In der Zukunft aufgewacht

Potsdam und Hamburg sind am Montagmorgen unversehens in der Zukunft aufgewacht. Unverbindliche, schöne SPD-Sonntagsreden sind von gestern. Nun müssen Taten folgen.

In Hamburg gab es einen Volksentscheid – einen Zukunftsentscheid – beim dem 53 Prozent der abgegebenen Stimmen „JA“ lauteten. In einem Monat wird der „Zukunftsentscheid“ zum „Gesetz für besseren Klimaschutz“.

In Potsdam gab es eine andere Art von Volksentscheid, die Stichwahl zum Oberbürgermeisteramt. 73 Prozent der abgegebenen Stimmen lauteten „Noosha Aubel“. Die Frau, die „Zurück für die Zukunft“ nach Potsdam gekommen ist. Sie sprach gestern von einem Miteinander, auch von dem von Verwaltung und Bürgerinnen, zu arbeiten und von einer „Stadt für alle“. Wir werden sie hier zu gegebenen Anlässen daran erinnern!

An beiden Wahlterminen war die SPD der politische Kontrapunkt der Entscheidungen. Fischer (SPD) geben Aubel (parteilos) und Volk gegen Senat (parteiübergreifend gegen SPD-geführtem Senat). Die taz fragt heute „Wie konnte es so weit kommen? Wie kann eine Initiative ein Gesetz dieser Tragweite durchbringen, gegen eine übergroße Mehrheit im Parlament, gegen die geballte Kampagnenkraft der Unternehmen? Vor allem die regierende SPD muss sich vorwerfen lassen, dass sie das Thema gewaltig unterschätzt hat.“

Was haben die Genossinnen in Hamburg und Potsdam gemeinsam? Sie glaubten das Klimaschutz und grüne Themen out sind und das der Rechtsruck der Gesellschaft, dem die Genossinnen bundesweit auch Vorschub geleistet haben, ausreicht, um in alter Manie, Abstimmungen zu Lasten „grüner“, also sozio-ökologischer Themen zu gewinnen.

Der Brief von Matthias Platzeck und Jann Jakobs mit rechten Narrativen gegen die Grünen und pro Auto entpuppte sich im Nachgang als die beste Wahlkampfunterstützung für die parteilose und überparteiliche Kandidatin Noosha Aubel. „Danke Matthias, danke Jann“ hieß es gestern auf der Wahlparty im Frauenzentrum mehrfach.    

Die taz meint: „Auch der Blick in die Vergangenheit hätte Hamburgs SPD alarmieren müssen: Seit der Einführung hat der Hamburger Senat sechs von acht Volksabstimmungen verloren. Die Hamburgerinnen lieben es, ihrer Regierung den Marsch zu blasen. Außerdem fanden jetzt in Hamburg – anders als vor zwei Jahren in Berlin – zwei Volksentscheide gleichzeitig statt. Jener zum Grundeinkommen appellierte zum Teil an ähnliche Milieus wie der Zukunftsentscheid. Wahrscheinlich haben sie einander bei der Mobilisierung geholfen.“

Kein Gespür für die Wählerinnenschaft und deren wirklichen Probleme – das eint die Großstadt-Spezialdemokraten an Elbe, Havel und Spree.

Klimaschutz ist nicht out. Klimaschutz ist Umwelt- und Menschenschutz, ist Sozial- und Friedensarbeit zugleich! Für diese und alle kommenden Generationen. Selbst SPD-Wählerinnen sind vom Klimawandel betroffen. Egal ob durch Hitzewellen, Flutwellen oder Flüchtlingswellen – alles Folgen der globalen Klimakrise. Klimaschutz ist billiger als die Anpassung an den drastischen Klimawandel. Das bestätigten alle Studien seit dem Bericht des „Club of Rom“. 1972 veröffentlichte der Club von Wissenschaftlerinnen aus mehr als 30 Ländern „Die Grenzen des Wachstums“. Auch neueren Studien zeigen auf: Klimaschutz ist für die Volkswirtschaft die günstigste Variante in einer Legislaturperioden überschreitenden Perspektive. Wohlfahrt lässt sich nur erreichen und steigern, wenn die soziale Ungerechtigkeit abgebaut und der Klimaschutz ausgebaut werden.

Mit Hermann Scheer hatte die SPD um die Jahrtausendwende mal einen Bundespolitiker, der die Umwelt-, Energie- und Klimapolitik der Sozialdemokraten maßgeblich prägte. Heute schert sich die Stillstands-Partei nicht mehr um diese Themen. Jetzt geht es um Kriegstüchtigkeit, Großmannssucht und Sozialabbau. So kommt die SPD nicht mehr voran, weder in Hamburg, noch in Potsdam, auf Landes- oder Bundesebene. Wie viele Weckrufe braucht eine solche Partei eigentlich?

Wann nimmt sich die SPD den Zukunftsthemen an, die längste gegenwärtig sind: Wohnungsnot und die Bezahlbarkeit von Wohnraum, Klimaschutz, Armutsbekämpfung, globale Ausbeutung?!

Links zu den Ergebnissen der beiden Sonntagsfragen in Hamburg und Potsdam:

https://www.wahlen-hamburg.de/Hamburger_Zukunftsentscheid_2025

https://wahlergebnisse.brandenburg.de/54/200/20251012/buergermeisterwahl_gemeinde/index.html

Ein Beitrag von Christian Krüger & Matthes Hansen

P.S. Nicht vergessen: Fahrrad Rave durch Potsdam am 24.10.2025 (der nach 35. Jahren SPD-Stadtgestaltung dringend notwendig ist) https://potsdam-stadtfueralle.de/2025/10/10/fahrrad-rave-durch-potsdam/

P.P.S. Herrmann Scheer kandidierte 2009 nicht mehr für den SPD-Bundesvorstand und begründete dies in einem Brief unter anderem damit, dass „es allzu üblich geworden“ sei, „politische Machtspiele auszutragen, Scheinlösungen zu produzieren und inhaltsfremde personelle Rücksichten zu nehmen“, und er darin nicht involviert sein wolle.“

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