„Ein Großteil der Preissteigerungen hat nichts mit der realen Nachfrage nach Wohnraum zu tun.“

… Anlageobjekt Stadt: Ein Interview und „alte“ Beiträge in „Hallo Potsdam“

Im Tagesspiegel vom 16.10.2018 gab es ein bemerkenswertes Interview mit dem Architekten Markus Appenzeller zur Stadtentwicklung im Allgemeinen und zum Wohnungsmarkt als Anlageobjekt konkret.

Hier ein paar Zitate, die mensch sehr leicht auch auf Potsdam anwenden kann:

„Ein Großteil der Preissteigerungen hat nichts mit der realen Nachfrage nach Wohnraum zu tun.“

„Man baut komplett am realen Bedarf vorbei und schafft Wohnraum, der im Zweifel gar nicht als Wohnraum gedacht ist, sondern nur als Geldanlageobjekt.“

„Investoren ist es im Gegensatz zum klassischen Hauseigentümer relativ gleichgültig, welche lokalen Folgen ihr Handeln hat.“

Frage: „Wenn so viele Städte von diesen Gefahren bedroht sind, warum gibt es zwar internationale Immobilienmessen, aber keinen internationalen Städtegipfel?“ – oder anders: Warum gibt es in Potsdam keinen „Runden Tisch“ zur Wohnungspolitik, dafür aber jedes Jahr Präsentationen und Reisen zu großen Immobilienmessen?

„Je nach Modell wird eine Wohnung durch die Vermietung für Anleger sogar weniger wert. Einerseits, weil sie dann schwieriger zu verkaufen ist. …da gibt es keinerlei ökonomische Notwendigkeit, sie zu vermieten.“ – siehe Speicherstadt oder die Fakebauten in der neuen Mitte.

„Es besteht das Risiko, dass sich die Innenstädte dadurch komplett entleeren und nur noch Arbeitsplätze, Tourismus und Dienstleistungen übrig bleiben.“

„Viele Städte verkaufen Grund und Boden noch immer zum Höchstgebot – das ist ein weiterer Schlüsselfaktor für die Preissteigerung.“

Siehe auch: https://www.tagesspiegel.de/berlin/wohnungspolitik-berlin-muss-sich-wappnen-gegen-investoren/23189758.html

In Potsdam haben wir schon vor Jahren auf genau diese Entwicklung hingewiesen. In beiden Ausgaben der „Hallo Potsdam“ standen dazu konkrete Beiträge:

http://www.hallo-potsdam.org/stadtentwicklung/stadtumbau-und-kapitalismus/

Und aus der Hallo Potsdam / 2017: „Warum die Mieten steigen“

„Warum die Mieten steigen …

Oft klingt es immer wie ein Naturgesetz: Die Mieten steigen eben – auch und gerade in Potsdam. Die Mietpreisbremse wirkt nicht, der Mietenspiegel bietet aktuell eigentlich auch eher den Raum für Mieterhöhungen und die Stadt selbst hat sowieso keine eigenen Wohnungen mehr. Zwar werden immer mehr neue Wohnungen gebaut, aber auch das hilft bisher nicht viel.

Warum also steigen die Mieten?
Die in der Debatte am meisten genannten Argumente sind der ungebremste Zuzug in die Groß – und Universitätsstädte und die Versäumnisse im Wohnungsbau der letzten Jahrzehnte. Das wäre das klassische marktwirtschaftliche Argument. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis und das ist dann wirklich schon fast alternativlos.

