Wie bitte? Vielleicht, dass der Investor heute Deutsche Wohnen und nicht mehr Robex heißt?

und 

7. Es gebe überhaupt keinen Bezug zum Großprojekt Krampnitz. –

Dass eben hier die Manager der städtischen

Projektgesellschaften die größten Profiteure sind, wird unter den Tisch gekehrt. Warum musste der Vorbesitzer, die Robex GmbH, um jedes kleine Zugeständnis bei der Bebauung kämpfen? Und jetzt wird ausgerechnet der Deutsche Wohnen AG in kürzester Zeit der rote Teppich ausgerollt, um an einer der landschaftlich sensibelsten Stellen der Stadt, deren potentieller Erholungswert für die gesamte

Potsdamer  Bevölkerung außer Frage steht, Betonwüsten zu errichten. Und dies geschieht zugunsten eben der Baugesellschaft, die drei Kilometer weiter in Berlin enteignet werden soll, weil ihre Geschäftspolitik im Mietmarkt als unsozial und missbräuchlich empfunden wird. Teilweise sind sogar dieselben Parteien für diese widersprüchliche Wertung verantwortlich.

Aber damit nicht genug: Die Bauverwaltung kämpft seit mehreren Jahren, um jeden Meter Uferweg in Potsdam. Hier in Neu Fahrland besteht nun die Möglichkeit, einen Uferweg großzügig und unter Schutz des  ökologisch wertvollen Uferbiotops anzulegen. Aber ausgerechnet bei diesem Projekt wird eben ein solcher öffentlicher Raum mit aller Macht verhindert. Offenbar möchte man dem Investor keinen Quadratmeter Baufläche nehmen. Ausgerechnet hier in der Pufferzone des Welterbes und am Rande der wichtigsten Naturräume im Großraum Berlin soll also maximaler Profit gemacht werden. Klar, hier ist es schön. Das kann man gut verscherbeln!

Dabei werden die Verträge mit der Deutsche Wohnen natürlich wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Warum liegen diese Verträge nicht seit langem auf dem Tisch? Was wird versteckt? Auch die Deutsche Wohnen hätte doch ein Interesse hier die Karten auf den Tisch zu legen, um jeden Verdacht unlauteren Vorgehens aus dem Weg zu räumen. Oder gibt es doch sachwidrige private Interessen?

In diesem Schreiben soll nur die moralische Komponente des Vorgehens beleuchtet werden. Die materiell-rechtliche Unzulässigkeit des Projektes steht außer Frage. Die diesbezüglichen Argumente liegen seit langem auf dem Tisch und galten auch schon für die weniger brutalistischen Entwürfe aus 2019. In der Rechtsgüterabwägung aus Umweltschutz, Verkehr, Denkmalschutz und Landschaftspflege, Vertrauensschutz, Wasserschutz und Nachbarschutz gibt es keinen politischen Entscheidungsspielraum mehr, die Pläne der Verwaltung durchzuwinken.

Bedenklich ist in diesem Zusammenhang, dass die Verwaltung selbst ein fragwürdiges Gremium zusammengestellt hat, das maßgeblich zur Entscheidungsfindung beigetragen hat. An einem sogenannten Werkstattverfahren haben mehrheitlich private Interessenvertreter sowie Vertreter der Verwaltung teilgenommen. Diese Zusammensetzung wurde nicht von einem demokratischen Gremium bestimmt. Nur eine einzige Vertreterin des Ortsteils war eingeladen. Sonstige Vertreter der Anlieger oder gar die unbequeme Bürgerinitiative wurden ausgeschlossen, obwohl sie der Verwaltung seit langem als kritische Begleiter des Projektes bekannt sind.

Mit Blick auf die Entscheidungen der politischen Gremien bitte ich außerdem zu berücksichtigen, dass eine Bindung aus dem Eingliederungsvertrag des Ortsteils Neu Fahrland besteht, Bebauungspläne nicht gegen den Willen des Ortsteils zu beschließen. Die Regelung ist im Wortlaut eindeutig. Trotzdem bemüht sich die Stadtverwaltung, diesen Vertrag auszuhebeln. Es ist offenbar gerade opportun,

ein Großprojekt, das nur der Investor will, durchzudrücken. Aber eben durch die Gewährung von Mitspracherechten wurde 2003 die Zustimmung

des Ortsteils zur Eingliederung erschlichen. Man verließ sich in den Ortsteilen auf das, was im Eingliederungsvertrag steht. Durch den 

Mechanismus eines Vetorechtes sollen ja gerade die Interessen der Ortsteile gewahrt werden. Heute behauptet die LHP, diese Regelung bilde einen Verfassungsverstoß. Das Recht des Schwächeren wird mal wieder nur dann gewährt, wenn es gerade passt. Es wäre doch mal ein schönes Signal, zumindest die moralische Bindung der Regelung aufzunehmen und den Argumenten des Ortsteils zu folgen, ohne sich auf formaljuristische Argumente zu berufen. 

Ich hoffe, sehr geehrter Herr Dr. Niekisch und sehr geehrter Herr Heuer, dass Sie ihre Verantwortung erkennen, hier dem Druck der Verwaltung standzuhalten. Verhindern Sie die Umsetzung der Verwaltungsentwürfe mit aller Macht. Notfalls ist hier der Rechtsweg zu nehmen.

Möglicherweise liegt hier eine Absprache vor, die irgendwelche Nachteile des Investors in Krampnitz kompensieren soll. Ein solches Kopplungsgeschäft wäre rechtswidrig, und niemand soll sagen können, er habe nichts geahnt.

Ich bitte um zeitnahe Rückmeldung.

Mit freundlichen Grüßen

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