Jetzt zieht Semmelhaack also nach. Inzwischen liegen uns auch die Schreiben von MIeter*innen des Immobilienunternehmens Semmelhaack vor. Für einige ist es die 4. Mieterhöhung innerhalb der letzten zwei Jahre. Preiswert sind die Semmelhaack – Wohnungen schon lange nicht mehr.
Das war erwartbar und zeigt trotzdem noch einmal deutlich, welcher Preitreiber die kommunale Gesellschaft ProPotsdam in der Stadt inzwischen geworden ist.
Jetzt melden sich die Mieter*innen selbst zu Wort:
Wir dokumentieren:
Einen drastischen und klaren Mieter*innenbrief an die ProPotsdam zu den Mieterhöhungen in der Stadt, insbesondere der Teltower Vorstadt und die Presseerklärung dazu:
Stellungnahme zur Mieterhöhung der ProPotsdam GmbH
vom 29.10.2020
Sehr geehrte Geschäftsführer Herr Westphal und Herr Nicke,
sehr geehrte Frau Aufsichtsratsvorsitzende Frau Meier,
sehr geehrte Damen und Herren,
mit großer Verblüffung hat die Anwohnerinneninitiative der Teltower Vorstadt die von Ihnen angekündigte Mieterhöhung für circa 70 Haushalte im Viertel bei der kürzlich stattgefundenen Versammlung vieler An-wohnerinnen am 08.10.2020 zur Kenntnis genommen.
Als Initiative engagieren wir uns seit über einem Jahr für die Belange der Mieterinnen in der Teltower Vorstadt, die sich angesichts des stadtweiten Mietendrucks sowie der Bauvorhaben auf der Friedrich-Engels-Straße und am Leipziger Dreieck einer zunehmend besorgniserregenden Situation gegenüber sehen. Das angekündigte Vorhaben der ProPotsdam verschärft diese Situation und steht gegen jede Idee nachhaltiger und „behutsamer“ Stadtentwicklung. Sie weisen im Anschreiben bezüglich der Mietsteigerung auf rechtliche Konsequenzen für Mieterinnen hin, sollten diese den Erhöhungen nicht bis 30.11.2020 zustimmen. In Anbetracht der wohnpolitischen Entwick-lungen in unserer Stadt, sowie der aktuellen gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie, stellen Mieterhöhungen nur eine weitere existentielle Gefährdung für Mieterinnen dar. Als Anwohnerinneninitiative können wir den Vorstoß der ProPotsdam nicht unwidersprochen stehen lassen.
ProPotsdam ist Preistreiberin
In der Teltower Vorstadt leben circa 4.400 Menschen in 2.350 Haushalten. Laut dem städtischen Fachsbereichsleiter für Wohnen, Arbeit und Integration, Gregor Jekel, fehle es in der Teltower Vorstadt und darüber hinaus keineswegs an günstigem Wohnraum, nur müsse der Zugang zu diesem politisch gesteuert werden – hierfür ist auch die ProPotsdam verantwortlich. Mit der kommenden Mieterhöhung zum 01.12.2020 läge der Quadratmeterpreis bei vielen Mieterinnen bei gut 10,00 €. Laut Ihrer Unternehmenszeitschrift „EinsVier“ (Ausgabe 01/2020) liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis aber bei 7,36 € für Wohnungen der Kategorie „Altbau 1919-1948“; insgesamt also für 1.568 Wohnungen in Potsdam. Sie wiederum begründen die geplante Erhöhung ausschließlich mit Verweis auf den Potsdamer Mietspiegel vom August 2020. Die Stadt Potsdam selbst beteuert uns gegenüber seit geraumer Zeit, dass im Zusammenhang mit der Bebauung des ehemaligen RAW-Geländes Mieterhöhungen von kommunalen und genossenschaftlichen Vermietern mit geringer Wahrscheinlichkeit auf uns zukämen, die