Was sagen die Parteien zum Thema Wohnen ?
Wir dokumentieren: Die Sammlungsbewegung „aufstehen“ hat die Wahlprogramme der Potsdamer Parteien und Wählervereinigungen zum Thema „Wohnen“ unter die Lupe genommen.
Potsdam wächst. Wohnraum und Flächen werden knapp, die Preise steigen – für Mieten und Immobilien Der Mangel an leistbarem Wohnraum im niedrigen und mittlerem Preissegment ist offensichtlich; Bedarf besteht auch altersgerechtem und studentisch nutzbarem Wohnraum.
In dieser Zustandsbeschreibung sind sich alle einig. Wie das Problem gelöst werden soll, darüber scheiden sich die Geister.
Wir stellen einige Lösungsstrategien vor, die in den Kommunalwahlprogrammen der Potsdamer Parteien und Wählergruppen propagiert werden.
Die erste Lösungsstrategie heißt ‘bauen, bauen, bauen’.
Die Landeshauptstadt muss Bauland bereitstellen, zügig Baugenehmigungen erteilen, dann läuft der Laden von selbst. Keine weitere Regulierung, keine Bürokratie, keine Intervention in den Markt.
Das ist das Konzept der FDP und der CDU. Schaut man in die vergangene Wahlperiode, war es auch die Politik der AfD und des Bürgerbündnisses.
Dazu passt die Forderung, insbesondere nachzulesen bei der FDP, durch Steuersenkungen privates Bauen attraktiv zu machen. Die Landeshauptstadt wird aufgefordert, die Grundsteuer zu senken und sich auf Landesebene für eine massive Senkung der Grunderwerbsteuer einzusetzen.
Die zweite Strategie will den Neubau durch Auflagen regulieren.
Das gelingt am besten, wenn Kommune im Besitz des Baulandes ist (siehe auch Strategie 6)
Sie kann dann Baugrundstücke nach der Qualität des eingereichten Konzepts vergeben.
So ist es im Potsdamer Baulandmodell möglich, Bauherren zu verpflichten, in Neubauvorhaben eine Quote von mindestens 20% an mietpreis- bzw. belegungsgebundenen Wohnraum zu erfüllen. Mittlerweile fordern SPD, LINKE, Grüne und AfD, die Sozialquote auf 30 % zu erhöhen.
Auf die Länge der Bindungsfrist für die preisgebundenen Wohnungen hat die Stadt Potsdam jedoch keinen Einfluss; sie richtet sich nach der Art der in Anspruch genommenen Förderung und beträgt gegenwärtig 20 bzw. 25 Jahre.
Seit 2013 wird im Rahmen des Baulandmodells auch praktiziert, Bauherren in angemessenem Umfang an den Folgekosten des Vorhabens zu beteiligen (z.B. Herstellung der technischen und sozialen Infrastruktur, Kompensationskosten für Umweltmaßnahmen).
Die dritte Strategie zielt darauf, bezahlbaren Mietwohnraum im Bestand zu erhalten oder auszuweiten.
Der Stadt Potsdam stehen eine Reihe von rechtlichen Instrumente zur Verfügung, regulierend zugunsten der Allgemeinheit in den Wohnungs- und Immobilienmarkt einzugreifen.
Leider wurden diese Möglichkeiten in der Vergangenheit ungenügend genutzt.
Ein Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum z.B.für Ferienwohnungen (airbnb) befürworten LINKE und Grüne. Für eine stärkere Ausübung des Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Wohneigentum setzt sich DIE aNDERE ein.
Die vierte Strategie besteht darin, gemeinwohlorientierte Akteure der Wohnungswirtschaft, d.h. kommunale Unternehmen, Genossenschaften und Baugemeinschaften, so zu stärken, so dass sie wirksam ihre Aufgabe der sozialen Daseinsvorsorge erfüllen können.
SPD, Grüne, Linke und aNDERE wollen, dass der Eigentumsanteil der Potsdamer Genossenschaften und der ProPotsdam von je 20 % am Gesamtbestand erhalten bleibt, um ein Gegengewicht zum renditeorientierten Marktsegment zu schaffen.
Darüber hinaus betonen DIE aNDERE und DIE LINKE die besondere Verantwortung der ProPotsdam als größter Wohnungsvermieter der Stadt für die Mietpreisstruktur. Sie wollen eine stärkere Konzentration auf das Kerngeschäft der sozialen Wohnraumversorgung und sprechen sich gegen die Abführung von Gewinnen an den städtischen Haushalt aus. Stattdessen sollen erwirtschaftete Gewinne für die Sicherung bezahlbaren Wohnraums eingesetzt werden.
Weiterhin lehnen die Linkspartei und die aNDERE die Praxis der ProPotsdam ab, Mieterhöhungen als quasi-automatische Angleichung an die ortsübliche Vergleichsmiete vorzunehmen, ohne dass der Wohnwert durch eine Modernisierungsinvestition gesteigert wurde.
Die fünfte Strategie ist darauf gerichtet, die Macht der renditeorientierten Wohnungskonzerne, Bau- und Immobilienfirmen zu begrenzen.
Sie sind die größten Preistreiber am Wohnungs- und Immoblilienmarkt. Das trifft sowohl die nationalen börsennotierten Großkonzerne wie Deutsche Wohnen und Vonovia zu als ich auf die regional agierenden Unternehmen von Semmelhaack, der Groth Gruppe sowie Kirsch & Co.
Fast alle Parteien sparen Thema aus. Lediglich im Programm der Linken findet sich der Hinweis, dass auch renditeorientierte Investoren einer sozialen Verantwortung unterliegen. Forderungen, wie keine Flächen oder Immobilienbestände an diese Investoren zu veräußern oder Mietobergrenzen für Wohnungskonzerne durchzusetzen, schließen sich an.
Wie schlecht es allerdings um die Möglichkeiten der Stadt steht, gegenüber der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft eine für das Potsdamer Durchschnittseinkommen leistbaren Mietpreis durchzusetzen, machen die Antworten auf eine Frage der Wahlprüfsteine von aufstehen Potsdam deutlich
Die CDU und die AfD schwören auf Transparenz und Beobachten der Situation. DIE LINKE verweist auf den allgemeinen Sachverhalt, dass ein großer Sektor gemeinwohlorientierter Akteure (vgl.Strategie 4) die Marktmacht der renditeortientierten Konzerne beschränkt. Die SPD sagt, dass die Möglichkeiten der Einflussnahme verbraucht sind, wenn die Flächen, wie z.B. in Krampnitz an die Deutsche Wohnen, verkauft sind. Und DIE aNDERE bemerkt lakonisch: “Wer preiswerte Mieten sichern will, darf die Wohnungspolitik nicht denen überlassen, die an hohen Mieten verdienen”
Die sechste Strategie betrifft die Boden- und Liegenschaftspolitik der Stadt.
Boden ist wie Wasser und Luft ein besonderes Gut. Er ist nicht vermehrbar und kann bei Siedlungswachstum knapp werden. Dann steigen nach Marktlogik die Preise. Die Stadt muss also eine Bodenpolitik betreiben, die den Boden weitgehend dem Markt entzieht, indem sie Aufkaufs- und Verkaufsbedingungen kontrolliert.
Grüne, Linke und die aNDERE wollen das erreichen, indem kommunale Grundstücke nicht mehr nach Höchstgebot an Private verkauft werden, um dem Stadthaushalt kurzfristig Geld zuzuführen. Stattdessen soll der Boden im kommunalem Eigentum verbleiben und Bauherren das Recht auf Erbbau erhalten. Für die Nutzung des Bodens erhält die Kommune über einen langen Zeitraum eine jährliche Zinszahlung.
Ansätze einer strategischen Bodenpolitik lassen sich bei den Grünen, den Linken und der SPD erkennen: Alle drei Parteien wollen, dass die Kommune bzw. die ProPotsdam Flächen auf Vorrat erwirbt, um der Stadtentwicklung langfristig Entwicklungsoptionen zu sichern.
Was ist das Fazit aus dem Überblick?
Es kann eine klare Trennungslinie gezogen werden zwischen zwei Interessenkoalitionen:
Auf der einen Seite stehen mit FDP, CDU, AfD und dem Bürgerbündnis lokalpolitische Akteure, die kommunale Wohnungspolitik weitgehend den Kräften des Marktes überlassen wollen.
Auf der anderen Seite ist das Lager aus Grünen, SPD, Linken und der aNDEREn, die in der Vergangenheit selten an einem Strang gezogen haben, aber nach Lesart ihrer Programme mit dem Ziel und den Willen in die Kommunalwahl gezogen sind, zur Versorgung mit bedarfsgerechtem Wohnraum und zur Festlegung sozial gerechter Mieten regulierend in dem Markt einzugreifen.
Über eines haben die Wahlprogramme allerdings keine Auskunft gegeben: Welche Finanzmittel sind erforderlich, um die wohnpolitischen Ziele umzusetzen? Wie werden diese Mittel auf Maßnahmen verteilt?
Was die Position der Fraktionen in der neugewählten Potsdamer Stadtverordnetenversammlung ist und wie ernsthaft sie die verkündeten wohnpolitischen Ziele verfolgen, wird die Debatte über den nächsten Haushalt zeigen. Das kann dann wieder einen Kommentar wert sein.