Zwei Staatsführer, die vom internationalen Strafgerichtshof wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen per Haftbefehl gesucht werden und ein vorbestrafter Deal-Maker-Präsident jonglieren derzeit mit fremden Territorien, Völkerrecht und der Demokratie. Allesamt Atommächte mit dem Wunsch nach mehr Raum und Einfluss.
Ein Kommentar zur aktuellen Lage von Christian Krüger
Das „Friedensangebot“ Donald Trumps an Wladimir Putin, die bereits eroberten Gebiete der Ukraine dauerhaft vereinnahmen zu können und die Ukraine aus der NATO fernzuhalten, ist Gegenleistung und Versicherung für die bevorstehende Annexion des Gaza-Streifens und Grönlands durch die USA. Die EU wird ohnehin nicht gefragt. Dies machte die Rede des neuen Vize-Präsidenten Vance bei der Sicherheitskonferenz in München vom 14. Februar 2025 klar. Die Ukraine hat aus amerikanischer Sicht scheinbar ausgedient. Hat sie ihre Schuldigkeit als Spaltpilz zwischen der EU und Russland getan? Europa kauft wieder vermehrt Waffen und Öl plus Flüssiggas aus den USA.
Was hat das mit Potsdam zu tun? Im „Promi-Wahlkreis 61“ kandidieren der Bundeskanzler Scholz und die Außenministerin Baerbock. Im Wahlkampf tauchen die internationalen Themen kaum auf. Was will die Bundesrepublik gegen die Annexion des Panamakanals, des Gaza-Streifens oder Grönlands unternehmen? Boykotte auf Fracking-Gas-Importe? Waffenlieferungen an Grönland? Die US-Basis in Rammstein räumen? …???
Der Annexionsplan für den Gaza-Streifen ist nicht neu. General a. D. Efi Eitam, ehemals Chef der Nationalreligiösen Partei und ein militanter Verfechter der Siedlerinteressen, vertrat bereits 2002 in einem Interview mit der Tageszeitung Ha’aretz1 folgende Position: Die Idee der Vertreibung aller Palästinenser, nach der „nur sehr wenige Araber übrig sein würden“, sei politisch „verlockend“, aber eben nur unter Kriegsbedingungen durchführbar.“ Das Zitat stammt aus der dt-französischen Zeitung (https://monde-diplomatique.de/artikel/!1105062) vom 14.06.2002.
In der deutschen Presse tauchte der „Plan for the Transformation of the Gaza Strip“, der bereits im Mai 2024 publik wurde, nicht auf. Weder der Bundeskanzler noch die Außenministerin haben sich jemals dazu öffentlich positioniert. Vielleicht haben sie es wiedermal vergessen. Nur die Germany Trade and Invest (eine bundeseigene Marketing-Agentur für den Standort Deutschland, die im vollständigen Eigentum des Bundes und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zugeordnet ist) hat zu den Plänen am 25.Juli 2024 publiziert und die positiven Effekte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit hervorgehoben.
Jetzt wo Trump die Pläne öffentlich als seine Idee verkündet, wird selbstverständlich öffentlich und ritualisiert drauf verwiesen, dass dies völkerrechtswidrig sei. Als am 03.Mai 2024 das Büro des israelischen Premierministers Netanjahu „Gaza 2035“ online stellte, wurde geschwiegen. Offiziell heißt diese Gaza-2035-Vision „Plan for the Transformation of the Gaza Strip“, Wandel von Krise zu Wohlstand. Netanjahu bezeichnet es als ein Wiederaufbau aus dem Nichts (rebuilding from nothing). Dieser Name drückt schon aus, dass das Kriegsziel nicht (nur) die völlige Besiegung der Hamas ist, sondern die Zerstörung der kompletten Infrastruktur. Nichts soll von dem übrig bleiben, was es vor dem Terroranschlag am 7. Oktober 2023 gab. Pläne israelischer Regierungsvertreter, Gaza völlig (von Menschen) zu räumen, sind bereits hinreichend in der südafrikanischen Genozid-Anklage beim Internationalen Gerichtshof dokumentiert.
