Heute (26.04.2024) ist es sechs Jahre her, dass sich in der 36. Sitzung des Kulturausschusses nahezu alle Tagesordnungspunkte um die Kultur-, Kunst- und Kreativwirtschaft sowie die Zukunft des Rechenzentrums drehten.
Tagesordnungspunkte:
3.1 Weiternutzung Rechenzentrum
3.2 Dauerhafte Unterbringung der Kultur- und Kreativwirtschaft
3.3 Ein Kunst- und Kreativhaus für Potsdam
3.4 Bürgerhaushalt 2018/19 Nummer 11: Rechenzentrum langfristig sichern (Aussetzung Sanierungsziel Abriss)
4.1 B-Plan Nr.78, Erhalt des Kunsthauses „sans titre“
4.2 Räume für Kulturschaffende und Kreative
Bei diesem TOP 4.2 wurden die Ergebnisse des „Szenario-Workshops zur Strategieentwicklung für die Kultur- und Kreativwirtschaft in Potsdams Mitte“ vorgestellt.
Von all den Ergebnissen ist im Zusammenhang mit der laufenden Baumaßnahme „KreativQuartier“ wenig oder nichts übrig geblieben. „Die Nutzenden können selbst den Betrieb und die operative Koordinierung übernehmen. Damit sind bedarfsspezifische selbstbestimmte Spielregeln und eine langfristige, nachhaltige und erfolgreiche Entwicklung gegeben. … Die Räume passen zu den Kultur- und Kreativschaffenden wie ein Maßanzug, das heißt, es gibt ein definiertes Raumkonzept mit einem Anteil hochflexibler Nutzungsmöglichkeiten.“ So hieß es im gemeinsam erarbeiteten Zielbild. Ein Kernaspekt sollte sein: „Es wird eine gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung geben, zum Beispiel mit einer Stiftung. Es wird eine Rechtsform gefunden, die die dauerhafte Sicherung des Standortes für die KKW garantiert.“ Lustig, wenn es nicht so traurig wäre.
Heute hat die Ideal-Versicherung das Sagen beim Bauprojekt. Von Sicherheit und Gemeinwohlorientierung kann keine Rede mehr sein. Doch besonders bedenklich ist, dass auch alle anderen politischen Verheißungen durch die Stadtpolitik nicht eingehalten werden. Der Einfluss der Stadt auf das Projekt ist aufgrund von schlechter Vertragsgestaltung gering. Der Vertrag lässt dem Investor viele Schlupflöcher, so dass auch das politische Hauptziel und Versprechen, preiswerte Räume für die Kreativwirtschaft (8.000 qm von insgesamt 25.000 qm) nicht mehr erreichbar ist. Dies ist besonders problematisch, da der Investor das Grundstück zum Vorzugspreis bekam.
Neun Euro sollte die vertraglich mit der Landeshauptstadt beschlossene Netto-Kaltmiete für diese Flächen betragen. Auf Grund zahlreicher Vertragsschwächen kommen nun folgende Kosten noch hinzu: eine Indexmiete (Indexierung nach Verbraucherpreisindex der an die Inflationsrate gekoppelt ist, also mehr als 1 Euro zusätzlich), die Kaltmiete für anteilige Gemeinschaftsfläche pro Gebäude (ggf. 10 % mit über 20,-/qm macht mindestens 2 € Zusatzkosten), weitere vier bis fünf (oder sechs) Euro pro Quadratmeter für Heiz- und Betriebskosten sowie Verwaltung und Management für Miet- und Gemeinschaftsflächen. Plus 19 Mehrwertsteuer, von der nicht alle Nutzenden befreit sind. Pi mal Daumen: 20 Euro pro Quadratmeter! Böse Zungen behaupten, dass die Indexmiete schon seit Mitte 2023 einsetzt und nicht erst zur Eröffnung (die ggf. 2026 sein wird) oder zum Erstbezug. Dann wäre es nochmals deutlich teurer. Auch weil sich jede Kostenerhöhung durch die Mehrwertsteuer um Faktor 1,19 steigert.
Diese Kostentreiberei ist scheinbar normal, wenn einfallsreiche Kapitalist:innen auf ahnungslose Verwaltungen, schlechte Rechtsabteilungen und unzureichende politische Führung treffen.
Übrigens: Die restlichen Flächen (ca. 17.000 qm) starten voraussichtlich mit einer Miete über 20 Euro pro Quadratmeter, ebenso netto kalt. Auch hier kämen die Kosten für die Gemeinschaftsflächen, Heiz- und Betriebskosten, Management usw. noch oben drauf.
Fazit: Sechs Jahre nach den Workshops und der anschließenden Selbstbeweihräucherung bezüglich der vollmundigen Erzählungen ist Nüchternheit eingetreten. Ein Eingeständnis des Scheiterns seitens der Stadt fehlt noch. Da heute auch das Scheitern bei der Sicherung des Freilands bekannt wurde, stellen sich viele Fragen.
P.S. Die Tagesordnungspunkte vom Kulturausschuss am 26.04.2018, die Punkte 3.1 – 3.3 wurden verschoben. Beim TOP 3.4 wurde das Votum der Bürger:innen im Bürgerhaushalt zur RZ-Sicherung vom Ausschuss missachtet und das Ansinnen abgelehnt.