Die Antwort vom 21. Mai 2021 war kurz und deutlich:
„Sehr geehrte Herren, erst vor kurzem hatten Sie sich bereits an die Verwaltung gewandt und eine ausführliche Stellungnahme erhalten. Auch waren bereits mehrere Stadtverordnete unserer Fraktion mit Ihnen im Austausch. Aufgrund der genannten Punkte ist aus unserer Sicht gegenwärtig eine weitere Diskussion nicht erforderlich. Mit freundlichen Grüßen, i.A. Christopher Sokol, Geschäftsführer SPD-Stadtfraktion“
Das war der vorläufige Höhepunkt der Versuche von Mieter*innen, mit der SPD in Potsdam in einen Dialog über deren Sorgen und Ängste vor Mieterhöhungen und Verdrängung zu treten.
Die Geschichte, welche vor allem die Menschen aus der Teltower Vorstadt erzählen, steht symbolisch für den Umgang der SPD mit Mieter*innen in der Stadt.
Auf der anderen Seite dieser Geschichte stehen drei Musiker aus der Schlaatzstrasse. Ihre Balkonmusik ist im Coronajahr berühmt geworden. Am Montag zur Fete`de la musique 2021 haben sie ihr Abschlusskonzert gegeben. Ihre Wohnung wurde gekündigt und wird in eine Eigentumswohnung umgewandelt – wie bei drei weiteren Wohnungen im Haus.
Begonnen
hat die Geschichte mit der berühmten und turbulenten
Infoveranstaltung zum geplanten „Creative village“ auf dem RAW
Gelände Anfang April 2019. Sie war gleichzeitig der Tag, an dem sich
die Anwohner*inneninitiative „Teltower Vorstadt“ zusammengefunden
hat – siehe auch: https://initiative-teltower-vorstadt.de/blog/
Eine ihrer ersten Aktivitäten war ein offener Brief an die alle
Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung.
Bis heute folgten
dem insgesamt 6 weitere offene Briefe – in der Regel verbunden mit
dem Wunsch um Gesprächstermine, um die Sorgen und Forderungen der
Mieter*innen aus dem Quartier vorzubringen. Daraufhin gab es Treffen
mit den Linken, mit der Fraktion der Anderen, auch die Grünen haben
zuletzt Gespräche angeboten und geführt.
Nur von der SPD kam – nichts.
Stimmt
nicht!
Pete Heuer kam zweimal ins Freiland, um bei Infoständen
und Flohmarkt mit den Anwohner*innen zu plaudern – zusammen mit M.
Nauheimer, also dem Investorenvertreter – auch ein Symbol.
Dafür
hat die sozialdemokratisch geführte Verwaltung in den vergangenen
über zwei Jahren klare, andere Prioritäten gesetzt.
Die
Bauverwaltung hat die Genehmigungen für das Projekt im
beschleunigten Verfahren durch alle Instanzen gedrückt. Die
umfangreichen Einwendungen der Mieter*innen wurden dabei überhaupt
nicht berücksichtigt, vor allem soziale und verkehrstechnische
Fragen spielen im Durchführungsvertrag so gut wie keine Rolle.
Dagegen gibt es in Potsdam bis heute keine Soziale Erhaltungssatzung. Eines der wenigen Instrumente, mit denen Kommunen Mieter*innen vor Umwandlungen, Spekulation und Verdrängung schützen können hat in der Wohnungspolitik der SPD in der Stadt nie eine Rolle gespielt. Erst 2019 erzwangen die Fraktionen der Anderen und der Linken von der Stadt einen Beschluss zur Aufstellung einer solchen Milieuschutzsatzung für die Teltower Vorstadt.
Allerdings gibt es eine solche Satzung bis heute nicht.
Erst in der vorletzten Stadtverordnetenversammlung Anfang Mai 2021 wurde auf Antrag des SPD – Oberbürgermeisters beschlossen, die Vorlage geplanter Untersuchungsergebnisse zum wiederholten Male zu verschieben – auf Juli 2022!