Bereits im Februar vor einem Jahr schlug Trumps Schwiegersohn Jared Kushner in einem Interview am 15.2.2024 vor: „… Es ist eine etwas unglückliche Situation dort, aber aus der Perspektive Israels würde ich mein Bestes tun, um die Leute rauszubringen und dann aufzuräumen. … Ich würde einfach irgendetwas im Negev mit Bulldozern platt machen und versuchen, die Menschen dort unterzubringen. … Gazas Grundstücke am Wasser könnten sehr wertvoll sein. …“
(… It’s a little bit of an unfortunate situation there, but from Israel’s perspective I would do my best to move the people out and then clean it up. … I would just bulldoze something in the Negev, I would try to move people in there. … Gaza’s waterfront property could be very valuable. …”; https://www.theguardian.com/us-news/2024/mar/19/jared-kushner-gaza-waterfront-property-israel-negev)
„Gaza 2035“ zeigt auf, dass das Gebiet Freihandelszone, Industrieproduktionszentrum, globaler Handels-, Finanz- und Infrastruktur-Knotenpunkt für den Westen werden soll, auch um die chinesische Konkurrenz auszustechen und den Iranischen Einfluss in der Region zurückzudrängen.
Der Plan zeichnet das Bild einer großen, prosperierenden Handelszone, von der alle profitieren würden: «Gaza kann zu einem bedeutenden industriellen Produktionszentrum an der Mittelmeerküste mit ausgezeichnetem Zugang zu Märkten (Europa, Golf, Asien), Energie und Rohstoffen (aus dem Golf) werden – unter Nutzung israelischer Technologie.» Die Umsetzung wäre ein regionaler «Win-win»-Sieg über den Iran und seine Satelliten». Doch dazu müsse Gaza zuerst «von Grund auf», aus dem Nichts, neu gebaut werden. So sieht es der mehrstufige Plan vor, der laut «Pressenza» (einer internationalen Presseagentur) am 03. Mai 2024 veröffentlicht wurde. https://www.pressenza.com/de/2024/08/netanjahus-plan-gaza-2035-gaza-ist-nicht-nichts/
Auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2025 zeigt sich, dass Staatsräson und Amerika-Hörigkeit, nicht einfach sind, wenn die PartnerInnen in Israel und USA nur ihre Eigeninteressen sehen („Amerika first“ und „Eretz Israel“) und von antidemokratischen, rechten Kräften in den eigenen Ländern getrieben werden.
Kritik an der Politik der Länder Israel und USA muss möglich sein. Das hat nichts mit Antisemitismus oder Antiamerikanismus zu tun. Und Kritik an der Bunderegierung, speziell den in Potsdam kandidierenden PolitikerInnen muss auch möglich sein, wenn sie im letzten Jahr zu „Gaza2035“ geschwiegen haben. „Nie wieder“ gilt auch fürs Wegschauen und falsche Verbundenheit.
Wenn die drei Jongleure auf dem Pulverfass nicht aufpassen, fällt endgültig der Ball des Völkerrechts auf den Boden, in den Dreck der Geschichte. Ihm folgt der Ball der Demokratie und zum Schluss halten sie die nur die fremden Territorien in der Hand. In der einen das Zepter der Eroberung und in der anderen Hand das Schwert des Imperialismus.
Und dann kommt dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr für Auslandseinsätze in Potsdam-Geltow eine neue Bedeutung zu. Welche? Das ist noch unklar. Das hängt auch davon ab, wer nach der Bundestagswahl das Sagen hat. Die USA setzt auf die AfD. Frau Baerbock und die Grünen auf mehr Rüstung. Bundeskanzler Scholz mahnt Besonnenheit an. Alternativen dazu gibt es nur links der Mitte, die längst nach rechts verschoben wurde.

«Gaza 2035»: Die Gaza-Arish-Sderot-Freihandelszone. Screenshot aus dem Bericht. © «Gaza 2035 / Plan for the Transformation of the Gaza Strip»
Hier der Link zu den Originalunterlagen:
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ERGÄNZUNG vom 18.02.2025
Die Tagesschau meldet, dass Israel eine offizielle Regierungsstelle für die Umsiedlung aus dem Gazastreifen aufbauen will. „Die Ankündigung von Israel folgt dem Plan, die palästinensische Bevölkerung aus dem Gazastreifen umzusiedeln, um diesen zu einer – wie Trump es nennt – „Riviera des Nahen Ostens“ wiederaufzubauen. Dabei sollen die bisherigen Einwohner ohne Rückkehrrecht in anderen Staaten angesiedelt werden.“ Ist das der erste Schritt der ethnischen Säuberung?
