Wir dokumentieren: Wutbrief und Aufruf von Aktivist*innen, das unsinnige RAW Projekt zu verhindern!
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kein.ausverkauf@gmail.com
Fast zwei Jahre ist es her, dass „Stadt für alle“ zum ersten Mal über die Hintergründe zur Neubebauung des RAW-Geländes berichtet hat. Fünf große und tiefgründige Recherchen zum Investor, mehrere hitzige Infoveranstaltungen, Dutzende Einwendungen der Anwohner*innen, Proteste auf der Straße und Rederechte in der Stadtverordnetenversammlung später ist klar: In Politik und Verwaltung sind wir nur eine Marginalie.
Mit maximalem Einsatz zieht die Bauverwaltung der Stadt Potsdam das Projekt durch, der Mehrheit der Stadtverordneten scheinen die Konsequenzen nicht bewusst: Verkehrschaos und die vermeintliche Wertsteigerung von Grund und Boden ziehen höhere Mieten und Alltagsbelastungen nach sich. Wenn wir eine Stadt für alle wollen, wenn wir einstehen wollen für ein gutes Leben für alle, ist es endlich Zeit, laut zu werden.
30 Jahre Ausverkauf sind genug!
Was mit dem RAW betrieben wird, ist nichts Neues. Ob Brauhausberg, Speicherstadt, Krampnitz oder der Abverkauf an Semmelhaack oder Kirsch, die sich in den 90ern an an unseren Wohnungen bedient haben: Potsdam verschleudert sich an Immobilieninvestoren.
Wir befassen uns unermüdlich mit den Kleinklein-Debatten in der SVV, rennen auf Informationsveranstaltungen und erklären Einwände, versuchen Verzögerungstaktiken. Mit dem Spielchen „Bürgerbeteiligung“ meint die Stadt ernsthaft, irgendeiner Verantwortung nachzukommen. Und zum x-ten Mal stellen wir fest: Wir haben uns den Ar*** aufgerissen und die Stadt… war stets bemüht.
Wo der institutionalisierte Beteiligungsprozess der Stadt Potsdam anfängt, ist das Kind längst in den Brunnen gefallen: Das IT-UFO wird für Menschen gebaut, die hier NICHT wohnen, es entstehen Arbeitsplätze für Menschen, die hier NICHT leben, hier wird mit Renditen gerechnet, die NICHT in der Stadt bleiben. Für die Potsdamer*innen bleibt eine unzumutbare Verkehrslage rund um Hauptbahnhof und Friedrich-Engels Straße, oben drauf noch mehr Stress im überfüllten Regionalverkehr auf dem Arbeitsweg. Potsdam wird mit diesem Monsterprojekt nicht besser, nicht schöner, nicht zugänglicher, nicht sozialverträglicher. Ein Milieuschutz kann die sozialen Kosten nicht auffangen. Das Projekt RAW wird die Mieten in der gesamten Stadt hoch treiben und steht symbolisch dafür, wie anonyme Invstor*innen Hand in Hand mit Verwaltung und Politik unsere Stadt verkaufen.
Euer IT-Campus ist unser Unglück
Unsere Lebenssituation in diesem Viertel, in dieser Stadt, werden von Abverkauf zu Abverkauf, von Neubau zu Neubau unerträglicher und prekärer. Nicht nur fressen unsere Arbeitswege immer mehr Zeit. Viele werden hier wegziehen müssen. Das ist ein Debakel für Familien und Menschen, die sich keinen Cent mehr Miete leisten können. Gerade hat die ProPotsdam die Miete in der Teltower Vorstadt wieder maximal erhöht. Hier werden Lebenswege in Beton gegossen. Mag sein, dass einige das schön finden, wenn sie gegenüber ’ne Pizza essen gehen könnten und die eine oder der andere im IT-Komplex einen neuen Job findet. Vielleicht können wir aber auch ohne das „UFO“ da weiter arbeiten, wo wir jetzt gerade arbeiten und unsere Pizzen zu Hause backen.
Krempeln wir die Socke einmal um: Dass das RAW-Gelände brach liegt, ist nicht der Grund für die Probleme, die es in Potsdam gibt, ist nicht der Grund dafür, dass Menschen verdrängt werden, weil Potsdam für die Tourismusbranche und Kapitalanleger ausgefegt, erst vom Pöbel und jetzt vom sogenannten Mittelstand, befreit wird. Ein neuer IT-Campus löst nun weder unser Wohn- noch unser Verkehrsproblem. Uns wird hier von Anfang an verkauft, wir hätten irgendwas davon. Das ist gelogen.