Begründung: „die … gegenwärtige unsichere Lage hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit“ der Verwaltung.
Daraufhin hat sich die Anwohner*inneninitiative wieder einmal an alle Fraktionen gewandt.
In dem Brief vom 13. Mai 2021 heißt es unter anderem:
„Wir bitten daher um die Möglichkeit, als Gast an einer der kommenden Sitzungen ihrer Fraktion teilnehmen zu können. Insbesondere wollen wir gern verstehen, welche Limiitierungen aus ihrer Sicht bislang die Umsetzung des SVV-Beschlusses verhindert haben und welche Instrumente zur Verfügung stehen, um dies zu ändern.“
Gleichzeitig haben die Mieter*innen des Quartiers übrigens selbst Kontakt nach Leipzig und Berlin aufgenommen, um sich dazu beraten zu lassen, was es für eine rechtssichere Soziale Erhaltungssatzung bedarf und wie ein solcher Prozess zu steuern ist. Sie haben viele neue Hinweise bekommen und ihre Erfahrungen in einem Flyer und mit anderen Fraktionen geteilt.
Nur von der SPD Fraktion kam die oben zitierte – falsche Antwort.
Sie ist im Übrigen auch deshalb falsch, weil es eben nie ein gemeinsames Treffen der Anwohner*inneninitiative mit der SPD – Fraktion gab, wie uns diese auf Nachfrage noch einmal bestätigten.
Trotzdem versuchten es die Mieter*innen noch einmal.
In einem weiteren Brief an die SPD-Fraktion vom 25. Juni 2021 heißt es unter anderem:
„Eben diese entspricht jedoch faktisch einer Bankrotterklärung, wollte man denn soziale und nachhaltige Stadtentwicklung ernsthaft betreiben. Erwartet hätten wir, dass eine solche Stellungnahme die die Verwaltung kontrollierende Vertretung der Bevölkerung Potsdams alarmiert und dazu motiviert neue Handlungswege zu finden. Und um es nochmals zu verdeutlichen: der Aufstellungsbeschluss für die soziale Erhaltungssatzung hat nur geringfügige Rechtssicherheit geschaffen – genau genommen für ein Jahr. Dieses Jahr wird nun mit Beschluss der SVV auf Antrag des Oberbürgermeisters deutlich überschritten und somit entsteht neuer Raum für Spekulationen mit Grundstücken und Wohnraum, da das Bauplanverfahren für das RAW-Gelände ungefährdet weitergeführt wird und seine Gentrifizierungswirkungen entfalten kann“
Hier dokumentieren wir die beiden Bitten um einen Dialog mit der SPD – Fraktion:
Eine Antwort von der SPD gab es seitdem – nicht.
Das ist also die konkrete Mieter*innenpolitik der SPD in Potsdam.
Wir stellen dem mal zwei andere Aussagen gegenüber.
Im Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zum Bürgerbegehren „Potsdamer Mietendeckel“ – eingebracht von SPD und Grünen heißt es:
„Die Stadtverordnetenversammlung teilt die Sorgen vieler Menschen vor der Belastung durch steigende Mieten. Sie setzt sich mit allen ihr rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln für eine Dämpfung des Mietenanstiegs … ein.“
Und im Wahlprogramm der SPD für die Bundestagswahl 2021 heißt es zu dem Thema:
„Unsere Bodenpolitik wird am Gemeinwohl orientiert. Bund, Länder und Kommunen sollen öffentliches Eigentum an Grundstücken sichern und vermehren, um die Spekulation mit Grund und Boden zu stoppen. Dazu ist das Vorkaufsrecht für Kommunen zu fairen Preisen wichtig“.
Mit den Potsdamer Genoss*innen der SPD ist das wohl nicht umsetzbar.
Auch die Musiker*innen aus der Schlaatzstraße haben von der Partei, die in Potsdam nun seit 31 Jahren regiert – wohl keine Unterstützung bei der Wohnungssuche zu erwarten.