Wir dokuementieren: Aufruf des Bündnisses „Gemeinsam für ein solidarisches Potsdam“!
Neues Jahr – neue Schwurbelei… Gegenprotest darf nicht fehlen: Wir machen eine eigene Demo!
Los geht‘ s am Montag, 03.01.22 um 16:30 Uhr Vorplatz Brandenburger Tor!
Am letzten Montag haben wir den Impfgegner*innen und Coronaleugner*innen in Potsdam nicht die Straßen überlassen! 500 Antifaschist*innen und Menschen aus der ganzen Stadtgesellschaft haben lautstark protestiert und eine Schwurbel – Demo in der Innenstadt erfolgreich blockiert.
Damit bekam Potsdam eine überregionale Bedeutung in den Nachrichten. Während es in vielen Städten zu immer mehr und oft auch gewalttätigeren Protesten von Schwurbler*innen kommt, zeigt unsere Stadtgesellschaft, dass es auch anders geht!
Deshalb werden wir weiter machen. In einer gemeinsamen Onlinekonferenz haben die 20 im Bündnis „Gemeinsam für ein solidarisches Potsdam“ zusammengeschlossenen Initiativen entschieden, sich den rechtsoffenen Schwurbel – Demos auch am nächsten Montag entgegen zu stellen.
Natürlich gibt auch bei uns Diskussionen und Fragen dazu, wer eigentlich die Leute in Potsdam sind, denen ihre individuelle, egoistische Freiheit wichtiger ist als die Gesundheit und das Überleben ihrer Mitmenschen.
Wir wissen von der Teilnahme von Coronaleugner*innen, Verschwörungserzähler*innen, AfD und Nazis – im Netz und auf der Straße. Es gab mindestens drei Angriffe auf Menschen aus unseren Zusammenhängen, eine Frau musste verletzt im Krankenhaus behandelt werden.
Natürlich wissen wir auch, dass hier Menschen dabei sind, die von einer wissenschaftlich nicht begründbaren Angst vor einer Impfung auf die Straße getrieben werden. Gerade für die gilt aber: Demonstriert nicht mit Nazis und antisemitisch motivierten Verschwörungserzähler*innen!
Unser Widerstand richtet sich gegen eine Bewegung, die zunehmend die Demokratie bedroht, deren ideologische Basis immer stärker rechte Narrative enthält und die das gesellschaftliche Klima zerstört.
Unsere Kritik richtet sich auch gegen eine Coronapolitik, welche Konzerne schützt und die Lasten der Pandemie den Menschen aufbürdet. Wir fordern eine Gesundheitspolitik, welche den Beschäftigten in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen eine gesicherte finanzielle Perspektive gibt und den vorhandenen Impfstoff gerecht in der ganzen Welt verteilt.
Dies werden wir am Montag, den 3. Januar 2022 wieder auf die Straße tragen.
Wir rufen auf, ab 16:30 Uhr zu einer gemeinsamen Demonstration zu kommen. Sie startet am Brandenburger Tor und wird durch die Innenstadt zum Nauener Tor führen. Damit blockieren wir die Innenstadt für die Coronaleugner*innen und werden sie nicht laufen lassen.
Bitte organisiert Euch auch bei dieser Aktionsform in Kleingruppen, seid mobil, tragt Masken und haltet Abstand.
Achtung: Auch in den nächsten Tagen gibt es angekündigte Aktionen der Impfgegner*innen und Coronaleugner*innen:
30.12.2021: 19 Uhr vor dem Rathaus als Jahresabschlussspaziergang – hier hat die Stadt Potsdam und das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ Protest angemeldet.
31.12.2021: 19 Uhr vor dem Landtag
08.01.2022: 15 Uhr Demo ab Platz der Einheit (von Berliner*innen organisiert)
Unterstützer*innen:
Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“
Patient*innen gegen kapitalistische Leidkultur
Landesverband AndersARTiG
la datscha
Linke Potsdam
Netzwerk „Stadt für alle“
GEW Studis
Utopia e.V. Zeppelinstraße 26
Neue Farben e.V. Charlottenstraße 28
Die Partei Potsdam
VVN-BdA Potsdam
SJ – Die Falken Brandenburg
Seebrücke Potsdam
Polar Potsdam
Treffpunkt Freizeit
Emanzipatorische Antifa Potsdam / EAP
Wählergruppe DIE aNDERE
Solid Potsdam
Archiv Potsdam
Jusos Potsdam
Liebes Bündnis,
ich habe eine ernstgemeinte Frage:
Als eher linker Mensch, der wissenschaftlich begründbare Einwände gegen die Impfpflicht gegen Corona hat – welche Form, meinen Protest öffentlich zu äußern, könnte ich denn wählen?
