Ein Kommentar auf die Berichterstattung in der PNN vom 4.3.2022:
https://www.pnn.de/potsdam/nach-kritik-von-stadt-fuer-alle-investor-fuer-potsdamer-raw-verurteilt-angriffskrieg-/28129044.html
Sehr geehrter Herr Kramer,
Gut, dass Sie für die PNN in Potsdam zur Diskussion über den Investor auf dem ehemaligen RAW – Gelände berichtet haben.
Schade, dass Sie das in einer Weise getan haben, die weder den Ansprüchen eines kritischen Journalismus gerecht wird, noch der aktuellen Situation in Russland und der Ukraine.
Es ist schon schwer ertragbar, wie Sie einerseits die Recherchen des Netzwerkes „Stadt für alle“ mit Ihrer Wortwahl herabsetzen und gleichzeitig völlig unkritisch den Investor Michael Zeligman zitieren, ohne dessen Aussagen zu hinterfragen.
Das ein Netzwerk ausschließlich ehrenamtlich engagierter Aktivist*innen die Informationen zu den internationalen Investoren hier in Potsdam liefern muss, weil Sie und Ihre Tageszeitung nicht bereit oder in der Lage sind, mit Ihren viel größeren Kapazitäten eigene Hintergrundrecherchen zu leisten ist schon schlimm genug.
Dass Sie dann deren Informationen nicht richtig wiedergeben, sondern von einem „sogenannten Dossier“ und „Behauptungen“ sprechen ist ein starkes Stück.
Deshalb hier noch einmal die wichtigsten Informationen und Quellen für das Unternehmensnetzwerk des M. Zeligman und seiner Concept Oil Services Limited.
Öffentlich zugänglich und seriöse Quellen wie das Magazin Forbes berichten übereinstimmend über das Unternehmen Concept Oil Limited – zum Beispiel hier: https://warsawinstitute.org/largest-russian-oil-buyers/ oder hier: https://moscsp.ru/en/osnovnye-potrebiteli-rossiiskoi-nefti-statistika-potrebleniya.html
Hier wie anderswo heißt es übersetzt: „Aufmerksamkeit erregt auch die hohe Position (13) des Händlers Concept Oil Services, der in Hongkong registriert ist, aber versteckten Eigentümern aus Russland gehört – 5,6 Millionen Tonnen für 2,2 Milliarden USD (53 USD für ein Barrel)“
Oder: „ … vielleicht das mysteriöseste Unternehmen – Concept Oil Services. Es ist nur bekannt, dass es sich in Hongkong befindet, aber die Namen der Eigentümer und sogar des Generaldirektors sind geheim. Laut russischen Medien höchstwahrscheinlich der Eigentümer von Concept Oil Services – Russian, vielleicht einer der Mitarbeiter des Energieministeriums und / oder Transneft.“
Die immer wieder genannten Wohn – und Geschäftsorte von M. Zeligman sind genau die in letzter Zeit endlich auch offen genannten Orte, wo Oligarchen aus dem russischsprachigen Raum gern Geschäfte machen und wohnen. Studiert in London, wo er wie viele reiche Oligarchen bis heute einen Wohn – und auch Geschäftsort hat. Sitz der Concept Oil Services Limited ist in Hongkong – verbinden mit vielen Steuervorteilen, gegründet wurde das Unternehmen aber in Moskau. Hauptwohnsitz von M. Zeligman ist – wie für viele reiche Menschen aus dem russischsprachigen Raum Monaco – selbst da stellen die Behörden gerade fest, dass sie gegen eben dieses Klientel jetzt doch was haben: https://www.stern.de/lifestyle/leute/fuerst-albert-friert-das-geld-reicher-russen-in-monaco-ein-31666034.html
Und auch, dass das Unternehmen, was die Gesellschafteranteile der RAW Potsdam GmbH hält – die Green Palmer Holdings Ldt. in Zypern registriert ist, kann keine Überraschung auslösen: https://www.handelsblatt.com/politik/international/oligarchen-heimat-eu-land-zypern-geraet-durch-die-europaeischen-sanktionen-selbst-in-bedraengnis/28105996.html?ticket=ST-9478658-ioVbxkUUWYzLWHczH4SJ-ap4
Deshalb nein, Herr Kramer, es hilft nicht, dass M. Zeligman in den Wirren der Auflösung der Sowjetunion aus Lettland kommend irgendwann sein Vermögen gemacht hat und deshalb heute noch eine lettische Staatsbürgerschaft hat!
Seine Geschäfte macht er ganz klar mit russischen und kasachischen Erdölprodukten, die er in die ganze Welt – auch nach Japan und die USA verkauft.
Und so ist er Teil des Wirtschaftssystems mit dem Putin heute seinen Angriffskrieg finanziert.
Wenn Herr Zeligman tatsächlich mit „Entsetzen und Trauer“ auf den russischen Angriff regiert gäbe es nur eine humane und klare Reaktion: Sofortige Einstellung aller Geschäfte mit und in Russland!!!
Einen wesentlichen Anteil an unseren Recherchen hatten übrigens auch zivilgesellschaftliche Initiativen aus Moskau und Murmansk, die für uns russische Originalunterlagen suchten und übersetzten. Die stehen für ihr demokratisches Engagement jetzt übrigens im Fokus von Polizei und Geheimdienst in Russland – erst gestern Nacht gab es bei ihnen Razzien und Festnahmen.
Was die seit Jahren gegen die krasse Repression leisten, auch, um Verflechtungen zwischen Oligarchen aus ihrem Land und hiesigen Geschäften aufzudecken – das ist Mut, Herr Kramer, nicht die Schlussfolgerung von M Zeligman „auch weiterhin gesetzeskonform (in Russland!) zu handeln“.
Zuletzt:
Das Netzwerk „Stadt für alle“ ist kein anonymes Netzwerk.
Hier engagieren sich viele Menschen aus Mieter*inneninitiativen wie aus der Teltower Vorstadt, der Nutheschlange oder dem Musikerviertel, hier arbeiten Leute von der BI „Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche“ mit, Freund*innen aus der Wählergemeinschaft „Die aNDERE“, von den Linken, aus Kultureinrichtungen wie dem Freiland und Hausprojekten wie der Tuchmacherstraße.
Die meisten von ihnen kennen Sie natürlich. Also hören Sie auf mit dieser denunziatorischen Sprache!
Und das wir Hintergrundrecherchen, Dokumentationen, Plakate oder Aktionen ohne Namen der Autor*innen und Aktivist*innen veröffentlichen hat ganz viel damit zu tun, dass wir diese schützen müssen, weil wir schon mehr als einmal Anzeigen, Abmahnungen und Vorladungen von der Polizei bekommen haben – weil kritischer Journalismus von unten auch hierzulande nicht gern gesehen wird – vor allen von den Profiteuren einer neoliberalen und renditeorientierten Stadtentwicklung – denen Sie gern ein Podium geben.
Heute aber sage ich Ihnen gern, wer diesen wütenden Kommentar geschrieben hat:
Holger Zschoge