Wahl-Potsdamer*in will Wahl gewinnen

unsere Wahlbenachrichtigung Nr. 1 – Der Überblick

Heute in fünf Monaten ist Wahltag: Bundestagswahl. Gleich zwei Wahlpotsdamer*innen wollen sich ins Kanzler*innenamt wählen lassen: Frau Baerbock und Herr Scholz. Die Tageszeitungen meinen schon, dass der Potsdamer Wahlkreis zu einem Hotspot wird. Mit Nichten. Für die Entscheidung ums Kanzler*innenamt spielt die „Promidichte“ hier keine Rolle. Jede Stichelei von Söder gegen Laschet hat mehr Relevanz, als der Gewinn des Direktmandates im Wahlkreis 61.

Wir wollen helfen, die Sachlage klarzustellen.

Potsdam ist aus einem anderen Grund interessant. Eine lokale Tageszeitung meinte kürzlich, Potsdam sei die (ver)westlichste Stadt im Osten. Auch politisch. Annalena Baerbock ist eine westsozialisierte Wahlpotsdamerin, ebenso wie ihr Mitbewerber Olaf Scholz. Zwei von drei Kanzlerkandiat*innen, die sich irgendwie Hoffnung machen, kandidieren in Potsdam. Die Grünen  befinden sich seit längerem in einem Umfragehoch und hoffen deshalb, die Union bei der Bundestagswahl als stärkste Kraft ablösen zu können. Einen wirklichen Neuanfang gibt es aber nur im Dreierbündnis: Grüne mit SPD und FDP oder Grün-Rot-Rot. Letzteres wäre dann auch der versprochene Politikwechsel. Allerdings bringen sich konservative Atlantik-Brücke-Lobbisten wie Cem Özdemir bereits dagegen in Stellung.

Ansonsten bleibt Frau Baerbock noch die Vizekanzlerschaft. Schwarz-grün sieht als Farbenmix nicht nur eklig aus. In anderen Staaten würde dies als Mitte-Rechts-Bündnis bezeichnet werden. Auch der Namenmix der neuen GroKo würde Kopfzerbrechen bereiten: CDU/CSU/Bündnis90/Die Grünen. Von Neuanfang keine Spur. Herr Laschet kann nur Kanzler werden, wenn die Union ihre Grabenkämpfe UND die Bündnisgrünen noch mehr ihrer Prinzipien und Ziele aufgeben. Die Zeit titelte am vergangenen Montag „Bündnis 90/Die Grünen: Die bessere CDU.“

Dass sich im Wahlkreis 61 einige Politik-Promis tummeln ist interessant, aber für die Kanzler*innenfrage unrelevant. Der WK 61 umfasst neben der Stadt Potsdam die zum Landkreis Potsdam-Mittelmark gehörigen Gemeinden Kleinmachnow, Michendorf, Nuthetal, Schwielowsee, Stahnsdorf, Teltow und Werder. Außerdem gehört die Stadt Ludwigsfelde aus dem Landkreis Teltow-Fläming zum Wahlkreis.

Unser Wahlsystem kennt Direktmandat (Erststimme) und Listenwahl (Zweitstimme). Die Zweitstimme entscheidet die Kanzler*innenfrage. Die Erststimme ist für die Solokandidat*innen und die Vertreter*innen der kleinen Parteien relevant. Nicht aber für CDU, SPD, Grüne und FDP. Denn wer auf der Landesliste einen Platz weit oben inne hat, ist NICHT drauf angewiesen, über die Erststimme gewählt zu werden. Das Direktmandat zu gewinnen, wird in der Regel als politische Stärke der Kandidat*innen ausgelegt, befriedigt allerdings nur deren Ego. Auf die Sitzverteilung im Bundestag hat es geringen Einfluss. Auf die Kanzler*innenschaft gar keine.

Mehr zu den Direktkandidatinnen und ihren Chancen in einem späteren Beitrag, wenn alle Landeslisten feststehen.

Natürlich ist es möglich, dass die nächste Kanzlerin UND der Vizekanzler aus Potsdam kommen. Dazu muss vor allem Herr Söder (gefühlt täglich) vors Mikro oder an die Presse herantreten und weiter gegen den laschen Armin oder den armen Laschet – je nach Sichtweise – geifern. Zeitgleich müssen Frau Baerbock nichts sagen und Herr Scholz seine Politikerfahrung herausstellen. Frau Baerbock beherrscht laut SZ „…auch die Kunst des Weglächelns“. Ob Scholz mit seinen Erinnerungslücken bezüglich Cum-Ex und wirecard, wirklich beim Wahlvolk mit Kompetenz glänzen kann, ist zu bezweifeln. Im Moment positionieren sich alle drei Kandidat*innen mit ihren persönlichen Fähigkeiten. Vielleicht kommen wir in den nächsten Monaten auch mal zu Inhalten. Wir empfehlen Wohnungspolitik, Klimaschutz, Bürger*innenbeteiligung, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit… um nur ein paar Anhaltspunkte zu nennen.

