Die Geschäftsmodell von Dahler & Company und Henrik Ulven in Potsdam

… oder: Warum Umwandlungsverbote und Milieuschutz so wichtig sind.

Wir bekamen Post von Mieter*innen und haben dazu recherchiert:

Selbst im schwierigen Jahr 2020 hatten Mieter*innen in Potsdam Post in ihrem Briefkasten. Ein Immobilienmakler bot an, ihre Wohnung zu kaufen.

Bitte?

Mieter*innen besitzen in der Regel keine Wohnungen.
Aber solche Schreiben machen Angst.
Vor allem, wenn in der Nachbarschaft bereits Mietwohnungen als Eigentumswohnungen verkauft worden.

Im Coronajahr 2020 bekamen wir vermehrt Mails und Infos von Mieter*innen, die genau dies erlebt haben.
Deshalb wird es Zeit, dass in der Stadt Potsdam die Instrumente auf den Weg gebracht werden, die anderswo Umwandlungen in profitablere Eigentums – oder Möblierte Wohnungen wenigstens ein bisschen regulieren.

Wir wollen zwei typische Fälle dokumentieren.

In Potsdam – West haben Mieter*innen Briefe eines besonderen Immobilienmaklers bekommen.
Dahler & Company sind kein ganz normaler Immobilienmakler.

Sie sind inzwischen in fast allen Städten in ganz Deutschland vertreten, sie haben sich sich auf „besondere“ und Luxusimmobilien spezialisiert.

Bekannt wurden sie über die Pseudodoku „Mieten- Kaufen- Wohnen“ und andere Fernsehsendungen, an denen P. Robert Neumann teilnahm, der danach als Franchisenehmer bei Dahler & Company hier in Potsdam arbeitete. Ein anderes filmisches Dokument des Unternehmens der Dahler – Familie liefert der Film „Empire St. Pauli“, in dem Björn Dahler eines der umstrittenen neuen Hochhäuser in St. Pauli zahlungskräftigen Anleger*innen präsentiert.

Dahler & Company ist aktuell an über 60 Standorten mit Büros vertreten, darunter natürlich auch Potsdam und gleich in der Nähe am Wannsee. Dabei arbeiten gerade einmal 400 Mitarbeiter*innen für das Immobilienunternehmen, was dabei 2018 laut eigener Bilanz einen Gewinn von 30 Mio. € für die Dahler & Company Group GmbH gemacht hat.


Wobei das mit den Mitarbeiter*innen nicht so ganz korrekt ist: Dahler & Company funktioniert nach einem Franchise-Konzept. Wir haben die Handels – und Unternehmerregister der Firma eingesehen und analysiert. So hat die Dahler & Company GmbH 2018 ganze zwei Mitarbeiter*innen ausgewiesen, die Dahler & Company Group 16 Mitarbeiter*innen.
Alle anderen Mitarbeiter*innen sind im rechtlichen Sinne selbständige Unternehmen. Sie kaufen sich als Franchisenehmer*innen das Recht, den Markennamen und die Strukturen des Franchisegebers zu nutzen und handeln dann als eigenständige Unternehmen auf eigenes Risiko.

Das erklärt schon ein wenig die oft recht aggressiven Geschäftspraktiken der konkreten Büros bzw. Franchisenehmer*innen. Sie müssen einen hohen Umsatz und Gewinn einfahren, um die Franchisegebühren bezahlen zu können und trotzdem das eigene Unternehmen am Markt zu halten.
Und da der Markt in Potsdam selbst für solche Immobilienmakler immer knapper wird, schicken sie eben solche Briefe auch an Mieter*innen von Häusern in den gefragten Quartieren. Dort heißt es dann: „Auf Grund der außergewöhnlich schönen Lage haben sich viele nationale und internationale Kunden für diese wunderschöne Immobilie interessiert.“ Und: „Wir erleben gerade eine spannende Zeit in Potsdam.“

Wie fühlt man sich da als Mieter*in in solch einer begehrten Immobilie?
Für das Unternehmen selbst und den Potsdamer Peyton Robert Neubauer scheint Potsdam das Paradies zu sein.
Auf der eigenen Webseite heißt es unter anderem:
„Mieten, kaufen oder wohnen? In einem Haus, einer Eigentumswohnung oder einem Penthouse in Potsdam zu leben – dafür gibt es viele gute Gründe. Potsdam ist ein inspirierender Ort mit Anziehungskraft, eine stetig wachsende Stadt mit kreativem Potential – und der dynamischste Immobilienmarkt im Osten von Deutschland. Die Immobilienpreise für Wohneigentum im lokalen Markt sind auf historisch hohem Niveau. Kaum irgendwo sonst in Deutschland wohnt man teurer und steigen die Preise rasanter. Die Nachfrage ist angesichts des Zuzuges ungebrochen. Die Immobilienpreise sind in den letzten vier Jahren um 23 Prozent und die Mieten um 17 Prozent gestiegen. Potsdam ist laut „Finanztest“ das teuerste Pflaster in Ostdeutschland.“
In einem Interview mit der MAZ vom 19.05.2018 plaudert er – durchaus entlarvend – ein wenig aus dem „Nähkästchen“.
„Potsdam ist einfach derzeit sehr stark gefragt. Die Leute kaufen zum vollen Exposépreis – sie verhandeln den Kaufpreis gar nicht mehr. Die Käufer zahlen selbst Fantasiepreise der Eigentümer“, heißt es da zum Beispiel. Oder: „Der ursprüngliche Potsdamer ist nicht der Kunde, den wir betreuen. Vor einigen Jahren waren es noch die Russen und Skandinavier. Jetzt sind es mehr Schweizer und Österreicher.“.

