Einheitsfreitag 2025

Am Freitag den 3. Oktober 2025 soll der 35. Jahrestag der „deutschen Einheit“ gefeiert werden, im Saarland, welches 1957 selbst ein neues Bundesland war. In Deutschland gibt es als offizielle Feierlichkeit das sogenannte „Deutschlandfest“ zum Nationalfeiertag. Dieses Jahr wird beim Festakt in Saarbrücken der französische Staatspräsident Emmanuel Macron als Ehrengast erwartet und soll auch eine Rede halten. Zudem werden die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sprechen.
Eigentlich ist der Begriff „Einheit“ schon historisch und rechtlich falsch. Am 3. Oktober 1990 ist die DDR einfach nur dem Geltungsbereich des Grundgesetzes   nach § 23 beigetreten. Nichts davon war ein gleichberechtigter Einigungsprozess. Weder in den Wochen davor, noch in den Jahren danach. Die aktuellen Umfragen sprechen eine klare Sprache. Es gibt kein WIR-Gefühl, aber viele strukturelle und individuelle Benachteiligungen für Ostdeutsche. Es überwiegt das Trennende. [1]

Wie kam es zum 03. Oktober?

Bereits Anfang Juli 1990, unmittelbar nach der Einführung der D-Mark in der DDR hatte die Bundesregierung einen Zeitplan erarbeiten lassen, der für den 14. Oktober Landtagswahlen in der DDR und die gesamtdeutsche Wahl für den 2. Dezember vorsah. Die politischen Gewinne der D-Markt-Einführung sollten schnell abgeschöpft werden. In der Folge kam es, während die Verhandlungen zum „Einigungsvertrag“ liefen, sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik zu politischen Debatten über Wahlrechts- und Datumsfragen. Einigen PolitikerInnen konnte es nicht schnell genug gehen. Der Konsumrausch „der Ossis“ sollte genutzt werden, bevor sie merken, dass durch die Währungsumstellung ihre Betriebe platt gemacht werden müssen und sie ihre Arbeit verlieren. Allerdings scheiterte im Bundestag Anfang August ein Vorziehen des Termins der gesamtdeutschen Wahl auf den 14. Oktober, so dass es hierfür beim 2. Dezember blieb. Die diesbezüglichen Wählerlisten waren gemäß geltendem Wahlrecht spätestens acht Wochen vor der Wahl zu erstellen. Dieser Termin war Sonntag, der 7. Oktober 1990.[2] Folglich mussten alle Wähler spätestens im Verlaufe der 40. Kalenderwoche zu BürgerInnen des wählenden Staates gemacht werden. Der hierfür frühestmögliche Beitrittstermin ergibt sich aus dem Beschluss des Bundeskabinetts: „Der Bundesregierung erscheint jeder Beitrittstermin sinnvoll, der nach dem 2. Oktober liegt.“ [3] Und vor dem 7.Oktober! Sie oben (Achtwochenfrist).

Auch weil dies der Republikgeburtstag war. Eine DDR-Feierlichkeit sollte vermieden werden, den die Wahl zum Bundestag hätte ebenso am 9. Dezember stattfinden können.

Grund für die final von der Volkskammer beschlossene Festlegung auf den 3. Oktober 1990 war auf Wunsch der Bundesregierung, die möglichst rasche Herstellung der Einheit. Der 3. Oktober 1990 war der frühestmögliche Termin, der nach der KSZE-Außenministerkonferenz vom 2. Oktober lag, in der diese Außenminister über das Ergebnis der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen informiert werden sollten.[4] Überlieferungen zur Folge ist es einem CSU-Politiker zu verdanken, dass nicht der 4. oder 5. Oktober gewählt wurde, sondern der 3. Oktober. Dem Todestag von CSU-Urgestein Franz Josef Strauß.

