Ein wütender Kommentar zu einem üblichen „Beteiligungsverfahren“ in Potsdam.
Samstag war Vor – Ort- Termin …
Drinnen und Draußen
Zum Vor – Ort – Termin am Strandbad und Seesportclub Potsdam hatte sich die Stadtverwaltung noch einmal eine besondere Form der Kommunikation mit den Bürger*innen ausgedacht.
Zu der öffentlich beworbenen Veranstaltung wurden um 10.00 Uhr nur die Stadtverordneten, die Verwaltung und die Vertreter*innen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten auf das abgeschirmte Gelände gelassen. Die interessierte und kritische Öffentlichkeit sowie Bürger*innenintiativen durften danach ab 11.30 Uhr einen eigenen Besichtigungstermin wahrnehmen.
Die Situation kurz vor Zehn sah dann so aus: Drinnen die Stadtverordneten und die Stiftungsvertreter*innen, draußen die Bürger*innen (immerhin zum Samstag Vormittag rund 80 Menschen), dazwischen eine Polizeikette. Sehr kommunikativ. Nach dem ersten Termin durften die Stadtverordneten das Gelände dann übrigens auch durch einen zweiten, entfernten Ausgang verlassen, um ja zu verhindern, dass es doch noch kritische Debatten zum geplanten Flächentausch zwischen Stadt und Stiftung gibt.
Im Grunde war das Ganze nur ein weiterer negativer Höhepunkt, wie in Potsdam Bürgerbeteiligung verstanden wird: Erst wird was unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgehandelt, das dann den Stadtverordneten als alternativlos zur Abstimmung vorgelegt, die Menschen bei einer Veranstaltung über den Status quo informiert, alle Proteste ignoriert und ausgesessen und das Ganze dann als „Kompromiss“ bezeichnet und verabschiedet.
In Falle des hier
geplanten Projektes lässt sich diese Vorgehensweise leider mühelos
belegen. Mindestens seit 4 Jahren verhandeln die Stadtverwaltung und
die SPSG quasi hinter verschlossener Tür über den Flächentausch
und damit die Zukunft von Strandbad und Seesportclub. Was dann
rauskommt, wird den Stadtverordneten als alternativloser „Kompromiss“
vorgelegt. Da der Stiftung eigentlich das Gelände gehöre, könne
sie machen, was sie will, gut, dass es überhaupt diesen „Kompromiss“
gebe.
Nur noch mal zur Erinnerung: Wir reden von einer
öffentlichen Institution, die zu 100 % dem Bund und Bundesländern
gehört, an welche die Stadt Millionen an Zuschüssen pro Jahr zahlt
und in deren Stiftungsrat Minister und Staatssekretäre sitzen!
Wieso
sollten gewählte Abgeordnete auf eine solche Institution keinen
Einfluss haben?
Noch dazu, weil das, was uns da als „Kompromiss“ verkauft wird, alles ist, aber kein Kompromiss.
In gesellschaftlichen Debatten zu kontroversen Themen sind selbstverständlich immer Kompromisse notwendig: Indem mensch die verschiedenen Bedürfnisse und Positionen der betroffenen Menschen, Organisationen und gesellschaftlichen Bereiche verbindet, alle Interessen anhört und einbringt und daraus eine Lösung für alle entwickelt – das nennt man übrigens Politik.
Nix davon ist hier passiert.
Wo sind die Interessen einen wachsenden Stadt, die zwar an wunderschönen Seen liegt, wo aber fast überall Sport und Baden verboten sind – wenn das einzige innerstädtische Freibad massiv verkleinert werden soll? Wo ist ein Interessenausgleich, wenn 250 m historischer Parkweg schwerer wiegen als Freiräume, Sport und Erholung Tausender Potsdamer? Was ist angemessen daran, dafür 8 Mio. € ausgeben zu wollen, nutzbare Gebäude abzureißen, Bäume zu roden und Menschen zu vertreiben? Wie ernstgemeint sind alle Argumente, wenn vor allem die Jugendlichen im Seesportclub seit Wochen massiv unter Druck gesetzt werden, sich nicht mehr zu wehren – sonst würde alles noch schlimmer?!
Alle diese Argumente und noch viel mehr sind in den letzten 5 Monaten ausführlich benannt, erklärt und öffentlich gemacht worden. Inzwischen gibt es drei Bürger*inneninitiativen, eine Petition mit fast 2500 Unterschriften, Hunderten Kommentaren, immer wieder Proteste vor Ort.
Keine Chance.
Jetzt wird versucht, den unabänderlichen „Kompromiss“ so schnell wie möglich durchzudrücken. Vor – Ort – Termin, Hauptausschuss, Stadtverordnetenversammlung. Fertig.
Es könnte ja sein, dass irgendwem noch auffällt, das man in Coronakrisenzeiten 8 Mio. € auch für wichtigere Dinge ausgeben könnte als Parkwege und Gebäudeabrisse. Am einmal ausgehandelten Vertrag soll natürlich nix mehr geändert werden.
So war es in Potsdam schon immer.
„Demokratie ist nicht, wenn alle mitbestimmen können“ (Pressekommentar zum Abriss der Fachhochschule)
In dem Sinne war das heute ein typischer Potsdamer Beteiligungstermin: Wir zeigen Euch, was wir in jeden Fall beschließen werden. Ihr dürft gern unter Polizeischutz Eure Schilder hochhalten, aber ändern werdet Ihr nichts.
Wenn ihr Euch da mal nicht täuscht …
Holger Zschoge