Warum gibt es immer noch Verbote an Karfreitag?

Karfreitag zählt – wie auch Ostersonntag, Ostermontag oder Totensonntag – in Deutschland zu den sogenannten „stillen Feiertagen“. Der Karfreitag wird durch Feiertagsgesetze geschützt. Neun Feiertage sind bundeseinheitlich gesetzlich geschützt – dazu zählt unter anderem der Karfreitag. Was an Karfreitag konkret verboten ist, ist allerdings Sache der jeweiligen Bundesländer.

Die Religionsfreiheit (auch Weltanschauungsfreiheit) ist ein Grund- und Menschenrecht, das jedem Menschen erlaubt, die persönliche individuelle Glaubensüberzeugung in Form einer Religion oder Weltanschauung frei und öffentlich auszuüben. Dieses Recht beginnt in Deutschland mit der Religionsmündigkeit. Dies umfasst neben der Angehörigkeit zu einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft auch die kultische Handlung entsprechend ihrer normativen Lehre sowie ihre aktive Verbreitung. Insbesondere umfasst sie damit auch das Recht, keiner Religion anzugehören, nicht an einen Gott zu glauben (Atheismus) oder religiöse Annahmen prinzipiell als unentscheidbar zu bewerten (Agnostizismus).

Wo endet das Recht auf individuelle oder kollektive Glaubensausübung? Schließt die freie und öffentliche Ausübung einer Religion oder Weltanschauung die „Bevormundung“ Dritter ein? Scheinbar schon, trotz grundgesetzlicher Trennung von Kirche und Staat. Die Bundesländer, selbst das konfessionsarme Brandenburg, schreibt für Karfreitag Einschränkungen vor, obwohl Ende 2021 nur 3,7 plus 13,5 Prozent der Bevölkerung einer der beiden christlichen Kirchen angehörte. [0] Rund 80 Prozent der Brandenburger*innen sind konfessionslos. Die Re-Christianisierung, die sich Huber & Genossen auch mit dem Wiederaufbau der Garnisonkirche vorgenommen hatten, scheint nicht von Erfolg gekrönt zu sein. Ganz im Gegenteil, alle christlichen Kirchen verlieren an Zuspruch. 

An „Jom Kippur“, dem jüdischen Versöhnungstag gibt es kein Arbeitsfrei. Das islamische Opferfest, auchʿĪd al-Adhā genannt, ist das höchste islamische Fest und findet nicht mal eine Erwähnung in der Tageszeitung, geschweige denn in einem Feiertagsgesetz. Einen humanistischen Feiertag gibt es auch nicht. Toleranz und Gleichberechtigung geht anders.

Wir alle sind aufgerufen, die unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen zu dulden, ihre Ausübung zu ermöglichen. Doch keine dieser ideologischen Ansätze steht über dem anderen. Wir sollten die Gleichberechtigung von Religionen und Weltanschauungen umsetzen. Frei von staatlicher Vorfestlegung oder Beeinflussung. Dazu gehört auch die Abschaffung der Bevormundung durch christliche Rituale.

Warum kann beispielsweise eine humanistische Gesellschaft nicht an diesem kommenden Freitag in geschlossenen Räumen oder in öffentlichen Einrichtungen, abseits aller Gotteshuldigungen, die Würde des Menschen feiern? Immerhin ist die Menschenwürde ebenfalls vom Grundgesetz geschützt. Sie ist ein Wert, der allen Menschen gleichermaßen und unabhängig von ihren Unterscheidungsmerkmalen wie Herkunft, Geschlecht, Alter oder Status zugeschrieben wird. Wie kann sich eine christlich geprägte Gesellschaft im 21. Jahrhundert daran stören? Immerhin ist allen humanistischen Strömungen die optimistische Einschätzung der Fähigkeit der Menschheit gemein, zu einer besseren Existenzform zu finden. In Anbetracht der Klimakrise und zahlreichen Kriege eine wirklich optimistische Einschätzung.

Nach christlichem Glauben litt und starb Jesus Christus als „Gottesknecht“ und nahm im Kreuzestod freiwillig die Sünde und Schuld aller Menschen auf sich. Für alle Menschen gleichermaßen und er tat dies unabhängig von ihren Unterscheidungsmerkmalen wie Herkunft, Geschlecht, Alter oder Status. Ein Tag der Erniedrigung der Menschen, eine humanistische Geste oder ein Tag der Befreiung? Zumindest eine gute Geschichte, die die lutherische Kirche tausendsiebenhundert Jahre später zum Anlass nahm, in der Mark Brandenburg daraus einen Feiertag zu machen.

Wie klein muss die Zahl der organisierten Christen werden, bis das Feiertagsgesetz echte Gleichberechtigung bezüglich der Religions- und Weltanschauungsfreiheit ermöglicht und wir nicht nur eine Stadt für alle, sondern auch einen neutralen Staat für alle haben?

[0] https://www.kirchenaustritt.de/brandenburg#statistik

[1] Philipp Jacob Spener: Consilia et iudicia theologica. Band III, 1709, S. 759.

Die römisch-katholische Kirche in Deutschland ist eine der beiden großen christlichen Konfessionen in Deutschland. Sie ist in 27 Diözesen organisiert.

Ende 2021 gab die Deutsche Bischofskonferenz die Mitgliederzahl mit 21.645.875 an, was 26,0 % der Gesamtbevölkerung entspricht. Im Jahr 2016 waren 53 % der Katholiken weiblich, 47 % männlich. Im Jahr 2020 hatten 84 % der Katholiken in Deutschland allein die deutsche Staatsangehörigkeit, 16 % hatten daneben oder ausschließlich eine ausländische Staatsangehörigkeit. [2]

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist eine Gemeinschaft von 20 lutherischen, unierten und reformierten Kirchen in Deutschland.

Ende 2021 waren 19,725 Millionen Menschen oder 23,7 % der Gesamtbevölkerung Deutschlands Mitglied der evangelischen Landeskirchen. Im Vorjahr waren 20,236 Millionen Menschen oder 24,3 % der Gesamtbevölkerung Deutschlands Mitglied der evangelischen Landeskirchen. Die Zahl der Mitglieder der evangelischen Landeskirchen lag um etwa 1,9 Millionen unter derjenigen der römisch-katholischen Kirche in Deutschland. [3]

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Roemisch-katholische_Kirche_in_Deutschland

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Evangelische_Kirche_in_Deutschland

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