Bund der Verantwortungslosen

Die EKBO kaschiert strukturelles Defizit der Stiftung Garnisonkirche mit Millionenbetrag und das Kuratorium regiert erstmals halbwegs sachgerecht. Bisher glänzten beide Institutionen mit Verantwortungslosigkeit und Doppelmoral, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen.

Am 17. Februar 2022 äußert die EKBO (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz) noch auf Anfrage, dass der Betrieb des Turms nicht defizitär sei:  „Die Landeskirche hat eine Wirtschaftlichkeitsberechnung für die Zeit nach Fertigstellung des Turms erhalten. Die Annahmen wurden insbesondere im Blick auf die Einnahmen unter Berücksichtigung von Vergleichszahlen ähnlicher Baudenkmäler als realistisch angesehen; die kritischere Einschätzung des Bundesrechnungshofs wird nicht geteilt. […] Eine Überschuldung der Stiftung ist in keiner Weise gegeben.“

Nur einen Tag später (wie heute, am 17.03. überraschend bekannt wurde), hat Kirchenleitung der EKBO am 18. Februar 2022 beschlossen, den laufenden Betrieb der Stiftung Garnisonkirche im Jahr 2022 mit 490.000 Euro zu unterstützen. Für 2023 wurde zudem derselbe Betrag in Aussicht  gestellt.  Damit bestätigt die EKBO die Berechnungen der Kritiker:innen, denn diese hatten ein jährliches Defizit von 515.000 € berechnet (siehe: Betriebskostenvergleich_SGP_Grafik-1.pdf (potsdam-stadtfueralle.de)

Gerd Bauz und Philipp Oswalt vom Lernort Garnisonkirche schlussfolgern in einer PM: „Offenkundig will die Kirchenleitung der EKBO mit der Zahlung eines Millionenbetrags ihr eigenes Gesicht retten und ihr Versagen als Stiftungsaufsicht kaschieren. Dafür nimmt man in Kauf, gegenüber den Mitgliedern des Synode im Jahr 2016 gemachte Versprechen zu brechen und sie damals angelogen zu haben. Wie brenzlig und dramatisch die Situation für EKBO und Stiftung Garnisonkirche ist, zeigt sich daran, wie in einem Eilverfahren ohne demokratische Legitimation durch die Synode diese erheblichen Geldsummen bereitgestellt werden. Sachlich kann diese Mittelverwendung kaum gerechtfertigt werden, kommen doch zu den regulären Gottesdiensten der Nagelkreuzkapelle kaum mehr als ein Dutzend Gläubige. Das Geld fließt im Wesentlichen, um mit dem Kirchturm den originalgetreuen Wiederaufbau eines nationalprotestantischen Symbols abzusichern, dessen Ansicht auch heute noch in rechtsradikalen Kreisen als Bildmotiv genutzt wird. Abgesehen von dieser Symbolik ist der übrige Nutzwert im Vergleich zu dem Kostenaufwand geringfügig. Dieser Geldsegen für die ansonsten insolvente Stiftung steht im Widerspruch zum Beschluss der Synode von April 2016. Die Zustimmung für einen Kredit der EKBO von 3,25 Mio. € war verbunden mit der Zusicherung, dass nicht nur die Finanzierung des Betrieb über die Einnahmen gesichert ist, sondern sogar einen Gewinn abwerfe, mit dem die Kredite zeitnah zurückgezahlt werden können.“

Jetzt zahlt die EKBO eine halbe Million pro Jahr an die Stiftung und sichert somit den Stiftungsbetrieb ab. Die Rückzahlung des Darlehns kann sie abschreiben, denn das Defizit wird mit Turmbetrieb noch anwachsen. Völlig absurd, denn allen Kritiker:innen war dies schon 2016 Jahren klar!

Doch auch das Kuratorium der Stiftung hat sich bisher nicht zur Aufklärung der Sachlage oder mit einer Einschätzung der Eigenverantwortung hervorgetan. Auf der Sitzung am 16.03.22 wurde beschlossen, die dauerhafte Leistungsfähigkeit der Stiftung, insbesondere mit Blick auf den künftigen Betrieb des Turms, unabhängig prüfen zu lassen. Demnach kommt die Stiftung einer Forderungen der Projektgegner:innen nach, die einen eigenen Recherchebericht vorgelegt haben und das Defizit aufgedeckt haben (siehe http://lernort-garnisonkirche.de/?p=1811,). Nun eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einzuschalten, kann auch als Versuch gewertet werden, dass eigene Kontrollversagen zu überdecken.

Denn anlässlich des Bekanntwerdens der Finanzlücken für Turmbau und Turmbetrieb, dem Bericht des Bundesrechnungshofes und der allseitigen Kritik am Stiftungsvorstand schrieb die Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche die Kuratoriumsmitglieder direkt an, bat um Auskunft und erhielt nur Ausreden:

Wir dokumentieren:

Sehr geehrte/r XXX,

ich schreibe Ihnen heute in Ihrer Funktion als Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Garnisonkirche, welches laut Satzung die Kontrolle über die Stiftungsfinanzen ausübt (§8, Abs. 1).

Der jüngst veröffentlichte Bericht des Bundesrechnungshofs hat viele Fragen zu den Stiftungsfinanzen aufgeworfen und beschäftigt offensichtlich auch das Kuratorium als Aufsichtsrat. In dem Bericht wurde nicht nur die Frage der Rechtmäßigkeit der öffentlichen Förderung thematisiert, sondern auch auf ein weiteres Finanzproblem hingewiesen, nämlich das des zukünftigen Turmbetriebs.

Laut unseren Recherchen (siehe http://lernort-garnisonkirche.de/?p=1811, die Dokumentation auch anbei) ist die Stiftung für den zukünftigen Gebäudebetrieb erhebliche Verpflichtungen eingegangen, denen keine ausreichenden Einnahmen gegenüberstehen. Jährlich entsteht daraus ein Defizit von etwa einer halben Million Euro oder mehr. Auch Kuratoriumsvorsitzender Wolfang Huber sprach neulich erstmals von einem Fehlbedarf bezüglich der laufenden Arbeit.

Gerne würden wir von Ihnen wissen, ob sich das Kuratorium diesem Thema gewidmet hat und was ggf. Ergebnis dieser Prüfung war. Steht eine Insolvenz bevor oder wie ließe sich diese abwenden?

Mit freundlichen Grüßen,

Sara Krieg

Hier fünf Antworten und Ausflüchte der einzelnen Kuratoriumsmitglieder*:

Dr. Bernhard Felmberg „Sehr geehrte Frau Krieg,

Herr Felmberg hat mich gebeten, Ihnen für Ihr Schreiben zu danken und Ihnen den Rat zu geben, sich mit Ihrer Frage zur Tätigkeit des Kuratoriums an die Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Frau Zach zu wenden: presse@garnisonkirche-potsdam.de, Tel.: 0331 50xxx68.

Mit freundlichen Grüßen

i. A. W.L.“

(Dr. Felmberg ist evangelischer Militärbischof)

Dr. Sven Lange „Sehr verehrte Frau Krieg,

ich bedanke mich für Ihre Nachricht und Ihre darin vorgebrachten Fragen. Dem Kuratorium gehöre ich erst seit Sommer 2021 an. Zur Beantwortung Ihrer Fragen hinsichtlich der Arbeit des Kuratoriums wenden Sie sich daher bitte an den Kuratoriumsvorsitzenden, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Huber.

Mit freundlichem Gruß

Dr. Sven Lange

Oberst und Kommandeur Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr“

Superintendentin Zädow „Sehr geehrte Frau Krieg,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Anfrage, die zuständigkeitshalber an den Vorsitzenden des Kuratoriums und den Vorstand der Stiftung Garnisonkirche weitergeleitet wurde.