Die formelle Festlegung des Termins erfolgte schließlich in einer am 22. August 1990 von DDR-Ministerpräsident de Maizière (CDU) beantragten Sondersitzung der Volkskammer, die um 21 Uhr begann. Nach hitziger Debatte gab die Präsidentin der Volkskammer, Sabine Bergmann-Pohl (CDU), um 02:30 Uhr am 23. August 1990 als Abstimmungsergebnis bekannt:[5]

„Die Volkskammer erklärt den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes mit der Wirkung vom 3. Oktober 1990. Das liegt Ihnen in der Drucksache Nr. 201 vor. Abgegeben wurden 363 Stimmen. Davon ist keine ungültige Stimme abgegeben worden. Mit Ja haben 294 Abgeordnete gestimmt. Mit Nein haben 62 Abgeordnete gestimmt, und sieben Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist ein wirklich historisches Ereignis. Wir haben uns die Entscheidung alle sicher nicht leichtgemacht, aber wir haben sie heute in Verantwortung vor den Bürgern der DDR in der Folge ihres Wählerwillens getroffen. Ich danke allen, die dieses Ergebnis im Konsens über Parteigrenzen hinweg ermöglicht haben.“

Diese Selbstaufgabe der DDR-Führung kann auch als Begründung dafür dienen, dass es nie einen Vereinigungsprozess, sondern nur eine Vereinnahmung des Ostens gab. Bei einer Vereinigung hätte es eine Diskussion über eine neue Verfassung, eine neue Nationalhymne oder gar eine neue Flagge geben können oder gar müssen. Gab es aber nicht. Geblieben ist die Vormundschaft des Westens und deren Deutungshoheit über die angeschlossenen „Ostgebiete“ und deren eigene Geschichte. Bis heute hat der Westen die Deutungshoheit über die DDR und über die vereinnahmten Ostdeutschen, deren Biografien und angeblichen „Befindlichkeiten“.

Gleichzeitig hat die Bundesrepublik bis heute kein geordnetes Verhältnis zur eigenen Geschichte. Es gab seit Bestehen der Bundesrepublik nie einen Nationalfeiertag oder einen Feiertag der der Gründung der Republik gewidmet war. Nicht mal zum Grundgesetz, welches heute so hochgehalten wird. Vielleicht lag es daran, dass die Nachkriegsgeneration diese Demokratie eher als übertragene Last der Alleierten begriff, als eine eigene Errungenschaft. In der Weimarer Republik beispielsweise diente der Verfassungstag, der 11. August als Nationalfeiertag. Während des Nationalsozialismus gab es den „Nationalen Feiertag des deutschen Volkes“ am 1. Mai, in der DDR feierte man jährlich den Tag der Staatsgründung am 7. Oktober (Tag der Republik). Die BRD feierte nie. Auch weil die Geschichte voller Schuld ist, und deshalb sich nur schlecht nationale Traditionen ableiten lassen. Es bedurfte also eines Ereignisses der jüngeren Geschichte, um einen Feiertag auszurufen. So banal wie der 3. Oktober zum Feiertag wurde, so banal sind auch die alljährlichen Feierlichkeiten. Wie 2020 in Potsdam. Geändert hat sich der Rahmen des nationalen Gedenkens. Es ist geprägt vom Drang nach Stärke, europäischer Größe, Kriegsrhetorik und Kriegstüchtigkeit.

Es bleibt dabei, es ist Krampf und nicht Paradies. Rio hatte und hat trotz des 9.November 1989 recht: „Ich weiß nur eins und da bin ich sicher: DIESES LAND IST ES NICHT!“

Quellen zum Text:

[1] https://www.ndr.de/ndrfragt/uneins-bei-der-einheit-kein-wir-gefuehl-nach-35-jahren,einheit-166.html

https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2025/09/deutsche-einheit-ostdeutsche-trennendes-umfrage.html

[2] Vortrag von Werner E. Ablaß, Beauftragter der Bundesregierung für Sonderaufgaben der Bundeswehr in den neuen Ländern sowie ehemaliger Staatssekretär im Verteidigungsministerium der DDR

[3] Regierungssprecher Hans Klein, zitiert nach Stephan Eisel: Der Beitrittsbeschluss der DDR-Volkskammer (PDF; 105 kB). In: Historisch-Politische Mitteilungen. Konrad-Adenauer-Stiftung, Herbst 2005.

[4] Kommuniqué des New Yorker Treffens der KSZE-Außenminister

[5] Zitiert nach Stephan Eisel: Der Beitrittsbeschluss der DDR-Volkskammer (PDF; 105 kB).

[6] Aus: DzD 1497–1498 Nr. 397 Schreiben der Volkskammerpräsidentin Bergmann-Pohl an Bundeskanzler Kohl Berlin, 25. August 1990, Chronik von 2plus4.de.

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