Gibt es Linke, die sich gegen die Impfpflicht aussprechen, und denen ich mich anschließen kann?
Falls das möglich ist, vielen Dank für einen Hinweis auf dieser Site!
Danke,
Lukas
Hallo Lukas,
Die Frage klingt tatsächlich ernstgemeint, deshalb wollen wir hier auch ernstgemeint und ein wenig ausführlicher antworten.
Zuerst: Was verstehst Du unter – Schublade auf – „linker Mensch“?
Wenn wir unsere Schubladen aufmachen, dann werden „links“ sehr konkrete Inhalte und Themen sichtbar. Dazu gehören Werte wie Gerechtigkeit, Gleichheit aller Menschen, Respekt, Demokratie und vor allem Solidarität. Deshalb engagieren sich die Menschen im Netzwerk „Stadt für alle“ für bezahlbare und soziale Mieten, gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn, kämpfen für kulturelle Freiräume und gegen Immobilienspekulation. Viele andere engagieren sich bei „Seebrücke“ für Geflüchtete und gegen die neuen Mauern um Europa, wo täglich Menschen sterben. Junge Leute von „Fridays for future“ kämpfen für Klimagerechtigkeit, andere Aktivist*innen wollen den Wiederaufbau einer Militärkirche in Potsdam verhindern.
All diese Themen sind gerade völlig aus dem öffentlichen Bewusstsein geraten – weil die individuelle Frage nach einem Piks in den Oberarm alles dominiert. Dabei schreitet die Zerstörung unserer natürlich Lebensgrundlagen immer mehr voran, wird die Schere zwischen dem reichen Norden und einem abgehängten globalen Süden immer größer, haben viele Millionen Menschen immer weniger zum Leben, während wenige immer reicher werden. Diese Kluft hat sich gerade in der Coronapandemie noch einmal vergrößert – und das ist keine Verschwörung, sondern die Folge kapitalistischer Verwertungs – und Profitorientierung.
Unter diesen Bedingungen bewerten wir die aktuelle gesellschaftliche Debatte um das Impfen und eine möglich Impfpflicht grundsätzlich anders. Hunderten Millionen Menschen im globalen Süden stellt sich nämlich eine solche Wohlstandsfrage gar nicht. Sie haben schlicht gar keinen Impfstoff zur Verfügung, hier sterben viele Menschen immer noch an Krankheiten, die wir längst ausgerottet haben – unter anderem durch das Impfen.
Eine entscheidende Aussage von Dir lautet, dass es „wissenschaftlich begründbare Einwände gegen die Impfpflicht gegen Corona“ gibt.
Das verstehen wir nicht.
Eine mögliche Impfpflicht ist eine politische Entscheidung, die weniger darauf beruht, dass sie von der Wissenschaft als notwendig erachtet wird, sondern deshalb diskutiert wird, weil sich in weiten Teilen Deutschlands so wenige Menschen Impfen lassen. Die Frage einer Impfpflicht aber stellt sich in vielen anderen Ländern – vor allem Europas – gar nicht. In Portugal, Spanien, Italien, Dänemark u.s.w. haben sich viel mehr Menschen freiwillig impfen lassen – auch in Kuba, Chile oder Singapur.
Und was sollten wir tun, wenn sich Menschen, die täglich ganz nah mit besonders gefährdeten Gruppen wie Alten und Kranken arbeiten, strikt weigern, diese durch eine eigene Impfung zu schützen? Zugegeben, es ist eine kleine Gruppe – die aber ihre eigene egoistische Freiheit über das Leben anderer Menschen stellt – daran ist nix, aber auch gar nichts „links“
Also geht es bei Deinen „wissenschaftlichen begründbaren Einwänden“ gar nicht um die Impfpflicht, sondern ums Impfen selbst?
Auch das verstehen wir nicht.
Wenn wir mal über unseren deutschen Tellerrand hinausschauen, dann sehen wir, dass inzwischen weit über 9 Mrd. Impfdosen gegen Corona verabreicht wurden. In allen Ländern arbeiten Zigtausende Wissenschaftler*innen an diesem Impfstoff, haben hunderte Studien zu möglichen Wirkungen und Nebenwirkungen gemacht und veröffentlicht. Alle möglichen Wirkungen wurden untersucht, Positive wie Negative – der Nutzen von Impfstoffen ist wissenschaftlich nachweisbar, weltweit. Entgegen anderer Wahrnehmungen wird an dem sogenannten MRNA – Impfstoff bereits seit 2002 geforscht – wegen des erstmaligen Auftretens eines SARS – Virus in Asien. Dass es davon nun immer neue Varianten und Mutationen gibt ist wieder keine Verschwörung, sondern das Ergebnis unseres Umgang mit Tieren in natürlichen Lebensräumen und der Problematik, dass wir Patente zum Impfstoff nicht freigeben, so dass sich der Virus in vielen Ländern des globalen Südens ungehindert verbreiten und verändern kann.