die zu erwartende Gentrifizierung des Viertels und die Verdrängung der Anwohnerinnen beschleunigen würden. Hingegen seien die privaten Vermieterinnen eine Gefahr, so sinngemäß einige Stadtverordnete und Frau Meier, Sozialbeigeordnete. Angesichts Ihres Schreibens ist dieses Versprechen also weit gefehlt. Bedenkt man darüber hinaus, dass die ProPotsdam GmbH aktuell gut 19% der Wohnungen in Potsdam innehat (ca. 17.600 von insgesamt 91.000), so drängt sich der Verdacht auf, dass Sie sich Ihre Vergleichsmieten selber schaffen, indem Sie alle 15 Monate die Mieten stadtweit erhöhen. Damit sind Sie als größter Wohnungsanbieter einer der Hauptverantwortlichen für die kontinuierlichen Mietpreissteigerungen in ganz Potsdam. Besorgniserregend ist unter dem Aspekt zudem, dass die Stadt im Februar beschlossen hat, Vergabekriterien für Grundstücke zu schaffen, die auf der Hoffnung beruhen, durch Ihr Engagement mehr Entspannung im Wohnungsmarkt zu generieren, indem Sie bevorzugt Grundstücke erwerben können sollen. Diese Hoffnung ist mit den aktuellen Entwicklungen Ihrer Mietenpolitik jedoch nicht in Übereinstimmung zu bringen, erst recht nicht, wenn Ihr Anteil am Wohnungsmarkt weiter steigt.
Sie bezeichnen Ihr Unternehmen u.a. als sozial engagierte, kommunale Gesellschaft. Ihren Ursprung hat die Pro-Potsdam zwar in der gemeinnützigen Wohn- und Baugesellschaft mbH (GEWOBA), jedoch scheinen Sie sich allem Anschein nach vom Anspruch einer sozialen oder gemeinnützigen Wohnpolitik gelöst zu haben. Dieser Eindruck wird durch Ihren fehlenden Einsatz für den Erhalt von gewachsenen Quartieren und konkret von Wohnungen für Bürgerinnen mit durchschnittlichem oder geringerem Einkommen, u.a. auch dann wenn sie nicht Wohnberechtigungsschein berechtigt sind, verstärkt.
ProPotsdam belastet Mieterinnen zusätzlich zur Corona-Situation
Juristisch mögen die aktuellen massiven Mieterhöhungen für ein ganzes Viertel zwar legal sein. Aus sozialer und moralischer Perspektive sind diese jedoch in der aktuellen Situation mehr als fragwürdig und für uns in keiner Hinsicht vertretbar. Bedenkt man, dass in Zeiten von Corona ganz besonders an die gesellschaftliche Solidarität appelliert wird, so zeigt die Mietsteigerung doch deutlich, wie äußerst unsolidarisch Sie durch die ProPotsdam agieren. Selbst das Coronaschutzpaket für Mieterinnen stellte sicher, dass Vermieterinnen größtenteils keinerlei Gewinneinbußen haben müssen. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind für uns Mieterinnen jedoch nicht allein mit den im Schutzpaket enthaltenen Aussetzungen der Mieten über drei Monate ausgeräumt: Wir sehen uns als Bürgerinnen z.T. mit den schweren wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen von Kurzarbeit, Quarantäne-Ausfällen und Existenznot, Wegfall von Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Kündigungen etc. konfrontiert. Die ProPotsdam signalisiert uns nun deutlich, dass selbst Mieterinnen kommunaler Wohnungsunternehmen nicht damit rechnen dürfen, dass ihre Mieten moderat und bezahlbar bleiben; auch nicht in Zeiten, in denen Home-Schooling und HomeOffice unabdingbar für das Gemeinwohl sind, um eine Verbreitung des Virus zu minimieren.
