Auslaufmodelle

Die Bundesnotbremse läuft heute am 30. Juni 2021 aus. Schon gestern wurde der deutsche Fußball bei der EM ein Auslaufmodell. Ebenso wie Jogi Löw. Selbst der Bundeswehreinsatz in Afghanistan hat nach fast 20 Jahren nun ein Ende gefunden. Auch das Ende der Kanzlerinnenschaft von Frau Merkel rückt in greifbare Nähe. Nur der Streit um die Garnisonkirche und das Areal darum, findet kein Ende. Kann er auch nicht.

Erst kürzlich, am Vorabend des Jahrestages des Zusammenfalls des Turms der ehemaligen Hof- und Garnisonkirche (19.06.1968), machte das Kuratorium der Stiftung GK von sich reden. Die Terminwahl passt zum Opferkult der Stiftung, den sie selbst zelebriert. Sie äußerte sich zum Design-Thinking-Prozess den OBM Schubert (selbst funktionales Mitglied dieses Kuratoriums) organisiert hat. Die Stiftung überraschte erneut mit Selbstverständlichkeiten und Belanglosigkeiten.

In der PM der Stiftung GK vom 18.06. ist dies hochtrabend ausgeschmückt mit „Das Kuratorium hat seine Auffassung in den folgenden Leitlinien zusammengefasst und diese einstimmig als Position der Stiftung für die Gespräche mit den Nutzenden des Rechenzentrums und den Verantwortlichen der Stadtverwaltung im Design Thinking-Prozess beschlossen:

• Für die Stiftung ist der Bau des Turms zentrales Ziel.

• Trotz dadurch begrenzter Ressourcen will die Stiftung den Design Thinking-Prozess aktiv nutzen und das Gespräch mit den anderen Beteiligten fördern.

• Für Planungen zur Fläche Kirchenschiff ist eine überzeugende Nutzungsidee zwingende Voraussetzung.

• Die vertraglich bis Ende 2023 vereinbarte Duldung und befristete Nutzung des Rechenzentrums sind zu beachten. Der Rückbau des Teils des Rechenzentrums, der auf dem Grundstück der Stiftung steht, hat danach zu erfolgen.

• Das Mosaik von Fritz Eisel am Rechenzentrum ist als geschütztes Denkmal und wichtiges Zeitzeugnis am Standort Plantage zu erhalten.“

  • Der erste Punkt ist ganz was Neues! Wer hätte das gedacht? Der Turm ist das zentrale Ziel. Allerdings geht Anstrich drei weit darüber hinaus. Die Ziele ändern sich mit der Zeit scheinbar. Vor Jahren war noch der Baustart ein zentrales Ziel.
  • Die Stiftung hat begrenzte Ressourcen. Ein Witz, wenn klar wird, dass lediglich die Stiftung massenhaft Personal vorhält und alle anderen am Prozess Beteiligten (mit einer Ausnahme) dies ehrenamtlich machen.
  • Den dritten Anstrich sollte sich die Stiftung selbst ins Stammbuch schreiben, denn der Bau eines Kirchenschiffes ist keine „überzeugende Nutzungsidee“.
  • Der Inhalt des vierten Anstriches ist als Forderung auch nicht neu. Er wiederholt lediglich die Beschlusslage der Stadt. Vergessen wir allerdings jedes Mal, dass der Abriss des RZ erst dann auf Kosten des Entwicklungsträgers eingefordert werden kann, wenn ein Bauabschnitt unmittelbar bevorsteht (siehe § 5 des notariellen Vertrages zur Grundstücksübertragung von der Stadt an die Stiftung). Davon sind wir derzeit weit entfernt.
  • Der fünfte Anstrich ist eine Selbstverständlichkeit. Es ist ein Denkmal und wer ständig auf Recht pocht, für den oder die Stiftung sollte es selbstverständlich sein, dies in situ – als am Ort – zu erhalten. Denn anders als die Kopie der Garnisonkirchenturms ist das Mosaik ein Denkmal! Und dies sollte im Kontext mit dem Bau, für den es gefertigt wurde, erhalten bleiben.

Zudem stellt sich die Frage, warum sich die Stiftung, das Kuratorium und auch der OBM Schubert sich derart äußern? Das Mosaik steht weder auf dem Grund der Stiftung, noch muss es anderweitig an der Plantage erhalten werden, wenn das RZ auf den Teil, der auf der städtischen Fläche steht, rückgebaut wird. Was ist also die Botschaft der Stiftung und ihres „Verteidigers“ Schubert? Mit einem offenen Diskurs um die Plantage hat dies nichts zu tun. Schubert ermahnt die KritikerInnen per Brief oder direkter Ansprache zum mehr Konsens statt Dissens. Doch wie soll eine derartige PM denn verstanden werden, wenn nicht als ewig gestrig und wenig versöhnlich? Es wurden mit dem Kuratoriumsbeschluss lediglich Selbstverständlichkeiten, Plattheiten und das Pochen auf der Beschlusslage kundgetan. Offenheit, Versöhnung und Gestaltungswillen liest sich anders.

Der Design-Thinking-Prozess löst doch nicht das Grundsatzproblem hinsichtlich des grundsätzlichen Wertekonfliktes an diesem Ort und in dieser Stadt. Wie stellen wir uns zu unserer Geschichte? Wem gehört die Stadt und wie sieht eine „Stadt für alle“ aus?Selbst wenn es gelingt, dort an der Plantage einen Ort der Kommunikation und Diskussion zu errichten, ergeben sich viele, viele neue Fragen:

  • Wem gehört der Ort; das Grundstück, das entstehende Gebäude oder die Infrastruktur?
  • Wer betreibt ihn? Welche Rolle soll dabei die Stiftung GK spielen, da sie doch Eignerin des Grundstückes ist und sogar ihren Stiftungszweck schon vorsorglich  ausgeweitet hat?
  • Warum einen solchen Ort errichten, wenn es diesen schon nebenan im RZ gibt (Kosmos mit vielen Veranstaltungen; ein Lernort ist auch schon da)?
  • Wieso sollen GegnerInnen des GK-Projektes in ein Kommunikationsort der GK-Stiftung gehen?
  • Wieso sollen konfessionslose Menschen überhaupt in kirchliche Räume (also inhaltlich vorgeprägte Räume) gehen, um bspw. über Demokratie und Selbstbestimmung zu reden? Wäre nicht ein wirklich neutraler Ort besser?
  • Macht der Turm der GK nicht schon jede Offenheit zu Nichte, da damit der Wertekonflikt erst erzeugt und demonstriert wird?

Die Frageliste ist nicht abschließend! Doch bevor überhaupt an einer inhaltlichen oder baulichen Lösung weiter gearbeitet wird, stellen sich ganz andere Fragen: Wann werden die KritikerInnen des GK-Projektes in den Design-Thinking-Prozess einbezogen? Und wie soll sich der grundsätzliche Widerspruch und der Wertekonflikt an diesem Ort aufgelöst werden, wenn zumindest ein Player Sonder- und Vetorechte hat? Wann läuft dieses Modell der ungleichen Bedingungen aus?

Es gibt Lösungsansätze, die keine sind. Sie lenken nur ab von den eigentlichen Konflikten. Das gilt am Hindukusch ebenso wie an der Havel.

von DER LINKE

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