Advent, Advent die Fackel brennt

Oder: andere Länder, andere Corona-Sitten

Die Auswüchse der Corona-Leugnung und Proteste sind erschreckend. Da es längst nicht mehr um Corona, sondern die Radikalisierung von rechts geht, gibt es zu jeder Anti-Corona-Demo, eine Anti-Anti-Demo.

Dass die Corona-Proteste als „Motor der Radikalisierung“ funktionieren, ist unbestritten, ist extrem gefährlich und muss bekämpft werden. Doch dies hat dann nichts mehr mit Corona im eigentlichen Sinne zu tun. Auch nichts mit unseren Gesundheitssystem und dessen Finanzierung.

Doch wohin sollen sich Menschen während dieser Radikalisierung wenden, die konkrete Fragen haben, die sich aus der Lektüre wissenschaftlicher und amtlicher Nachrichten ergeben? Gleiches gilt für Menschen, die einzelne Coronaregeln für sich als unverhältnismäßig oder wenig gesundheitsorientiert empfinden? Sollen diese Menschen zu den Anti-Anti-Demonstrat*innen gehen, die bei ihrem Kampf keine Zeit zum Zuhören haben? Oder zu den Rechtsaußen und Leugnern, bei den sie die Fragen zwar nicht beantwortet bekommen, aber auch nicht missbilligt werden.

Im Beitrag soll es nicht um die brennenden Fackeln gehen, sondern um Covid-19 und unseren Umgang damit. Meines Erachtens empfiehlt sich, wie so oft, ein Blick über den Tellerrand (über die eigene Blase) hinaus. Es empfiehlt sich auch, erst in Ruhe zu Ende lesen, den Überlegungen folgen und dann erst nach Antworten suchen.

Schweden geht bislang seinen eigenen Weg beim Umgang mit dem Coronavirus. So setzte das Land im Gegensatz zu seinen Nachbarländern auf keinen Lockdown, kaum Beschränkungen und die Eigenverantwortung der Bevölkerung. Als eines der ersten Länder in Europa hob Schweden dann Anfang September 2021 fast alle Corona-Beschränkungen auf.

Überlegung: Was also macht Schweden (nach den hohen Todeszahlen am Anfang der Pandemie) aktuell besser als Deutschland?

Impfen ist nicht gleich impfen. Schwedens Impfkampagne ist schlichtweg effektiver als die deutsche. Laut Angaben der staatlichen Gesundheitsbehörde Folkhälsomyndigheten sind 81,4 Prozent der Über-16-Jährigen in Schweden geimpft. Den Skandinaviern ist es dabei vor allem gelungen, die besonders schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen gegen das Coronavirus zu impfen. Über 92 Prozent der 60- bis 69-Jährigen sind geimpft; bei den 70- bis 79-Jährigen sowie den 80- bis 89-Jährigen sind es jeweils fast 95 Prozent. 34 Prozent der Über-80-Jährigen Schweden haben zudem bereits ihre dritte Impfung erhalten.

Deutschlands Impfstatistiken sind ungenauer, zeigen aber dennoch, dass die Bundesrepublik gerade beim Schutz der Älteren durch die Impfung schlechter abschneidet. Von den Menschen über 60 sind laut Angaben des Robert-Koch-Instituts nur 85,6 Prozent doppelt gegen Corona geimpft. Nur knapp 4 Prozent der Gesamtbevölkerung haben bisher eine Auffrischungsimpfung erhalten.

Laut den gängigen Vereinfachungen wären diese alten Deutschen, die sich nicht impfen lassen haben, alles alte Verweigerer, Leugner oder gar Nazis. Das haut nicht hin! Vielleicht liegt es einfach daran, dass es den Alten recht schwer gemacht wurde, sich impfen zu lassen. Wäre es nicht sinnvoller gewesen die Impfung zu den alten Menschen zu bringen, als diese, App-gesteuert und mit echt komplizierten Terminvergaben in Impfzentrum zu locken?

2. Überlegung:

Im Mai dieses Jahres verabschiedete die schwedische Regierung dann einen Fünf-Punkte-Plan für das weitere Vorgehen in der Corona-Krise. Schrittweise wurden über die folgenden Monate Corona-Maßnahmen gelockert und etwa mehr Personen zu Veranstaltungen zugelassen, Sperrstunden für die Gastronomie aufgehoben oder die Maskenempfehlung in öffentlichen Verkehrsmitteln gestrichen. Seit 29. September sind alle Corona-Maßnahmen in Schweden beendet, das Land setzt auf die Eigenverantwortung seiner Bürgerinnen und Bürger.