Zu Beginn der Pandemie hat die ProPotsdam in den Hausfluren Plakate aufgehängt, die Hilfestellung in Zeiten von Corona suggerierten. Wenn Sie nun Ende September in dieser Größenordnung „Standard“-Mieterhöhungen vor-nehmen, ist dies schlichtweg dreist und die damals angebotene Hilfe nicht mehr als eine Marketingmaßnahme aus Schall und Rauch.
Die Infektionszahlen steigen.
Niemand kann die Auswirkungen der Pandemie im Detail absehen, weder zeitlich noch in Bezug auf die Betroffenenzahlen oder wirtschaftlich. Doch mittlerweile dürfte allen klar sein, dass auf die Mieterinnen ökonomisch und sozial sehr prekäre Zeiten zukommen und sich die Verhältnisse erst in sehr vielen Jahren wieder stabilisiert haben werden. Dass Mieterhöhungen in diesem Jahr – und im Allgemeinen – für die ProPotsdam unvermeidlich wären, sehen wir nicht. Während Hamburg an Vermieterinnen appelliert, auf Mieterhöhungen zu verzichten und den Rahmen, in denen Mieterhöhungen stattfinden können, deutlich einschränken will, die Stadt Mainz Mieterhöhungen zurückgenommen hat und in Potsdam private Vermieterinnen derzeit auf Erhöhungen verzichten, agiert die ProPotsdam unverantwortlich, gewinnorientiert und blendet die aktuelle Krise aus.
Mieten senken statt Mieten erhöhen!
Die Mieterinnen der Teltower Vorstadt fordern die ProPotsdam GmbH auf, auf die Mieterhöhungen zu verzichten und sich dem Beispiel von Mainz anzuschließen. Es kann und darf nicht sein, dass auf der einen Seite Mieterinnen Einkommenseinbußen verzeichnen müssen, aber gleichzeitig selbst die kommunal gesteuerten Mietpreise in die Höhe schießen, noch dazu in regelmäßigen Abständen. Sie agieren damit im Widerspruch zu Ihren vermeintlichen Leitsätzen – damit ist die ProPotsdam ein Unternehmen, das etwas ganz anderes zu sein vorgibt, als es ist. Ebenso zeigen Sie, dass die ProPotsdam ein fragwürdiges Verständnis von gesellschaftlicher Solidarität hat. Die Preissteigerungen entbehren jeder nachvollziehbaren Grundlage und sind daher unserem Erachten nach schlichtweg unberechtigt. Mit dem Erhöhen der Preise vermehrt sich schließlich weder unser Wohnraum noch unsere Wohnqualität im Viertel. Im Gegenteil: Durch die Belastungen aufgrund der riesigen Baustelle am Leipziger Dreieck, sowie an der Brücke auf der Friedrich-Engels-Straße, als auch die in absehbarer Zeit noch hinzukommende Langzeitbaustelle am RAW-Gelände, hat die Wohnqualität bereits drastisch abgenommen und wird dies weiter tun. In Folge dessen sind Luft- und Lärmbelastung deutlich gestiegen, Wege von und zur Wohnung sind stressbehafteter und länger geworden, Busse kommen zu spät und sind überfüllt und auch die Verkehrssituation hat sich drastisch verschlechtert (Auslastung, Rückstau, …). Diese Situation wird sich in den kommenden Jahren mit Sicherheit noch weiter verschärfen.
Wir fordern die ProPotsdam auf, ihren Auftrag als kommunale Wohnungsgesellschaft ernst zu nehmen und die Preissteigerungspolitik durch regelmäßige, am kommerziellen Mietspiegel orientierte, Mieterhöhungen sofort einzustellen und stattdessen über eine Mietpreissenkung von z.B. 3% nachzudenken, um die angespannte Situation der Mieterinnen etwas zu entschärfen – ganz im Sinne einer solidarischen und sozialen Wohnungsgesellschaft, wie sich die ProPotsdam nach außen gerne darstellt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Mietergemeinschaft der Teltower Vorstadt
mit Unterstützung der Anwohner*innen-Initiative Teltower Vorstadt