Mit freundlichen Grüßen

i. A. R.W.

Kirchenkreis Potsdam- Superintendentur“

Minister Stübgen: „Sehr geehrte Frau Krieg,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Das Kuratorium der Stiftung Garnisonkirche steht in einem engen Austausch mit dem Vorstand der Stiftung bezüglich der Stiftungsfinanzen. Die Tätigkeiten des Kuratoriums werden von dessen Vorsitzendem Prof. Dr. Huber koordiniert. Daher möchte ich Sie bitten, Ihre das Kuratorium betreffenden Fragen an den Vorsitzenden des Kuratoriums zu richten.

Mit freundlichen Grüßen

P.S. “ (Persönlicher Referent des Ministers)

Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg

Martin Dutzmann: „Sehr geehrte Frau Krieg,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich darf Ihnen versichern, dass das Kuratorium der Stiftung Garnisonkirche seine Aufsichtspflicht über den Vorstand satzungsgemäß wahrnimmt. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich Ihnen keine Einzelheiten aus den Sitzungen des Kuratoriums mitteilen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Prälat Dr. Martin Dutzmann

Bevollmächtigter des Rates der EKD“

FAZIT:

Kein Kuratoriumsmitglied sieht sich in der Lage auf die einfachen Fragen, ob sich das Kuratorium mit den Fragen der Betriebskosten des Turmes oder dem Bericht des BRH beschäftigt hat, zu antworten. Alle schieben die Verantwortung von sich weg. Niemand will den ersten Stein werfen, weil alle im Glashaus sitzen. Sie sind – nach Stand der Erkenntnisse – vom Vorstand der Stiftung bisher nur an der Nase herumgeführt worden. Sich dies einzugestehen, fällt solch namhaften Persönlichkeiten schwer. Zeitgleich wird ihnen klar (gemacht), dass sie Mitverantwortung tragen für das entstandene Dilemma. Im schlimmsten Falle machen sie sich der Insolvenzverschleppung schuldig. Vom Prestige ist nichts mehr übrig. Ein Selbstläufer war das Wiederaufbauprojekt nie. Es lebte bisher nur von der Connection innerhalb der Politik und der Kirche. Die EKBO versucht mit Geld den Schaden zu begrenzen. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass auch die Stadt als Stifterin finanziell mit ins Boot geholt und zur Verantwortung gezogen wird.

Wir alle kennen die drei Affen, die nichts sagen, die nichts hören und die nichts sehen wollen. Es scheint wie bei den Verantwortlichen des GK-Projektes, wenn es um die Probleme beim Aufbau der Garnisonkirchenkopie geht. Zumindest bis zum letzten Tag verharren sie so, bevor sie dann doch wie Getriebene reagieren. Die drei Affen stehen auch für das Gegenteil von Transparenz, Offenheit und Vertrauen.

von Carsten Linke

*Weitere Kuratoriumsmitglieder sind laut Webseite der Stiftung (Stand 16.03.22):

Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Huber, Kuratoriumsvorsitzender, Ratsvorsitzender der EKD und Bischof der EKBO a.D.

Renke Brahms, Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche und Friedensbeauftragter der EKD

Prof. Dr. Matthias Dombert, Vorsitzender der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche e.V.

Dr. Dr. h. c. Manfred Gentz, ehem. Vorstandsmitglied der Daimler AG

Harald Geywitz, Präses der Landessynode der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische-Oberlausitz (EKBO)

Prof. Dr. Jan Bernd Nordemann, Stellv. Vorsitzender des Hauptausschusses des Evangelisch-Kirchlichen Hilfsvereins; Rechtsanwalt, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Matthias Platzeck, Ministerpräsident des Landes Brandenburg a.D.

Mike Schubert, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam

Hiltrud Dorothea Werner, ehem.Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG, Geschäftsbereich ‚Integrität und Recht‘

Maren Otto, Ehrenkuratorin


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