Wie gestern bekannt wurde, hat das Landesdenkmalamt Brandenburg den 1991 auf der Plantage errichteten Nachbau des Glockenspiels der Potsdamer Garnisonkirche, auf Antrag eines nicht genannten Dritten, unter Denkmalschutz gestellt. Grund: es sei als Gegenstand einer 30-jährigen intensiven stadtpolitischen Debatte ein schützenswertes Zeugnis der jüngeren Zeitgeschichte. Nach dieser Amtslogik hätte die stark debattierte Fachhochschule nie abgerissen werden würfen und müssten der Staudenhof, das Rechenzentrum und das Mercure-Hotel zeitnah unter Denkmalschutz gestellt werden!
In der Begründung werden auch das Musikinstrument Glockenspiel und deren Glockenqualität hoch gelobt und als Gründe für die Unterschutzstellung angeführt. Droht uns nun wieder die Einschaltung und die Verlärmung mit konservativem, königstreuem und religiösem Liedgut? Nach der Logik des Landesdenkmalamtes könnte die handwerklich gut ausgeführte und umstrittene Turmkopie der ehemaligen Garnisonkirche in wenigen Jahren auch zum Denkmal werden! Denn um kein anderes Projekt gibt es eine intensivere politische Debatte. Das Handeln des Amtes wirft viele Fragen auf!
Natürlich darf es nicht sein, dass – wie von GRÜNEN und LINKEN in der SVV beantragt – das Glockenspiel eingeschmolzen wird und somit die eigene Potsdamer Geschichte – speziell auch die von Frau Hüneke als ehemalige Kulturstadträtin – vergessen gemacht wird. Zum Glück hat dieser geschichtsrevisionistische Antrag bisher keine Mehrheit gefunden. Ja, mit dem Glockenspiel muss sich kritisch auseinander gesetzt werden. Das macht der Lernort-Garnisonkirche im Rechenzentrum! Genau deshalb hatte die Fraktion DIE aNDERE eine Konversionsantrag für das militärisch geprägte Geläut eingebracht: Das Gerüst nutzen und als Kletterturm umbauen. Eine große Glocke mit entsprechender Aufklärung und Verlinkung zum Lernort Garnisonkirche vor Ort lassen und eine kleine Glocke ins Potsdam-Museum, welches sich ja zukünftig auch an der Plantage präsentieren will. Dies ist nun nicht mehr möglich.
Aktuell jubelt die politische Rechte über den Beschluss des Landesamtes.
Hier die Begründung des Landesamtes für Denkmalpflege:
Hier die Stellungnahme des kritischen Lernortes Garnisonkirche (www.lernort-garnisonkirche.de):
„Das Glockenspiel – Initial für das Wiederaufbauprojekt der Garnisonkirche – war von einer Traditionsgemeinschaft errichtet worden, die von dem zunehmend rechtsradikal argumentierenden Bundeswehroffizier Max Klaar geleitetet wurde. In Folge erneuter Protesten gegen die rechtslastigen Inschriften der Glocken war es im September 2019 abgestellt worden. Mit der Entscheidung des Landesdenkmalamt wurde erstmalig ein Symbolobjekt der „Neuen Rechten“ unter Denkmalschutz gestellt.
Das Landesamt muss sich fragen lassen, auf Grundlage welcher erinnerungspolitischen Konzeptes und Intention diese Denkmalentscheidung beruht. Wenn intensive stadtpolitische Debatten einen Denkmalwert begründen, so hätte das Landesdenkmal schon längt das ehemalige Rechenzentrum als Gebäude unter Schutz stellen müssen, zumal es anders als das Glockenspiel auch eine gestalterischen-künstlerischen Wert besitzt. Warum ist dies bislang nicht geschehen? Wird hier nicht offenkundig mit zweierlei Maß gemessen?
Auch stellt sich die Frage, wie diese Maßnahme sich auf die stadtpolitische Debatte, die nicht abgeschlossen ist, auswirkt und in diese eingreift. Ist es richtig, dass ein staatliches Amt qua Gesetzeskraft in einer laufenden Debatte zu zeitpolitischen Fragen auf diese Weise Fakten schafft? Werden damit nicht bereits artikulierte Ideen für mögliche Umgestaltungen im Keim erstickt? Soll dieses Symbolbau einer letztendlich rechtsradikal motivierten Initiative visuell unverändert erhalten bleiben?
Der Lernort Garnisonkirche fordert daher den Landeskonservator Thomas Drachenberg zu einem öffentlichen Streitgespräch auf und lädt hierzu ihn und weitere Akteure und Experten zeitnah zu einer Diskussion in Potsdam ein.“
Weiter Information zum Glockenspiel unter: http://lernort-garnisonkirche.de/?cat=3 oder im aktuellen Heft der Wählergruppe DIE aNDERE ab Seite 13: aHEFT-JUNI21-web.pdf (die-andere.org)
P.S. Herr Drachenberg (Leiter des Landesdenkmalamtes) hat bereits einem Gespräch mit den Initiatoren des Lernortes GK zugesagt.