Symbol „Minsk“
Nach der rigorosen Durchsetzung der städtischen Politik eines barocken Wiederaufbaus der Stadtmitte, ihrer Privatisierung und dem dadurch erzwungenen Abriss bisher prägender Gebäude schien eigentlich klar:
Auch das ehemalige Terrassenrestaurant „Minsk“ auf dem Brauhausberg wird abgerissen, das Baugelände an den höchstbietenden Spekulanten veräußert.
Doch auf einmal hat die Diskussion um die Zukunft dieses geschichtsträchtigen, architektonisch spannenden Objektes noch einmal Fahrt aufgenommen.
Allerdings zeigt ein Blick auf die Argumente in dieser Debatte gleichzeitig: Die Auseinandersetzung um das „Minsk“ steht schon fast symbolisch für Positionen zur gesamten Stadtentwicklung in Potsdam.
Dabei wird vor allem die politische Sichtweise der SPD noch einmal deutlich: „Mieten bildeten sich am Markt, … Auch bei niedrigen Bau- und Grundstückskosten werden Höchsteinnahmen angestrebt.“ sagte SPD – Fraktionschef Pete Heuer konkret zum Thema Minsk, um deutlich zu machen, dass die SPD – Fraktion für das Höchstgebot sei. (PNN vom 16.04.2018)
Heißt also: Stadtentwicklung, Mieten, der Umgang mit städtischen Flächen, Geschichte und Architektur sind für ihn ausschließlich eine Frage der ökonomischen Verwertbarkeit. Wer am meisten bezahlt ist Sieger und bestimmt die Stadtentwicklung. Das ist neoliberale (Stadt) Politik per exellance und zeigt noch einmal, auf welcher Grundlage SPD – Politik in dieser Stadt schon lange funktioniert.
Dass jetzt auch Kritik am Agieren Stadtwerke laut wird ist sachlich auf jeden Fall richtig (100.000 € ausgegeben, um bei Investoren und Spekulanten Werbung für ein möglichst hohes Angebot zu machen!) – aber gleichzeitig verwunderlich. Deren Verkaufspolitik zeigt doch nur noch einmal symbolhaft, wie die städtische Politik seit Jahren ihre eigenen städtischen Unternehmen dazu benutzt, unbequeme, schwierige und nicht zu den eigenen Beschlüssen passende Entscheidungen einfach an diese abzuschieben. Genauso agiert die Pro Potsdam, wenn sie weiter Häuser nach Höchstgebot verkauft (trotzdem mit dem Wohnpolitischen Konzept was anderes beschlossen wurde) oder statt der zuständigen Politik auf das Kaufangebot für die Fachhochschule reagiert. Jetzt also haben die Stadtwerke beim „Minsk“ vollendete Tatschen geschaffen – und das hat mit dem Eigentümer der Stadtwerke natürlich nichts zu tun?!
Überhaupt nicht neu ist, dass auch beim Streitthema „Minsk“ ExpertInnen, externe und Fachinstitutionen, überregionale Medien fast geschlossen für den Erhalt des „Minsk“ plädieren. Das war und ist bei den anderen großen städtischen Konflikten – Garnisonkirche und Fachhochschule nicht anders. Nur, dass dies hier von den regionalen Medien und der Rathauspolitik einfach ignoriert wird. Was nicht sein darf, ist auch nicht so.
Beim „Minsk“ aber wird auf einmal erstaunt festgestellt, dass Stadtplaner, Architekten und Experten vieles an der Stadtentwicklung in Potsdam sehr kritisch sehen.
Gleichzeitig steht diese neu aufkommende Diskussion aber auch dafür, dass die städtische Zivilgesellschaft bei allen „Niederlagen“ (Fachhochschule?) eine Menge erreicht hat: Es ist ihr in den vielen Kämpfen gelungen, Druck auszuüben, zum Nachdenken zu bewegen, wenigstens bei einem Gebäude nach Kompromissen zu suchen. Vielleicht ist die aktuelle Debatte auch wie ein Zugeständnis an „Potsdamer Mitte neu denken“, „Stadtmitte für alle“, „Mieteschön“ und all die vielen Initiativen, welche schon lange für eine offene, lebendige Stadtmitte kämpfen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem der Kurswechsel der Grünen, die noch vor wenigen Wochen immer wieder betonten, dass Beschlüsse zum Umbau der Mitte unumstößlich seien. Jetzt wollen sie sogar das Verfahren zum Verkauf des Geländes am Brauhausberg neu aufrollen.
Geht doch! Oder ist es doch nur Symbolpolitik?
Vom Frust eines („gemeinen“) Machtlosen
Vergeblich wohl jedes weitere Hoffen auf den Erhalt des Minsk, jede diplomatische Zurückhaltung zwecklos. Dogmatische Apparatschiks haben das Sagen, die „Organisationseliten“ der Parteien und deren Gefolgschaften – ja, es gibt sie anscheinend in großer Zahl – hier und heute.
Ihre schlichte Logik: Wir brauchen das Geld, unverzüglich, je mehr, desto besser.
Also Höchstgebot. Wer spricht da von Judaslohn (weil die Stadt das Minsk damit ans Messer liefert)? Geld stinkt nicht, basta!
Mit dem Schleifen eines Architekturjuwels wird ein Bad im Baumarktstil bezahlt. Gott sei Dank bleibt sogar noch etwas übrig für jenen und jenen Zuschuss an ein paar PR-wirksame städtische Vorhaben.
Ein zusätzliches großes Ärgernis: Die Stadt hat ihre Finanzzwänge maßgeblich selbst verschuldet!
Wie sagte Potsdams Baudezernent, Herr Rubelt, kürzlich in einem Interview:
„Die Stadt steht – auch laut den statistischen Daten – auf einem dünnen wirtschaftlichen Fundament.“ … „Ich will Potsdam zu einem starken Wirtschaftsstandort machen.“
Im Klartext: Wirtschafts-und Infrastrukturpolitik waren und sind chronische Schwachpunkte städtischen Handelns. Doch das wussten wir schon lange.
Hier überlagern sich die Folgen schwerer Versäumnisse der Vergangenheit mit massiven subjektiven Aversionen strukturkonservativer städtischer Machtpolitiker.
Verbohrt wird ein Überdenken ihrer Positionen abgelehnt.
Aktuelle Expertisen zum Erhalt des Minsk,
wie der offene Brief „Eine Perspektive für das Minsk” an die Stadtverordneten der Stadt Potsdam, die Stadtverwaltung und städtischen Tochtergesellschaften – verfasst von 35 ausgewiesenen hochrangigen Sachverständigen,
passen eben nicht in ihre starren Denkmuster!
Mein Frust aber steigt und steigt und steigt!
Und doch: Die Hoffnung stirbt zuletzt!