Tschüss Jann Jakobs – kein „Auf Wiedersehen!“

Von Andrzej Krajnik

Der Wahlkampf ist vorbei. Potsdam hat einen neuen Oberbürgermeister. Wer erinnert sich da nicht gerne an die letzte Oberbürgermeisterwahl vor acht Jahren zurück? Als der „demokratische Parteienblock“, der diese Stadt regiert, noch geschlossen den amtierenden Oberbürgermeister bei der Wiederwahl unterstützte. Als der „Blickpunkt“ (eine Art Verpackung für die Werbung am Wochenende, ohne journalistischen Wert) während der Wahl noch wöchentlich ein Bild des Kandidaten auf der Titelseite hatte. Unabhängig und investigativ! Und als in aller Eile kreuzgefährliche Fahrradspuren an engen Straßen abgestrichelt wurden, um hier vor der Wahl noch Zahlen präsentieren zu können.

Der Erfolg dieser massiven Bemühungen vor acht Jahren: Die erfolgreiche Wiederwahl Jann Jakobs mit einer Mehrheit von 122 Stimmen bei der Stichwahl. Das Verhältnis der Potsdamer zu ihrem Oberbürgermeister war schon damals offenbar abgekühlt. Was dann aber durchaus auch auf Gegenseitigkeit beruhte. Denn immer weniger ließ sich erkennen, daß die Belange der Einwohner der Stadt den Rathaus-Chef noch wirklich interessieren. Persönliche Präferenzen standen anscheinend über demokratischen Beschlüssen, es war eine Zeit der Männerfreundschaften und Parteibuch-Posten, eine abgehobene Politik trat immer deutlicher hervor. Zu wenig „oberster Diener“ aller Potsdamer im Sinne des Friedrich-Zitats, dafür „der Staat bin ich“ im Geiste des absoluten Sonnenkönigs. Potsdam als ein kleines Königreich, das sich in den Amtsstuben durchaus widerspiegeln konnte. Statt echter Potsdamer Lösungen wurde zu oft das Gefühl vermittelt, Jann Jakobs hätte auch jede andere Stadt exakt genauso regiert.

Die Erfolge sind entsprechend mager: Politisch verkauft man bereits die schöne Landschaft und die Folgen der Lage im Berliner Speckgürtel als eigene Verdienste. Lösungen zum Verkehrs-Chaos, beispielsweise entlang der Wetzlarer Bahn, wurden nie gesucht. Schulen, Radwege, Nahverkehr, Bürgerverwaltung, Wohnraum, der Erhalt von Grünflächen oder gemeinsame Lösungen mit Nachbargemeinden… überall ächzt es im Gebälk. Die Künstler werden mit Provisorien abgespeist, selbst etablierte Feste fallen aus, politischer Widerspruch wird kriminalisiert, Bürgerbeteiligung immer noch sehr klein geschrieben.

Dafür hat man aber viele städtische Grundstücke verkauft, um bei völligem Verlust von langfristigem Einfluß wenigstens kurzfristig die so bitter benötigten Renditeobjekte errichten zu können. Wobei sich in Hinterzimmern vor allem das monotone würfelartige Haus und einige die Stadtstruktur sprengende Großbauten aus der Ära Jakobs als der neue Potsdamer Baustil durchgesetzt haben. Manch erhaltenswerte Architektur wurde aus dem Stadtbild getilgt – aber ist der heutige Ersatz noch lange zukunftsfähig?

Sicherlich gab es unter Jann Jakobs auch gute Ansätze hin zur Stadtgesellschaft, wie den Bürgerhaushalt. Mitarbeiter der Stadtverwaltung haben sich hier mit viel persönlichem Engagement eingesetzt, um die Beteiligung der Bürgerschaft zu erhöhen. Doch welchen Wert hat das, wenn der Bürgerhaushalt nur appellativen Charakter hat? Hätte der Oberbürgermeister nicht auch seit zwölf Jahren jährlich Anregungen von den Ehrenamtstagen mitnehmen können? Immerhin haben ja alle Preisträger und alle Nominierten mit ihrem Engagement sehr deutlich gezeigt, an welcher Stelle offenbar weiterer politischer Handlungsbedarf besteht. Statt dessen: Händedruck, Applaus, Abfahrt. Ja, er wußte von den Problemen. Aber hat es ihn wirklich beschäftigt?

Daß dieser Oberbürgermeister nun diese in seiner Amtszeit aufgestauten Probleme durch andere lösen läßt und nicht mehr selbst antritt, verdient immerhin Respekt. Er macht den Weg frei. Und mit dieser Wahl ist alles anders. So recht mochte sich nicht mal der Kandidat aus der kommunalen Regierungspartei während des Wahlkampfes auf die Leistungen seines Parteigenossen berufen. Und auch der Blickpunkt zeigte nur noch Wahlsonntag selbst das Konterfei des scheidenden Oberbürgermeisters, verzichtete aber auf offene Parteinahme.

So oder so. Potsdam hat nun einen neuen Oberbürgermeister. Wird es ein Aufbruch sein? Wichtige Entscheidungen werden – hoffentlich – vorrangig vom Stadtparlament getroffen. Derer gibt es weiterhin viele. Es wäre aber schön, wenn nun der neue Bürgermeister sich nicht mehr gegen die Bevölkerung oder große Teile davon stellt. Wenn er als oberster Verwaltungs-Leiter auch die kleinen Könige an einigen Verwaltungsschreibtischen und in den kommunalen Unternehmen wieder auf demokratischen Kurs bringt. Schön wäre doch mal ein Amtsinhaber, der die Sorgen der Stadt ernst nimmt und dabei alle seine Bürger repräsentieren kann. Vermittelnd, aufgeschlossen und zu Kompromissen bereit. Zuletzt gelang das nicht mehr. Die Wahl ist gefallen, die Türen stehen offen. Gut, wenn jetzt endlich ein frischer Wind durch das Rathaus weht.

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