Guernica – Potsdam

Die baskische Kleinstadt Gernika wurde am 26.April 1937 zerstört. Viele kennen sicherlich das danach entstandene Bild von Picasso: Guernica. Speziell zu seinem 50. Todesjahr werden zahlreiche Werke gezeigt. Das Gemälde Les Demoiselles d’Avignon von 1907 ist sicherlich eines der wichtigsten Picasso-Werke. Die Friedenstaube von 1949 eines der allgegenwärtigsten. Doch was hat dies mit Potsdam und dem Heute zu tun? 

Der Luftangriff auf Guernica (baskisch Gernika) am 26. April 1937 durch Kampfflugzeuge der deutschen Legion Condor und der italienischen Legion Luftwaffe war eine völkerrechtswidrige Militäroperation während des Spanischen Bürgerkrieges im Baskenland. Es ging dem Hitler-Faschismus um den Schulterschluss mit den faschistischen Franco-Regime, welches die spanische Republik per Putsch 1936 zerstörte. Der Luftangriff hatte keine militärische Notwendigkeit, sondern diese politisch-strategische Bedeutung. Und er hatte eine technische Komponente. Die Nazis und viele ihrer Offiziere des Reichsluftfahrtministeriums sahen im Spanischen Bürgerkrieg eine Chance, neue Flugzeugtypen und Bomben unter Kriegsbedingungen zu testen.

Mit der Legion Condor ist der Name Wolfram Freiherr von Richthofen eng verbunden. Richthofen war ab Januar 1937 Chef des Stabes der Legion Condor und während ihres Luftangriffs auf Guernica im April 1937 für die gezielten Bomben- und Stuka-Angriffe auf die Zivilbevölkerung mit verantwortlich. Dieser Angriff, bei dem die religiöse Hauptstadt des Baskenlandes fast vollständig zerstört wurde, war das erste Flächenbombardement auf Zivilisten in der Kriegsgeschichte und eines der ersten großen Ereignisse bei denen die deutsche Luftwaffe bewusst gegen das Kriegsvölkerrecht verstoßen hat.[1] Der Angriff kostete über 300 Zivilisten das Leben.

Richthofen notierte nach persönlicher Besichtigung am Ereignisort seine Bewertung des Angriffs in seinem Kriegstagebuch: „Die 250er warfen eine Anzahl Häuser um und zerstörten die Wasserleitung. Die Brandbomben hatten nun Zeit, sich zu entfalten und zu wirken. Die Bauart der Häuser: Ziegeldächer, Holzgalerie und Holzfachwerkhäuser, führte zur völligen Vernichtung. (..) Bombenlöcher auf Straßen noch zu sehen, einfach toll.“ [2]

Das damit begangene Kriegsverbrechen ist bis zu seinem Tod bewusst vertuscht, niemals eindeutig thematisiert worden, noch wurde er dafür rechtlich zur Verantwortung gezogen (auch nicht postum).

Doch bevor der preußisch-militärisch geprägte Wolfram Freiherr von Richthofen seiner Begeisterung Ausdruck verleihen konnte, musste eine Luftwaffe aufgebaut werden, die dieses Grauen anrichten konnte. So kommen wir auch Potsdam näher, der Geburtsstadt des Dritten Reiches, der Hauptstadt des alten preußischen Denkens, der Reaktion. Potsdam war damals die Sammelgrube von Militärs und Monarchie-Anhänger:innen.

