von Oskar Werner
Am heutigen 13. August jährt sich der Geburtstag von Karl Liebknecht zum 150. mal. Bis heute schlägt ihm viel Verehrung oder Hass entgegen (zuletzt vom WELT-Redakteur Sven Felix Kellerhoff). Nach Karl Liebknecht sind mehr Straßen und Plätze in ganz Deutschland benannt als nach Helmut Kohl oder Konrad Adenauer. In Potsdam trägt das Stadion seinen Namen. In Wien eine Gasse. In Leverkusen eine Schule, um nur einige Beispiele zu nennen. Er war ein Andersdenkender in seiner Zeit und wurde Opfer der Antidemokraten. Eine kleine Würdigung an diesem 13. August.
Karl Liebknecht wurde am 13.08.1871 in Leipzig geboren. 1890 machte er an der Alten Nikolaischule in Leipzig sein Abitur und begann am 16. August 1890 an der Universität Leipzig Rechtswissenschaften und Kameralwissenschaften zu studieren.[0]
Im Januar 1912 zog er als einer der jüngsten SPD-Abgeordneten in den Reichstag ein.[1] Liebknecht gewann den „Kaiserwahlkreis“ Potsdam-Spandau-Osthavelland, der bis dahin eine sichere Domäne der Deutschkonservativen Partei gewesen war.[*] Im Reichstag trat er sofort als entschiedener Gegner einer Heeresvorlage auf, die dem Kaiser Steuermittel für die Heeres- und Flottenrüstung bewilligen sollte. Er konnte außerdem nachweisen, dass die Firma Krupp durch die Bestechung von Mitarbeitern des Kriegsministeriums unerlaubterweise an wirtschaftlich relevante Informationen gekommen war (sogenannter Kornwalzer-Skandal).[2]
Am 4. August 1914 stimmte er als einziger Abgeordneter des Reichstags gegen die Bewilligung der Kriegskredite und setzte damit ein Zeichen gegen die anhebende Katastrophe zweier Weltkriege. Das war kein zur Schau gestellter Pazifismus, sondern das konsequente Ergebnis, seiner in den Jahren zuvor gesammelten Erfahrungen und Überzeugungen. Es war ein klares Votum gegen Nationalismus und Krieg. Er machte das Versagen der bürgerlichen Parteien deutlich, weshalb sie ihn bis heute diskreditieren.
Schon 1907 veröffentlichte er die Schrift „Militarismus und Antimilitarismus“,[3] für die er noch im selben Jahr, wegen Hochverrat verurteilt wurde. In dieser Schrift führte er aus, der äußere Militarismus brauche gegenüber dem äußeren Feind chauvinistische Verbohrtheit und der innere Militarismus benötige gegen den inneren Feind Unverständnis bzw. Hass gegenüber jeder fortschrittlichen Bewegung. Der Militarismus brauche außerdem den Stumpfsinn der Menschen, damit er die Masse wie eine Herde Vieh treiben könne.[4] Seine Selbstverteidigung im Hochverratsprozess brachte ihm große Popularität bei den Berliner Arbeitern ein. Obwohl er 1908 noch nicht aus der Festung Glatz in Schlesien entlassen worden war, wurde er gewählt und Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses. Er gehörte zu den ersten acht Sozialdemokraten, die trotz des Dreiklassenwahlrechts Mitglied im Preußischen Landtag wurden.
Doch die Sozialdemokratie enttäuschte ihn endgültig am bereits erwähnten 4. August 1914. Als der Reichstag am 1. August, dem Tag der Verkündung der Mobilmachung und der Kriegserklärung an Russland, zum 4. August zusammengerufen wurde, stand für Liebknecht noch außer Frage, dass „die Ablehnung der Kriegskredite für die Mehrheit der Reichstagsfraktion selbstverständlich und zweifellos sei.“[5] Am Nachmittag des 4. August stimmte jedoch die sozialdemokratische Fraktion geschlossen (bis auf Liebknecht) für die Bewilligung der Kriegskredite, die der Regierung die vorläufige Finanzierung der Kriegführung ermöglichten.
In weitere große Konflikte mit der SPD geriet Liebknecht, als er Anfang September 1914 Belgien bereiste und sich dort mit einheimischen Sozialisten traf, um sich über die von deutschen Militärs angeordneten Massenrepressalien informieren zu lassen. Liebknecht wurde daraufhin in der Presse – auch der sozialdemokratischen – des „Vaterlandsverrats“ und „Parteiverrats“ bezichtigt und musste sich am 2. Oktober vor dem Parteivorstand rechtfertigen.[6]
Er war danach umso mehr entschlossen, bei der nächsten einschlägigen Abstimmung gegen die neue Kreditvorlage zu votieren und diese demonstrative Stellungnahme gegen die „Einigkeitsphrasen-Hochflut“[7] zur Grundlage einer Sammlung der Kriegsgegner zu machen. Im Vorfeld dieser Sitzung, zu der der Reichstag am 2. Dezember 1914 zusammentrat, versuchte er in stundenlangen Gesprächen auch andere oppositionelle Abgeordnete für diese Haltung zu gewinnen, scheiterte aber.