Unsere Kommentare zu den Wahlprogrammen kommen auch noch in einem späteren Beitrag.

Doch an dieser Stelle noch ein paar Anmerkungen zur fernen CSU, die eigentlich CSU in Bayern e.V. heißt.

Die CSU ist ein in Bayern eingetragener Verein und dessen Personal macht genau diesen Stammtisch-Eindruck. Ist das noch Schützenverein oder schon CSU? Der CSU e.V. hat bei der letzten Bundestagswahl lediglich 6,2 Prozent der Stimmen erlangt.*1 2013 waren es noch 7,4 %. Durch das anhaltende Umfragetief der Union wird die 5-%-Marke für den CSU e.V. langsam relevant. Nur durch die Zählgemeinschaft mit der CDU käme der CSU e.V. dann dennoch in den Bundestag. Auch so können die Interessen regionaler Klein- und Trachtengruppen gewahrt werden. Mit Markus Söder als Vorsitzender der Volkstanzgruppe. Mit seiner Kandidatur kam dem regionalen CSU e.V. kurz bundesweite Bedeutung zu. Und vor allem die Ost-CDU-Landesverbände tragen den Verein über den Weißwurstäquator.

1980 trat Franz Josef Strauß und 2002 Edmund Stoiber als Unions-Kanzlerkandidat an. Benannt wurden beide jeweils in einer Schwächephase der CDU. Durch die Wahlniederlagen der CSU-Kandidaten festigten allerdings hinterher Helmut Kohl und Angela Merkel ihre Macht. Somit kann Herr Laschet doch noch hoffen. Hinterher, wenn die Union weiterhin mit Uneinigkeit glänzt und Frau Baerbock Kanzlerin wird, kann er sich in seiner Position als Parteichef oder Chef der größten Oppositionsfraktion profilieren.

Hoffen können wir alle auch darauf, dass es nach der Söder-Niederlage, es noch einmal zu einem Spaltungsversuch der Union kommt. Dann würde der CSU e.V. vielleicht auch nicht mehr im Bundestag nerven. Schon einmal standen CSU und CDU vor der Spaltung. Im Winter 1976 fasste die CSU den sogenannten „Trennungsbeschluss“, mit dem der CSU-Verein die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufkündigte. Umgesetzt wurde das dann aber doch nicht (Selbsterhaltungstrieb). Diesmal könnte die Initiative von der CDU ausgehen, als Selbstschutz.

Aktuell stellt der Verein – wir lieben diese Formulierung – drei Bundesminister. Horst Seehofer,  

Andreas Scheuer und Gerd Müller. Letzteres ist nicht der ehemalige Bayernspieler, sondern die einzig ernst zu nehmende Persönlichkeit dieser Troika. „Mit seiner Kompetenz habe Entwicklungsminister Müller dem Ansehen der CSU geschadet“, so der Postillon. „Denn im Gegenzug zu den anderen beiden CSU-Ministern Horst Seehofer und Andreas Scheuer habe Müller keine hunderte Millionen Euro in gescheiterte Projekte versenkt, wirr herumgepoltert oder sich Gesetzestexte von Lobbyisten diktieren lassen – dies passe einfach nicht zum Ruf der Partei.“ Seehofer, Scheuer, Dobrindt: Das ist einerseits die namentliche Garantie für Politiksatire, aber andererseits auch für Verschwendung öffentlicher Gelder zu Lasten des Gemeinwohls. Es wird Zeit, dass diesem Verein die Gemeinnützigkeit aberkannt wird. Lieber Herr Bundesfinanzminister Olaf Scholz, handeln sie bitte, solange sie noch ein Amt haben!

*1 https://www.bundeswahlleiter.de/info/presse/mitteilungen/bundestagswahl-2017/34_17_endgueltiges_ergebnis.html

Traditionell sind die meisten Parteien in der Rechtsform des nichtrechtsfähigen Vereins (§ 54 BGB) organisiert, so zum Beispiel die SPD, die CDU, Bündnis 90/Die Grünen. Die CSU und die FDP dagegen sind eingetragene Vereine (§ 21 BGB). Irgendwie passt das.

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