Die Begründungen gegen das Impfen, welche wir hören haben hingegen höchst selten eine wissenschaftliche Grundlage. Es geht entweder um sehr individuelle und persönliche Entscheidungen oder sie haben eine gefährliche Nähe zu Verschwörungserzählungen. Beides hat aus unserer Sicht wieder nichts mit einem „links“ sein zu tun, denn das die eigene individuelle Freiheit über die gesellschaftliche Verantwortung gestellt wird, entspricht eher einem neoliberalen Verständnis von grenzenloser Freiheit – vor allem des Marktes und des Kapitals. Es ist die Einstellung, welche uns der moderne Kapitalismus seit Jahren eintrichtert – da haben Viele hier in Deutschland leider zu gut gelernt.
Und zu Verschwörungserzählungen – die wir hier auch in den Kommentaren hatten – sie sprachen von „imperialen Verwerfungen“ und „ Experimenten an Menschen“ wollen wir hier gar nicht viel schreiben. Sie haben oft einen – bewusst oder unbewusst – antisemitischen Grundklang und sie lenken ab – auch bewusst oder unbewusst – von der dringend notwendigen Kritik an der kapitalistischen Verwertungslogik insgesamt. Die ist leider keine Verschwörung, sondern für viele Menschen bittere Realität. Dazu sollten wir vielleicht mal wieder mehr Marx lesen, statt Jepsen, Schiffman oder Elsässer.
Zuletzt ist es uns noch ganz wichtig, deutlich zu machen, dass wir natürlich NICHT die Verteidiger der Coronapolitik dieser Regierung sind!
Für uns macht es ganz viel Sinn, der Wissenschaft zu vertrauen – aber nicht der staatlichen Coronapolitik. Natürlich beurteilen auch wir viele Coronamaßnahmen der letzten 2 Jahre sehr kritisch. Dies bezieht sich vor allem wieder auf unsere politische Einschätzung. Die Coronapolitik in Deutschland hat vor allem die kapitalistische Wirtschaft und hier die Großunternehmen geschützt. Für Schlachthöfe, Callcenter oder Großraumbüros gab es so gut wie keine Einschränkungen, während die Menschen zeitweise nicht einmal auf einer Parkbank sitzen durften oder sich draußen treffen. Konzerne wie Lufthansa oder TUI erhielten schnell Milliardenhilfen, während kleine Selbständige und Kreative am ausgestreckten Arm verhungerten. Die angeblich alternativlose Schließung von Kultur, die Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen der jungen Menschen – die Reihe ließe sich problemlos fortsetzen. Bereits Mitte letzten Jahres organisierten deshalb die „Patient*innen gegen kapitalistische Leidkultur“ – die Teil unseres Bündnisses sind – eine Demonstration in Potsdam mit eben dieser Kritik an der Coronapolitik. Das Bürgerbegehren für eine faire Bezahlung der Beschäftigten haben wir unterstützt und zum Erfolg gemacht, weil gerade die Menschen, welche in der Pandemie am meisten geleistet haben eine besondere Würdigung ihrer Arbeit brauchen.
All diese Kritik haben wir aber bei den aktuellen „Coronaprotesten“ nicht gehört.
Stattdessen verbündet man sich mit Nazis und Rechtsextremist*innen – für das kleine bisschen individuelle Freiheit, über den Piks im Oberarm selbst zu entscheiden.
Tja, was tun, war Deine abschließende Frage.
Auf keinen Fall mit Nazis und AFD gemeinsame Sache machen.
Der Wissenschaft vertrauen – nicht dem Staat – und sich vielleicht doch freiwillig Impfen lassen.
Warum nicht: Impfpflicht diskutieren, das passiert ja gerade in der ganzen Gesellschaft. Da haben Parteien unterschiedliche Positionen, da gibt es Petitionen, werden Leserbriefe geschrieben – das kannst Du alles tun – aber nicht mit Nazis und Verschwörungserzähler*innen auf die Straße gehen.
Da wirst Du in Potsdam auf uns treffen – auf unsere Kritik an der staatlichen Coronapolitik und unseren Widerstand gegen Nazis, AFD und Verschwörungsideolog*innen und Egoist*innen.