1915 war es vor allem Karl Liebknecht der neben Eduard Bernstein und dem katholischen Reichstagsabgeordneten Matthias Erzberger vom Zentrum, öffentlich die massiven Menschenrechtsverletzungen der türkisch-osmanischen Verbündeten im Nahen Osten anprangerte, insbesondere den Völkermord an den Armeniern und das brutale Vorgehen gegen weitere nicht-türkische Minderheiten, insbesondere in Syrien und dem Libanon.
Zur „Osterkonferenz der Jugend“ 1916 sprach Liebknecht in Jena vor Jugendlichen zum Antimilitarismus und zur Änderung der gesellschaftlichen Zustände in Deutschland. Am 1. Mai 1916 trat er als Führer einer Antikriegsdemonstration, die von Polizei umzingelt war, auf dem Potsdamer Platz in Berlin auf. Er ergriff das Wort mit den Worten „Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!“. Danach wurde er verhaftet und wegen Hochverrats angeklagt.
Am 23. August 1916 wurde Liebknecht zu vier Jahren und einem Monat Zuchthaus verurteilt,[8] die er von Mitte November 1916 bis zu seiner Amnestierung und Freilassung am 23. Oktober 1918 im brandenburgischen Luckau ableistete.[9] In Liebknechts Haftzeit fiel die Spaltung der SPD und die Gründung der USPD im April 1917.
Während der Novemberrevolution rief Liebknecht am 9. November 1918 vom Berliner Schloss die „freie sozialistische Republik Deutschland“ aus. Am 11. November gründete er gemeinsam mit Rosa Luxemburg, Leo Jogiches, Ernst Meyer, Wilhelm Pieck, Hugo Eberlein und anderen die Gruppe Internationale neu als Spartakusbund. Im Dezember wurde sein Konzept einer Räterepublik von der Mehrheit im Reichsrätekongress abgelehnt. Zum Jahreswechsel 1918/19 war Liebknecht einer der Gründer der Kommunistischen Partei Deutschlands. Kurz nach der Niederschlagung des Berliner Januaraufstands wurden er und Luxemburg von Angehörigen der Garde-Kavallerie-Schützen-Division nach Rücksprache mit Gustav Noske erschossen. Auch dabei bestand eine Verbindung ins reaktionäre Potsdam des untergegangenen Kaiserreiches.
Als Mörder und Drahtzieher von Karl Liebknecht anzusehen sind die Offiziere Horst von Pflugk-Harttung, Heinrich Stiege, Ulrich von Ritgen und Rudolf Liepmann. Darüber hinaus beteiligt waren die Offiziere Heinz von Pflugk-Harttung, Bruno Schulze und der Soldat Clemens Friedrich.[10] Ein ziviler Mordprozess gegen die Mörder Liebknechts und Luxemburgs fand nie statt.
In Leipzig hat anlässlich des Jubiläums eine Liebknecht-Ausstellung seine Tore geöffnet. Mehr dazu unter: Held oder Hassfigur? – Der Leipziger Liebknecht – Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (stadtgeschichtliches-museum-leipzig.de)
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[0] https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Liebknecht
[1] Karl Liebknecht in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
[*] Sein Gegenkandidat war der Oberbürgermeister Potsdams Kurt Vosberg. Liebknecht lag in der Hauptwahl deutlich vor Vosberg und er gewannt auch die anschließende Stichwahl. siehe auch https-www.maz-online.de-Lokales-Potsdam-Potsdams-Oberbuergermeister-seit-1821-Teil-4-Kurt-Vosberg
[2] Siehe Frank Bösch: „Krupps ‚Kornwalzer‘. Formen und Wahrnehmung von Korruption im Kaiserreich.“ In: Historische Zeitschrift 281, München 2005, S. 337–379.
[3] Karl Liebknecht: Militarismus und Antimilitarismus. Unter besonderer Berücksichtigung der internationalen Jugendbewegung. Leipziger Buchdruckerei, Leipzig 1907. Vgl. dazu Horst Syrbe: Zur nationalen Bedeutung von Karl Liebknechts Schrift „Militarismus und Antimilitarismus“. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Band 3, Diez, Berlin 1961, S. 573–592. Nachdruck als: Karl Liebknecht: Rekrutenabschied. Militarismus und Antimilitarismus unter besonderer Berücksichtigung der internationalen Jugendbewegung. Weltkreis-Verlags-GmbH, Dortmund 1971.
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Liebknecht
[5] Zitiert nach Annelies Laschitza, Elke Keller (Hrsg.): Karl Liebknecht. Eine Biographie in Dokumenten. Berlin 1982, S. 214.
[6] Siehe Laschitza, Die Liebknechts, S. 242 ff.
[7] Zitiert nach Laschitza, Keller, Karl Liebknecht, S. 219.
[8] Oberkriegsgericht des Gouvernements Berlin, 23. August 1916; Reichsmilitärgericht, 4. November 1916
[9] Ernst Stock, Karl Walcher: Jacob Walcher (1887 – 1970) : Gewerkschafter und Revolutionär zwischen Berlin, Paris und New York. Trafo-Verl. Weist, Berlin 1998, S. 193, ISBN 3-89626-144-4.
[10] Thomas Menzel: Die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. In: https://www.bundesarchiv.de/. Bundesarchiv, abgerufen am 26. Februar 2020.
Der Mörder Waldemar Pabst war ein Generalstabsoffizier. Im Generalstab dürfte Pabst auch Hindenburg und Ludendorff kennen gelernt haben. Den Rest kann man sich ja denken.