Wir dokumentieren die Presseerklärung des Netzwerkes „Stadt für alle“
Die Verwunderung der digital Anwesenden am Anfang der Sitzung war groß, als über ¾ der Teilnehmenden im Chatroom weder über Mikrofon, Kamera oder Chatfunktion verfügen konnten. Eine Moderatorin eines der beiden Projektberatungsfirmen der LHP, die den Entstehungsprozess organisieren, klärte aber schnell auf: Das war Absicht. Um die 60 Personen, die es geschafft hatten, sich einzuwählen – das war die teilnehmende Öffentlichkeit – konnten an der Auftaktveranstaltung lediglich als „Gäste“ bzw. „Zuschauer“ (Originalton der Moderation) teilnehmen und den Vorträgen aus der Stadtpolitik lauschen. Halt: sie wurden auch zu einer Umfrage zu ihren Wohnverhältnissen befragt und durften über die Frage-Antwort-Funktion Fragen für die Arbeit der exklusiven Expertenrunde posten. Missliebige Bemerkungen verschwanden aus dem Verlauf und nach und nach auch ein Gutteil der kritischen Gäste aus der Veranstaltung.
Am Ende haben Herr Schubert, Frau Meier und Herr Rubelt in einer virtuellen Podiumsdiskussion ernsthaft mit sich selbst diskutiert – ohne kritische Nachfragen, ohne Widerspruch.
Wohnungspolitisch Aktive aus dem Netzwerk „Stadt für alle“ hatten in den letzten Jahren schon einige schlechte Erfahrungen in diversen Werkstatt – und Beteiligungsverfahren oder Forschungsprojekten gesammelt und immer wieder Kritik an den Praktiken der Landeshauptstadt Potsdam und am bisherigen Wohnungspolitischen Konzept aus dem Jahr 2015 formuliert.
Die Hoffnung, diese Kritik aus der Stadtgesellschaft beim neuen Wohnungspolitischen Konzept einbringen und bei einem besseren Konzept mitwirken zu können, scheint sich nach dieser Auftaktveranstaltung als unbegründet zu erweisen.
Wir halten das aktuelle Format im Sinne einer Beteiligung der Öffentlichkeit für eine absolute Farce.
Keine unserer Fragen und Vorschläge haben bisher Eingang in die Planung gefunden und mit einigen der eingeladenen Akteure sehen wir keine Gesprächsbasis für gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik. Die Sitzungen des Begleitkreises sind generell nicht öffentlich, zwei der vier öffentlichen Termine sind digital und generell nur angemeldete Gäste zugelassen. In der dritten Instanz, dem „Inneren Expertenkreis“ werden zehn Potsdamerinnen als „Dialog-Botinnen“ redeberechtigt sein, der Rest sind zuhörende Gäste – ähnlich wie die „Öffentlichkeit“ bei der heutigen Auftaktveranstaltung.
Unter diesen Bedingungen wird sich das Netzwerk „Stadt für alle“, das eigentlich als kritische Zivilgesellschaft mit eingeladen war, zeitnah über seine weitere Beteiligung an diesem Prozess verständigen und seinen Verbleib im Begleitkreis in Frage stellen. „Wir haben schon so viele Papiere für die Schublade erstellt – dieses Wohnungspolitische Konzept wird so mit Sicherheit das nächste“ so Holger Zschoge, ein Sprecher des Netzwerks.
Schlimm, denn gerade das Thema brennt hier in Potsdam.
Netzwerk „Stadt für alle“ Potsdam
Holger Zschoge/ 0172 3940583
In einem aufwendig, in den Jahren 2011/2012 geführten Prozess zur Bürgerbeteiligung hat die Stadtgesellschaft die „Grundsätze der Bürgerbeteiligung“ in Potsdam erarbeitet. Die Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt hat diese beschlossen.
In der Präambel zu den Grundsätzen der Bürgerbeteiligung heißt es:
„Ein in vielen Gesprächsrunden wiederkehrendes Thema waren die Grundsätze der Bürgerbeteiligung und welche Voraussetzungen eigentlich gegeben sein müssen, damit Mitbestimmung auf Augenhöhe für alle Beteiligten ermöglicht wird. Dabei wurde auch das Ziel formuliert, ein ‚Bewusstsein‘ für die eigene Stadt zu entwickeln und das Bild des ‚Aktiven Bürgers‘ zu fördern. Bürgerbeteiligung beginnt im direkten Umfeld eines jeden Einwohners, deshalb sollte die Beteiligungskultur auch aktiv in den Stadtteilen gefördert und entwickelt werden. Dabei sind gegenseitiges Vertrauen, eine klare, eindeutige und verständliche Kommunikation und transparente Entscheidungsprozesse die Grundlagen, um die Diskrepanz zwischen Stadtverwaltung, Bürgerschaft und Stadtpolitik abzubauen. Dabei wurde auch auf die Gemeinsamkeiten und teilweise gleichen Zielsetzungen von Bürgerschaft, Stadtpolitik und Stadtverwaltung hingewiesen und gefordert, die Bürger/innen stärker als die ‚Experten vor Ort‘ einzubeziehen. Eine weitere Unterscheidung ist zwischen aktiver und passiver Bürgerbeteiligung zu treffen. Dabei wurde auf die unterschiedliche Bedeutung und Herangehensweise bei der Bürgerbeteiligung von unten (bottom‐up), z.B. durch Bürgerinitiativen und Vereine, und die Bürgerbeteiligung von oben (top‐down) durch
die Verwaltung, z.B. durch Bürgerbefragungen, Werkstattverfahren und andere Instrumente, hingewiesen.“
Die Grundsätze der Bürgerbeteiligung in Potsdam sind hier nachzulesen:
https://buergerbeteiligung.potsdam.de/kategorie/die-grundsaetze-der-buergerbeteiligung-potsdam
Der Oberbügermeister als Schirmherr des „Wohnungspolitischen Konzepts“ hat sich bei dessen Erarbeitung von diesen nach wie vor rechtsverbindlichen Grundsätzen entfernt. Das schadet dem Mitwirkungsinteresse der Stadtgesellschaft, es schadet dem demokratisch geführten Meinungsbildungsprozess.