Wir haben mal ein paar weniger genannte Gründe zusammengetragen, die gut auch für Potsdam gelten:

  • Wenn InvstorInnen heute Wohnungen bauen, dann geschieht dies in der Regel „im gehobenen Preissegment“, wie es in der Eigenwerbung dann so schön heißt. Man könne gar keine Wohnungen neu bauen, die dann unter 10 – 12 €/ m² Miete liegen, steht dann in der Zeitung. Fakt ist, viele dieser Wohnungen werden am sozialen Bedarf vorbei gebaut, gerade Potsdam bräuchte kleine, einfache Wohungen für junge Leute und StudentInnen und Mehrzimmer – Wohnungen für Familien mit Kindern. Statt dessen werden Lofts und Apperatemments angeboten – „im Luxussegment mit gehobener Ausstattung“.
  • Nicht selten sind dann vor der Baustelle große Schilder zu sehen, wo steht: „Hier bauen wir Ihr Anlageobjekt!“ Gerade in den Zeiten niedriger Zinsen sind Immobilien eine lukrative Anlage für freies Kapital. Solche Anlageobjekte werden oft mehrmals und immer wieder veräußert. In der Regel baut eine Immobilienfirma ein Objekt und verkauft es dann an einen Anlagefonds (oft auch aus anderen Staaten wie USA, Rußland, GB), der auf die Wertsteigerung der nächsten Jahre spekuliert und es dann weiterverkauft. Erst an dieser Stelle werden in der Regel die einzelnen Wohnungen als Eigentumswohnung und Wertanlage verkauft. Auch diese nutzen die neuen BesitzerInnen mehrheitlich nicht selbst und übergeben sie zur Vermietung und Verwaltung an einen Immobilienverwertungsfonds (Alt & Kelber zum Beispiel). Das Problem ist: In allen Teilen dieser Wertschöpfungskette wollen die Anteilseigner Gewinn abschöpfen. Dieser Gewinn muss aber erwirtschaftet werden – eben über hohe Mieten.
  • Sanierungen sind heute einer der Hauptgründe für erhebliche Mietsteigerungen. Die Ankündigung von Sanierungen sind oft gleichbedeutend mit der Ankündigung von höheren Mieten (wie gerade in der Heidesiedlung). Auch die Mietpreisbremse gilt hier nicht. Hauptgrund für diese Entwicklung ist, dass Immobilienfirmen das Instrument der sogenannten „zeitgemäßen und nachhaltigen Sanierung“ gern nutzen, um höhere Mieten durchzusetzen, was ohne diese Sanierung gesetzlich begrenzt ist. Die Bedürfnisse der MieterInnen spielen dabei oft keine Rolle wie aktuell bei der Sanierung am Brauhausberg zu beobachten. Statt dessen wird all das eingebaut und neugebaut, was wert – und mietsteigernd ist: Einbauküchen, Fußböden, neue Sanitärtrakte, Balkone und aufwendige Dämmsysteme. Subsanierungen, wie sie durchaus und im Einvernehmen mit den MieterInnen möglich wären, lehnen die meisten Firmen – auch die Pro Potsdam ab.
  • Deshalb ist ein Grundproblem der Stadt Potsdam, dass sie fast auschließlich auf InverstorInnen, große Immobilienfirmen und Wohnungsgesellschaften baut. Diese bauen das, was ihnen Gewinn, Wertsteigerungen und Einnahmen bringt, aber eben nicht das, was MieterInnen brauchen und bezahlen können. Am Ende können diese vielleicht noch über die Farbe der Fließen mitreden und sonst nehmen, was der Markt hergibt – egal, wie teuer der inzwischen ist.
  • Im Sommer 2017 haben in Städten wie Athen und Barcelona viele Menschen gegen den Massentourismus in ihren Städten protestiert. Das begründet sich darin, dass immer mehr TouristInnen in vor allem auf Tourismus ausgerichteten Städten natürlich zur Steigerung der Mieten beitragen – weil Wohnungen als Ferienquartiere umgewidmet werden, weil der Druck auf den Wohnungsmarkt verstärkt wird, weil viele TouristInnen gewachsene Strukturen in Quartieren zerstören. Auch Potsdam kennt diesen Trend. Schöne Schlösser, tolle Parks und auch der so gepriesene Wiederaufbau der barocken Mitte ziehen eben vor allem neue TouristInnen und sind weit weniger als Teil einer lebendigen Stadt der BürgerInnen gemeint.

Alle diese Gründe sind aber KEIN Naturgesetz, sie sind NICHT alternativlos. Eine Stadt wie Potsdam kann eine andere Immobilienpolitik machen – wenn sie es wollte.“

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