Einer von diesen war der „General der Flieger“ Helmut Wilberg. Er wirkte bereits seit 1920 im Geheimen am Aufbau der Luftwaffe mit. Später arbeitete er, ebenso wie viele seiner alten „Kammeraden“ und von Richthofen im Reichsluftfahrtministeriums. Der nach dem 1. Weltkrieg mit Orden und Ehrungen überhäufte Wilberg übernahm 1935 den Aufbau der Luftkriegsschule am Potsdamer Stadtrand (Luftwaffenschule III). Ab Juli 1936 stellte er, unter strengster Geheimhaltung, den „Sonderstab W“ auf, der als Leitungsgruppe für den Einsatz der Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg fungierte. Unter seiner Organisation wurden ab 27. Juli 1936 die ersten Einheiten nach Spanien in Marsch gesetzt. Zuerst wurden mit Hilfe der Lufthansa/Luftwaffe 10.000 Soldaten der Franco-Truppen und Kriegsmaterial von Marokko nach Spanien geflogen (die erste Luftbrücke). Später wurden deutsche Soldaten dahin verlegt. Die Einheit verfügte über ca. 140 ständig im Einsatz stehende Flugzeuge und ca. 5000 „Freiwillige“. Der erste Kommandeur war Generalmajor Hugo Sperrle. Unter seiner Befehlsgewalt erfolgte das Bombardement durch 35 deutsche Flugzeuge auf die Stadt Guernica. Der Befehl dazu wurde erteilt im Wissen, dass der damit geplante Mord an Zivilisten eine demoralisierende Wirkung auf die republikanischen Verteidiger:innen Spaniens hat.

An dieser Stelle ist Anzumerken, dass die heutige Henning-von-Tresckow-Kaserne (Sitz des Einsatzführungskommando der Bundeswehr im Wildpark-West, direkt hinter der Stadtgrenze) einschließlich der Bunkeranlage Kurfürst 1935 als Luftwaffenschule III mit dem zugehörigen Flugfeld in Werder errichtet wurde. Die Luftkriegsschule wurde für die Fliegerausbildung genutzt. In und um Potsdam fand Helmut Wilberg die Soldaten und Technik vor, die er nach Spanien verlegte. Es waren die „Wilsberg-Freiwilligen“, die unter dem Kommando von Sperrle und den Augen von Richthofens die Stadt Guernica und seine Bewohner:innen vernichteten.

Heute werden von der Henning-von-Tresckow-Kaserne, unter anderen Voraussetzungen, die Auslandseinsätze der Bundeswehr koordiniert und geführt.

Es stellen sich dennoch mindestens zwei Fragen:

Wird am 26.04. vor Ort dem „dunklen“ Gründungskapitel des Kasernen-Standortes vor den Toren der Stadt gedacht?  Warum hat die Stadt Potsdam das Gedenken an die Spanienkämpfer:innen aus Potsdam in den Jahren 1991-1997 nahezu ausgelöscht und bis heute ausgeblendet?

Vielleicht, weil kommunistischer oder sozialdemokratischer Antifaschismus und (bauliche) Rekonstruktion von Reaktion und Monarchie nicht zusammenpassen oder den Tourist:innen zu viele Fragen abverlangen würde?

Der Spanische Bürgerkrieg von 1936 – 1939 war eine der ersten Epochen, in der es eine große internationale Unterstützung für den Kampf gegen den europäischen Faschismus und für eine gewählte demokratische Regierung gab. Spanien war in den Zeiten des aufkommenden Faschismus eine entscheidende Front. Dem Kampf gegen Franco, Hitler und Mussolini schlossen sich Tausende Freiwillige aus 54 Ländern an. So auch Antonia Stemmler, Eduard Claudius, Hans Marchwitza, Walter Junker, Kurt Vogel, Paul Kühne, Kurt Laube und weitere Menschen aus Potsdam, Babelsberg und Nowawes.

[1] Klaus A. Maier: Die Zerstörung Gernikas am 26. April 1937 in: Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung. Ausgabe 1/2007, S. 18–22.

[2] Tagebuch von Wolfram von Richthofen, zitiert nach Hubert Brieden, Heidi Dettinger, Marion Hirschfeld: Ein voller Erfolg der Luftwaffe. Die Vernichtung Guernicas und deutsche Traditionspflege., Nördlingen, 1997, S. 72.

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