Das Land steht aktuell besser als wir.

https://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/deutschland/

https://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/schweden/

Als eine Erklärung wird gern die Bevölkerungsdichte herangezogen. Dies stimmt nur anteilig. Forscher*innen sind sich einig: die psychische Belastung der Menschen in der Pandemie ist in Schweden deutlich geringer. Keine rein-raus aus dem Lockdown. Keine Sorgen um die Beschulung der Kinder, den eigenem Job usw.; Keine Ausgrenzung durch unzählige Regeln, weniger Existenzängste für viele Freiberufler*innen …

Eine gesunde Psyche stärkt das Immunsystem. In D liegen prozentual doppelt so viele Menschen auf Intensivstationen als in Schweden, obwohl die Infektionsrate dort 1,5mal höher ist, als bei uns. Infektion ist nicht nur schlecht. Herdenimmunität setzt sich aus Impfung und Genesung zusammen.

Übrigens: Bei der Übersicht zu den Landkreisen in Deutschland fällt auf, dass die Zahl der Geimpften nicht ersichtlich ist. Wie will die Politik dann gezielte Kampagnen und Maßnahmen umsetzen, wenn nicht bekannt ist, wer in welcher Altersklasse geimpft ist?

https://www.corona-in-zahlen.de/landkreise/

3. Überlegung:

In Schweden und Dänemark werden jüngere Menschen vorerst nicht mehr mit dem Corona-Vakzin von Moderna geimpft. Damit reagierten die beiden Länder vor Monaten auf ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Herzmuskelentzündungen. Der Corona-Impfstoff von Moderna wird in Schweden und Dänemark vorerst nicht mehr jüngeren Menschen verabreicht. In Schweden gilt die Regel für unter 30-Jährige, in Dänemark für unter 18-Jährige. Die schwedische Gesundheitsbehörde beschloss, den Einsatz des Präparats des US-Unternehmens für die Jahrgänge 1991 und jünger vorsichtshalber vorläufig auszusetzen. Die betroffene Altersgruppe solle stattdessen den Impfstoff von BioNTech/Pfizer erhalten, empfahl die Behörde. Die Impfung gegen Covid-19 wird in Schweden allen Menschen angeboten, die älter sind als zwölf Jahre.

Solche Meldungen basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ich kann mir vorstellen, dass Eltern sich fragen, was wissen die Skandinavier, was die Deutschen nicht wissen bzw. umgekehrt.

Ich kann nachvollziehen, dass Eltern, die solche seriösen Nachrichten lesen, Zweifel entwickeln und zögern, ihre Kinder impfen zu lassen. Alle 6 Monate das Kind impfen, obwohl die Krankheitsverläufe bei Kindern zu einem extrem hohen Prozentsatz glimpflich verlaufen? Begründete Fragen zu Impfstoffen und ihre Nebenwirkungen müssen zugelassen werden. Sie drohen aber in den Schuldzuweisungen unterzugehen. Selbst die Zweifel der STIKO zum Thema Kinderimpfung, wurden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen durch Politiker*innen als „unangebracht“ diskreditiert.

RKI 17.12.2021: „Nach abschließender Risiko-Nutzen-Abwägung hat die STIKO daher zum jetzigen Zeitpunkt entschieden, vorerst lediglich eine Indikationsimpfempfehlung und keine allgemeine COVID-19-Impfempfehlung für 5 – 11-Jährige auszusprechen.“ Ist dies allgemeinverständlich? Gemeint ist die Impfung von Kindern mit Vorerkrankungen.

https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2022/01/Art_02.html

Die STIKO begründet ihre Empfehlung unter anderem damit, dass derzeit für Kinder ohne Vorerkrankungen in dieser Altersgruppe nur ein geringes Risiko für eine schwere COVID-19-Erkrankung, Hospitalisierung und Intensivbehandlung bestehe. Hinzu komme, dass das Risiko seltener Nebenwirkungen der Impfung auf Grund der eingeschränkten Datenlage derzeit nicht eingeschätzt werden könne. Welche Erkenntnisse gibt es für die Altersgruppe 12-18?

4. Überlegung:

Es gibt zahlreiche Menschen mit Vorerkrankungen, bei denen die Wechselwirkung aus Krankheit und Impfung nicht erforscht sind. Von Betroffenen erfährt man, dass sie in den letzten Monaten ihre Erfahrungen mit der Impfung geteilt und teils Umfragen gestartet und eigne Statistiken geführt haben. Leider gibt es für zahlreiche Erkrankte meist keine Möglichkeit ein Attest von Ärzten zu bekommen. Diese dürfen eigentlich fast nur im Falle einer Allergie Atteste ausstellen. Patient*innen, die noch immer unter einer Verschlechterung seit der Impfung leiden, habe große Sorgen vor einer Impfflicht, weil sie aktuell kaum Aussicht auf eine Befreiung haben.

Warum ist die Attestierung so eingeschränkt und kompliziert? Warum grenzen wir diese Menschen aus, obwohl sie sich täglich testen können und somit einen verlässlicheren Nachweis über ihre aktuelle Infektionslage liefern können, als die pauschalen 2G-Befreiungen?

In den Niederlanden ruft in wöchentlichen Radio- und Fernsehsendungen die Direktorin der Behörde Lareb (ähnlich unserem Paul-Erlich-Institut), Frau Agnes Kant dazu auf, Beschwerden nach Corona-Impfungen zu melden. In niederländischen Arztpraxen hängen Poster und Flyer von Lareb, auf den steht: „Behalte deine Nebenwirkungen nicht für dich!“.

Bei uns kann dies auch gemeldet werden, aber nur sehr umständlich. Wer kennt schon dieses Portal: https://nebenwirkungen.bund.de/SiteGlobals/Forms/nebenwirkungen/covid-19-impfstoff/01-person/person-node.html

Wäre es nicht auch in Deutschland wichtig und richtig offen mit diesen Nebenwirkungen umzugehen? Gerade weil die Impfstoffe in Rekordzeit entwickelt und zugelassen wurden. Auch die Wissenschaft braucht Daten und Fakten, um belastbare Aussagen für das weitere Vorgehen zu generieren.

5. Überlegung:

Eine schwedische Studie hat die verschiedenen in der EU zugelassenen Corona-Impfstoffe auf ihre Schutzwirkung gegen eine Infektion mit Covid-19 untersucht. Ihr Fazit: Nach einem halben Jahr ist bei AstraZeneca der Schutz im Grunde nicht mehr vorhanden. Wieso fällt ein Mensch, dessen 2. Astra-Impfung 6 Monaten zurückliegt, in Deutschland (wenn noch nicht geboostert wurde) weiterhin unter 2G und kann „Essen gehen“, aber eine ungeimpfte, getestete Person nicht? Aus medizinischer Sicht ist dies nicht nachvollziehbar. Damit ergibt sich auch gesellschaftliches und rechtliches Problem.

Ein Fazit:

Die Maßnahmen und Regeln sind längst aus der NOTWENDIGEN Logik der Pandemiebekämpfung herausgetreten und ins tagespolitische Kalkül übergegangen. Die öffentliche Debatte beschleunigt die Suche nach Schuldigen und einfachen Antworten. Das Impfen und deren Überwachung wird zum heiligen Gral erhoben. Die zahlreichen Nicht-Standard-Fälle werden übersehen und die Debatte um den besten Weg zur Pandemiebekämpfung verbaut. Das Thema Finanzierung des Gesundheitssystems gerät somit auch aus dem Fokus. Die Kapitalisierung des Gesundheitssystems haben keine Nazis und Schwurbler*innen zu verantworten, sondern Pharmakonzerne, Lobbyisten und Politiker*innen ganz „normaler“ Parteien.

Potsdam hat gezeigt das es in die richtige Richtung gehen kann. Ausgelöst durch das Doppel-Bürgerbegehren zum Klinikum, hat das Bergmann den Weg zurück in den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes geschafft.  Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen steht noch aus. Da sind u.a. die drei Potsdamer*innen gefragt, die jetzt Bundeskanzler, Außenministerin und Bauministerin sind. Ihr Kabinett hat die Möglichkeit, die grundsätzlichen Fehlentwicklungen des kapitalgetriebenen Gesundheitssystems zu beenden.

von Oskar Werner

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