Das große Ganze
Wir haben die Schnauze voll vom immer selben Lied. Wir wollen dazu aufrufen, die Vision einer Stadt für alle nicht aufzugeben und unseren Blick wieder auf das große Ganze richten.
Potsdam hat keinen Leerstand, Potsdams Mieten steigen, sind für uns bereits zu hoch, kein einziger politischer Akt aus dieser Stadtverordnetenversammlung wirkt dagegen, Neubauten fangen das nicht auf, sondern verschlimmern nur. In dieser Stadt wird eine klassische neoliberale Wohnungspolitik betrieben. Viele Menschen hat das aus ihrem zu Hause verdrängt. Für viele ist unter den gegebenen Bedingungen nicht einmal ein Nachdenken über eine positive wohnräumliche Veränderung möglich, die Angst, gehen zu müssen, begleitet uns jeden Tag.
Wohn- und Lebensraum werden an Kapitalanleger*innen und Unternehmen verschachert. Das nimmt Menschen Planungssicherheit und Lebensqualität. Das zwingt Menschen, Umfeld, Netzwerk, Freundeskreis, Nähe zur Familie und Unterstützer*innen aufzugeben und wegzuziehen. Das zwingt Menschen, schlechtere oder zusätzliche Jobs anzunehmen, lange Arbeitswege zu bewältigen. Das verschärft und prekarisiert soziale und ökonomische Lagen – die sich in den nächsten Jahren ohnehin verschärfen werden. Das zwingt Menschen dazu, in jedem auch noch so unzumutbarem Arbeitsverhältnis zu bleiben, sich kaputtzuschindern, denn das Leben selbst wird teurer und teurerer. So sieht weder eine Stadt für alle, noch ein erträgliches Leben aus.
Gleichzeitig hat sich die Lage geändert, für uns, aber auch für den Investor: Corona macht Druck. Das Eis, auf dem wir stehen, ist dünner geworden. Wir leben vom Kurzarbeitslohn, verlieren Aufträge, haben mehr Arbeit mit der Betreuung unserer Kinder, bangen um unsere Stellen oder haben sie verloren. Jedoch ist auch davon auszugehen, dass jemand, der sein Geld mit Öl verdient, in den letzten Monaten keinen Spaß hatte. Hier ergibt sich gerade ein kurzer strategischer Moment, ein kleines Fenster, in dem Druck und Widerstand eventuell noch dazu beitragen können, dass ein Investor abspringt, dass ihm das zu teuer wird. Erst Recht, wenn Tech-Firmen immer weniger Bürofläche brauchen und immer mehr auf Selbstausbeutung im Homeoffice setzen. Daneben führt ein Bauprojekt, dass die Mieten in die Höhe treibt, jede staatliche Coronahilfe ad absurdum. Fraglich ist auch, ob die Mieter*innen und Start-UPs in der kommenden Rezession tatsächlich Schlange stehen und dieses Projekt nicht ohnehin zum Scheitern verurteilt ist.
Was tun?
Unsere Aufgabe sehen wir darin, sich schützend vor diejenigen zu stellen, die dieser ganze Prozess am Härtesten trifft und für unseren Wohn- und Lebensraum zu kämpfen. Wie sehen nur noch die Möglichkeit, ein radikales NEIN zu formulieren. Alle anderen Schlachten sind hier schon verloren, die Stadt will durchziehen um jeden Preis. Der letzte Versuch kann nur noch sein, den Investor hier mit viel Druck wieder rauszuekeln und der Stadt zu zeigen: Wenn ihr nicht handelt, handeln wir!
Der Google Campus wurde nicht mit Leserbriefen und Diskussionsrunden im Berliner Rathaus verhindert. Wollen wir auch nur kleinste Zugeständnisse erwirken, geht das nur, wenn wir maximales Unbehagen schaffen. Die Geschichte des Beteiligungsprozesses zum RAW zeigt deutlich, dass wir selbst für einen kleinen und pünktlichen Milieuschutz dialogorientiert bitten und betteln können, bis wir am Stock gehen. Wir haben die Schnauze voll. Wir wollen unseren Unmut und unsere Forderungen auf die Straße tragen, wir werden dem realpolitischen Schmierentheater die kalte Schulter zeigen – so lange bis die UFO-Landung abgeblasen ist oder die Stadt endlich handelt.
Zu verlieren gibt es gar nichts mehr.
Verhindern wir das
„UFO“ auf dem RAW-Gelände!
Dies ist eine Einladung zum Diskutieren und Handeln!
Es gibt zeitnah ein Aktionstreffen, zu dem wir herzlich einladen.
Schreibt dazu an:
kein.ausverkauf@gmail.com
Einige Aktivist*innen aus der kritischen Stadtgesellschaft