Kaiser Wilhelm – Nein Danke

„Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wieder haben“ ist nicht nur ein Gassenhauer aus der Zeit um 1918, sondern auch Wunschgedanke mancher Reichsbürger und Royalisten-Fans. Gerade jetzt, nachdem ein „ungewähltes“ Staatsoberhaupt (Charles III.) sogar im Bundestag sprechen durfte.

Sein Ursprung hat das Liedgut, welches allerdings dem Kaiser Wilhelm I. huldigt, im Fehrbelliner Reitermarsch, der auch Regimentsmarsch verschiedener Verbände der Bundeswehr ist.

Gegenteilig hat sich nun die Universität in Münster entschieden. Wie zahlreiche Nicht-Potsdamer Zeitungen berichten (z.B. FAZ 05.04.2023), hat der Senat der Westfälischen Wilhelms-Universität  Münster sich mit deutlicher Mehrheit für die Umbenennung der Hochschule ausgesprochen.

Namensgeber Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) soll gestrichen werden. Dafür haben sich am Mittwoch 20 Senatsmitglieder ausgesprochen, wie die Uni nach der Sitzung mitteilte. Es gab eine Gegenstimme, zwei Senatsmitglieder nahmen nicht an der Sitzung teil. Damit ist die nötige Zweidrittelmehrheit in dem Gremium erreicht. Im Senat sind Vertreter aller Bereiche der Hochschule aus Forschung, Lehre, Studierenden, Verwaltung und Technik vertreten. Wenn das Land Nordrhein-Westfalen der Änderung der Grundordnung der Uni zustimmt, tritt die Namensänderung ab dem 1. Oktober in Kraft. Die Hochschule heißt dann Universität Münster.

„Die schlichte Bezeichnung Universität Münster steht für unser Profil: Sie ist eine Referenz an unsere erstmalige Gründung. Der Lehrbetrieb wurde 1773, also lange vor Wilhelm II. und der zeitweiligen Funktion als westfälischer Landesuniversität, aufgenommen. Zugleich positionieren wir uns als Hochschule, die gleichermaßen für die Region steht als auch in Deutschland, Europa und darüber hinaus wirkt“, sagte der Senatsvorsitzende Hinnerk Wißmann nach der Entscheidung laut Mitteilung.

Den Prozess für die Namensänderung angestoßen hatten Studierende im Jahr 2018. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Historikern hatte daraufhin 2020 eine Diskussionsgrundlage erarbeitet. Wilhelm II. wird demnach nach neuesten Forschungsergebnissen als „überaus militaristisch und nationalistisch, antislawisch und geradezu obsessiv antisemitisch“ angesehen. Er hatte von sich aus keinen Wert auf eine Verbindung zu der Hochschule in Münster gelegt. 1997 hatte der Senat eine Namensänderung noch abgelehnt.

„Die Universität hat sich auf beeindruckende Weise über mehrere Jahre intensiv mit ihrem Namensgeber beschäftigt. Das heutige Votum ist mit Blick auf die neuesten historischen Erkenntnisse konsequent und eindeutig“, sagte Rektor Johannes Wessels.

Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, begrüßte die Namensänderung. „Ich finde diese Entscheidung richtig. Die Rückkehr zum Namen Universität Münster ist ein klares Bekenntnis der Hochschule zu Weltoffenheit, Verständigung und Demokratie“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete aus Münster.

Was für eine Zeit. Die Klarheit mit dem Umgang des Preußenerbes wächst mit der Entfernung zu den alten Kultstätten. Ein Anfang.

Vor Kurzen zog unser „preußischer Sorgenprinz“ Georg Friedrich seine Klage auf Schadensersatz für die Enteignung von Immobilien und etwa 4000 Kunstgegenständen zurück, weil evtl. doch vor Gericht klar würde, dass sein Vorfahre, der Kronprinz dem Nationalsozialismus Vorschub geleistet hat.

Dieser Tage wurde eine goldene Krone und eine Fredericus-Rex-Kartusche auf das fälschlicher Weise als Stadtschloss bezeichnete Humboldt-Forum gesetzt. Genauer gesagt auf das Eosander-Portal, dem Haupteingang des Humboldt Forums. Zum neu angebrachten einfältigen, dreiteiligen Ensemble gehört auch ein Ordenskreuz. Ein weiterer Akt des goldenen, privat finanzierten Geschichtsrevisionismus an öffentlichen Gebäuden im Stammesgebiet der alten Preußen. Irgendwie passend zu einem Tag, an dem CDU und SPD ihren Entwurf eines Koalitionsvertrages vorlegen. „Vorwärts nimmer, rückwärts immer“.

Zu Jahresbeginn diskutierte das Land über die Umbenennung des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. Es soll einen neuen Namen bekommen. Aber auf die protestantisch-preußisch geprägte Brandenburger SPD ist Verlass. Sie hat für die Umbenennung kein Verständnis. Ebenso wenig wie die CDU und die AfD. 

„Wer unten dem Deckmantel, dass der Name zu lang sei, den Begriff ‚Preußen‘ ausmerzen möchte, besitzt kein differenziertes Geschichtsverständnis“, sagte der kulturpolitische Sprecher der Brandenburger SPD, Erik Stohn im Januar gegenüber dem Tagesspiegel. „Preußen steht nicht nur für Militarismus und verwirrte Prinzen, die Hitler zujubelten. Preußen ist und war identitätsstiftend für das Land Brandenburg.“ Nicht nur militaristisch, aber auch! Und dies nicht zu knapp Herr Stohn.

Der preußisch-deutsche Militarismus hat mehr als 60 Nationen auf drei Kontinenten überfallen. Mehr als 80 Völker haben darunter gelitten oder wurden teilweise nahezu ausgelöscht. Auch das ist Preußen! Wer nur die Reformen, einzelne Wirtschaftsedikte oder die Kartoffel hochhält, verdrängt die differenzierte Debatte zur Aufarbeitung der „brandenburgischen“ Vergangenheit, negiert neuste historische Forschungen und leistet rechten, geschichtsverherrlichenden Kräften Vorschub für identitätsstiftende Legendenbildung und goldene Ablenkung.

Aber vielleicht färbt nur die Kulisse, in dem der Landtag sitzt, langsam auf das Gedankengut der Politik ab. Das wäre un-souverän.  

image_pdfRunterladen als PDF

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert