Wer einschätzen will, welche Wirkungen Stadtpolitik in Potsdam hat, braucht sich eigentlich nur die aktuellen Zahlen zu den Bodenpreisen in der Stadt anschauen.
Bereits im Februar 2020 zeigten die Preise bei Neuvermietungen von Wohnungen in Potsdam – im Gegensatz zu anderen deutschen Städten – nur in eine Richtung – weiter nach oben.
Nun liegen die neuen Bodenrichtwerte für Brandenburg und Potsdam vor (vergl. Www.boris-brandenburg.de ), also die Grundlage für Grundstückspreise in der Stadt. Und auch hier ist die Richtung klar – es geht weiter steil nach oben.
In der Spitze sind
die Bodenpreise in Potsdam seit 2015 bis zu 50 %
gestiegen!
Inzwischen werden in besonders begehrten Lagen bis zu
1.700 €/ m² ausgewiesen. Wer zu diesen Bodenpreisen noch den Wert
der Immobilien und gestiegene Baukosten hinzurechnet, kann gut
nachvollziehen, dass ein Hausbau so gar nicht mehr real
refinanzierbar ist. Raus kommen dann Mieten für Gewerbe und Wohnen,
die oft weit jenseits allen Machbaren liegen.
Gut ist das aktuell
in der Fußgängerzone der Brandenburger Straße zu beobachten, wo
immer mehr Geschäfte wegen zu hoher Mieten schließen müssen. Zu
welchen Folgen die barocken Luxussanierungen in der Potsdamer Mitte
oder im Holländischen Viertel führten, kann man an Bodenpreisen von
inzwischen über 1.000 €/ m² ablesen.
Wen wundert es dann,
dass bei Neubauprojekten in der Stadt fast nur noch
Eigentumswohnungen als Wertanlagen oder „Möblierte Appartements“
zu astronomischen Preisen gebaut werden. Und wenn es tatsächlich mal
reguläre Mietwohnungen sind, dann zu Mieten von über 12 €/ m².
Sonst rechnet sich das selbst für kapitalstarke Investoren kaum
noch. Ein typisches Beispiel dafür ist das neue Quartier im Zentrum
Ost. Der „Jutekiez“ bietet zum Beispiel Studentenappartements von
25 m² für 550 € an.
Die neuen Bodenrichtwerte liefern aber noch andere interessante Erkenntnisse. Besonders hohe Steigerungen der Bodenpreise haben vor allem die Stadtteile zu verzeichnen, wo viel gebaut oder große Investitionen geplant sind. Im Kirchsteigfeld und in der Teltower Vorstadt bilden die gestiegenen Bodenpreise schon jetzt ab, was Kritiker*innen von Anfang an befürchtet hatten. Bereits die bloße Ankündigung großer Investitionen in sogenannte IT – Zentren führen schon jetzt zu dramatischen Steigerungen der Bodenrichtwerte: Kirchsteigfeld + 44 %, Teltower Vorstadt + 25 %.
Womit wir bei den
Ursachen dieser Entwicklung sind. Denn gleichzeitig hat die
Stadtverwaltung angekündigt, die geplanten rechtssicheren „Sozialen
Erhaltungssatzungen“ für solche Stadtteile nicht wie geplant bis
März vorlegen zu können.
Das symbolisiert recht gut die
Präferenzen und Prioritäten der Stadtpolitik in den letzten Jahren.
Die Stadt Potsdam hat in den vergangenen Jahrzehnten praktisch ihr komplettes Tafelsilber verkauft, die Stadt selbst besitzt in Potsdam kaum noch Grundstücke und Immobilien, mit denen sie jetzt Einfluss auf die Bodenwerte nehmen könnte. Fast immer gingen diese im Höchstgebotsverfahren an Immobilieninvestoren, die dort bauen und verkaufen konnten, was sie wollten. Sie haben wie Kirsch in Drewitz oder Getec in Zentrum Ost oder dem Projekt der Arbireo Capital Group zwischen Wollestraße und Nowawes bauen können, was sie wollen. Meist Wohnungen im „gehobenen Segment“, Eigentumswohnungen oder „Möblierte Wohnungen“.
In der
Speicherstadt, auf dem Brauhausberg und in Potsdam – West tummeln
sich längst internationale Immobilieninvestoren, bei denen die
Herkunft ihres Kapitals zwar unklar ist, aber Hauptsache, sie bauen.
Die Bau – und Stadtentwicklungsverwaltung in der Stadt rollt
solchen Investoren quasi den „Roten Teppich“ aus, erteilen
vorzeitige Baugenehmigungen und informieren nie die
Stadtgesellschaft.
Gleichzeitig haben nichtkommerzielle
Gemeinschaftsprojekte keine Chance. Alle Instrumente, die anderswo
zur Begrenzung solcher Auswüchse des „Mietenwahnsinns“ genutzt
werden fehlen in Potsdam. Es gibt – wie oben beschrieben – weder
rechtssichere „Soziale Erhaltungssatzungen“ noch wurde jemals ein
Vorkaufsrecht im Interesse der Mieter*innen wahrgenommen. Niemand in
der Verwaltung kontrolliert die Zweckentfremdung und Umwandlung von
regulären Mietwohnungen in „Möblierte Wohnungen“, das
Baulandmodell ist gegenüber den privaten Investoren ein zahnloser
Tiger. Erbbaurecht, Konzeptvergabe, aktive Bodenpolitik – alles
Fremdwörter. Und die kommunale Gesellschaft ProPotsdam agiert als
privatwirtschaftliche Gesellschaft und nimmt mit, was der Markt
hergibt. In der Potsdamer Mitte zum Beispiel bei Häusern, die sie
gerade aufwendig saniert hat. Bei Neuvermietungen werden dann
natürlich die Marktpreise aufgerufen: Über 12 €/ m².
Und genau dies zeigen die neuen Zahlen.
Potsdam setzt seit Jahren darauf, dass der Markt den Preis reguliert
Jetzt tut er das.
Mit schlimmen Folgen für Mieter*innen von Wohnungen und Gewerbe.
Und als Symbol des Versagens der Stadtpolitik.