Damit ist das Geschäftsmodell von Dahler & Company ausreichend beschrieben.
Für die Stadt Potsdam und seine Mieter*innen ist es ein Problem.
Für Björn Dahler und seine Familie hingegen bringt es jedes Jahr einen Millionengewinn, der geschickt zwischen formalrechtlich unabhängigen Unternehmen hin und her geschoben wird.

Henrik Ulven und die Umwandlung von Mietshäusern in eine „Wohneigentumsanlage“

In Babelsberg sind sie schon weiter.
Da werden die übrig gebliebenen Mietshäuser auch ohne Zustimmung oder Information der Mieter*innen in Eigentumswohnungen umgewandelt.

In der Siemensstraße 1 haben die Mieter*innen davon aus den Betriebskostenabrechnungen erfahren. Dort steht kleingedruckt: „Im Zuge der Umwandlung in eine Wohneigentumsanlage wird der Wohnraum neu vermessen.“
Neuer Besitzer der Häuser in der Siemensstraße 1 – 3 in der Nähe des S – Bahnhofs Babelsberg ist der norwegische Immobilienunternehmer Henrik Ulven. Die Besitzverhältnisse ist so kompliziert versteckt, dass es für Mieter*innen kaum nachvollziehbar ist, wer nun für was zuständig ist. Die Ernst von Hachmann Verwaltungsgesellschaft ist wohl mit der Verwaltung und Vertretung beauftragt, die Frigg Fünfte Immobilien GmbH mit dem Verkauf der Wohnungen und dahinter steckt dann die Berlin Property Invest AS, eine Aktiengesellschaft aus Oslo, hinter der wiederum Henrik Ulven steckt. Die Frigg Fünfte Immobilien GmbH beschäftigt nach Auskunft von Companyhouse übrigens 0 Mitarbeiter*innen – eine Briefkastenfirma also. Companyhouse weist dann für 2019 einen Jahresgewinn von knapp 5 Mio. € aus.

Bekannt geworden sind die Geschäftsmodelle der Unternehmen, an denen Henrik Ulven beteiligt ist, durch die Bewohner*innen der Wrangelstraße 83 in Berlin, die sich unter dem Motto „Willi wollt`s anders“ gegen den Verkauf an eben jenen Henrik Ulven wehren. Willi Kolberg war einer der wenigen sozialer Vermieter, der in seinem Testament eigentlich geschrieben hatte: „Ich wünsche auf gar keinen Fall, dass meine Häuser verkauft oder anderweitig veräußert werden. Sie sind mein Lebenswerk.“ (vergl.: TAZ https://taz.de/im-Haifischbecken/!5698370/ ).
Nun wird klar, es ist doch passiert und die TAZ schreibt: „Käufer ist Henrik Ulven, ein Immobilienspekulant, der einem ganzen Netzwerk aus GmbHs vorsteht.“

Die Sorge, dass das Haus und die Mietwohnungen dort in Eigentumswohnungen umgewandelt werden sollen, scheint nach unseren Recherchen nicht unberechtigt zu sein. In Potsdam passiert genau das gerade in der Siemensstraße. Bewohner*innen berichten zudem, dass der neue Eigentümer bereits mit Umbaumaßnahmen begonnen hat, obwohl noch gar keine Baugenehmigung vorliegt. Und auf der Webseite der Berlin Property Invest AS heißt es in der Eigendarstellung: „Dann wird eine Eigentumswohnung mit unabhängigen Rechtseinheiten gebaut.“ (Vergl.: http://www.berlinboligutvikling.no/ )
In Berlin gehören zu dem beschriebenen Immobilienkonstrukt diese Häuser:
Lietzenburgerstrasse 96 , Charlottenburg, Schlosstraße 68 , Steglitz, Teltower Damm 67, Zehlendorf, Bennigsenstraße 8 , Schöneberg, Bayern Alle 2 , Charlottenburg, Maple Alle 50 , Charlottenburg, Friedbergstraße 10 , Charlottenburg, Friedbergstraße 13 , Charlottenburg, Dickhardstraße 41 , Schöneberg, Kärntnerstrasse 9 , Schöneberg, Herderstraße 35 , Charlottenburg, Hirtzerweg 139-141 , Tempelhof, Wrangelstraße 20 , Kreuzberg.
Und seit Neuestem eben in Potsdam die Häuser in der Siemensstraße 1 – 3.
Henrik Ulven selbst ist Anteilseigner verschiedener Aktiengesellschaften in Norwegen, wie zum Beispiel der Peter & Ulven AS oder der Ulvefoss AS, deren Geschäftsführer regelmäßig wechseln und die regelmäßige Einnahmen in Millionenhöhe garantieren.

Ein Fazit

Wir dürfen nicht vergessen, was diese beiden Beispiele für die Stadt Potsdam insgesamt bedeuten. Immobilienmakler, Immobilienunternehmen setzen auf ein zahlungskräftiges, an Immobilienanlagen, manchmal auch auf Selbstnutzung interessiertes Kundenklientel, was nicht in Potsdam wohnt, was hier keine Steuern zahlt und hier nicht sozial verankert ist. Bei der Begrenztheit des Marktsegments (siehe Interview mit R. Neubauer) motiviert genau diese Nachfrage dazu, solche Angebote zu schaffen – möglichst immer mehr, möglichst immer teurer, immer luxuriöser. Man kann das beobachten: Bei Neubauprojekten n der Speicherstadt und bald auch auf dem Brauhausberg und am Jungernsee, bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen in Babelsberg und Potsdam West.
Diese Immobilienpolitik bestimmt immer mehr die unternehmerischen Aktivitäten in der Stadt. Gebaut wird nicht, was die Menschen in der Stadt brauchen, sondern was reiche Privatkunden, Anleger und C – Promis aus ganz Europa brauchen – Luxusimmobilien.

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