Wir dokumentieren: Offener Brief der Anwohner*inneninitiative „Teltower Vorstadt“ zum Stand der Ausschreibung für die soziale Erhaltungssatzung.
Sehr geehrte Damen und Herren, werte Stadtverordnete,
während in der lokalen Presse keine Woche vergeht, in der nicht auf die stetig steigenden
Grundstückspreise und Mieten in Potsdam hingewiesen wird, regt sich in der
Stadtverwaltung und der SVV scheinbar kaum etwas, um auf diese Entwicklungen in
irgendeiner Weise zu reagieren. Auf ein wirklich engagiertes Suchen nach Möglichkeiten,
bezahlbaren Wohnraum in der Stadt zu erhalten und gewachsene soziale Strukturen zu
schützen, wartet die Stadtgesellschaft gleich gänzlich vergebens. Sicher, die in den letzten
Jahren auf die Beine gestellten Projekte, wie die Einbeziehung von
Wohnungsbaugenossenschaften bei der Gestaltung des Areals neben dem Alten Markt, oder
der „Potsdam Bonus“ sind gut gemeint, aber angesichts des durch Mietsteigerungen
kontinuierlich und wohl unwiederbringlich schwindenden Angebots an preiswertem
Wohnraum lediglich einem Feigenblatt gleichzusetzen.
Wo wird echte Verantwortung übernommen mit dem entschiedenen Suchen nach echten
Interventionen, nach Instrumenten um diesen Entwicklungen bestmöglich entgegen zu
wirken? Wo ist das vorausschauende Planen in der für einen Großteil der Bevölkerung
existentiellen Frage nach dauerhaft bezahlbarem Wohnraum?
Selbst Schritte, die bereits beschlossen sind, scheinen aktuell nicht prioritär weiter entwickelt
zu werden. Konkret beobachten wir als betroffene Anwohner*innen der Teltower Vorstadt für
das städtebauliche Instrument einer sozialen Erhaltungssatzung lediglich, dass für die
Erarbeitung des Bebauungsplans Nr. 36 massiv Ressourcen investiert und dieser nun
beschlossen wurde, wohingegen sich die Erarbeitung der sozialen Erhaltungssatzung
weiterhin seit 2019 verzögert. Angekündigt wurde eine Ausschreibung zu Ende 2021, sodass
mit einem Start des Feinscreenings im ersten Quartal 2022 zu rechnen sei. Einmal mehr wird
deutlich: wirtschaftlichen Interessen wird völlig ungeachtet der sozialen Auswirkungen
entsprochen, wohingegen rechtliche Instrumente zur Eingrenzung der Auswirkungen gar
nicht, oder nur sehr schleppend entwickelt werden.
Bereits Ende 2019 formulierte die Verwaltung in der Bearbeitung von DS 19/SVV/0323 die
Notwendigkeit einer soliden Datengrundlage für diese Satzung. Ganz ursprünglich sollte
demnach die soziale Erhaltungssatzung 2021 bereits anwendbar sein. Mittlerweile wurde
eine Anwendbarkeit zu frühestens 01/2023 prognostiziert, vorausgesetzt der erfolgreichen
Ausschreibung 2021/22. Am 5. und 20. Februar 2022 stellten wir daher der Verwaltung die
bisher unbeantworteten Fragen:
- Sind seit Ausschreibung [11/21] bereits Bewerbungen für die Erhebung zur sozialen
Erhaltungssatzung eingegangen – gerne auch wie viele? Bzw. haben sich bereits
Agenturen/Firmen beworben? - Wurde der Auftrag vielleicht sogar schon vergeben – auch hier gern an wen? Bzw.
wurde der Auftrag schon vergeben / an wen wurde der Auftrag vergeben? - Falls noch keine Bewerbungen eingegangen sein sollten: was wären die nächsten
Schritte und wo können wir als Anwohner*innen-Initiative Teltower Vorstadt vielleicht
helfen? Bzw. können wir Ihnen irgendwie unterstützend zur Seite stehen? - Wo wurde die Ausschreibung überall geschaltet?
Uns Anwohnerinnen, die direkt von den Baumaßnahmen am RAW-Grundstück betroffen sind, brennen infolgedessen folgende Fragen unter den Nägeln:
1) Werden wir Anwohnerinnen, wie anvisiert im ersten Quartal 2022 zu einer
Anwohnerinnen-Versammlung zum Thema Feinscreening zur Sache soziale Erhaltungssatzung eingeladen?
Zur Erinnerung: geplant war eine Vorstellung der drei Bausteine des Screenings, namentlich (1) Auswertung Grobscreening, (2) Vorortbegehung und (3) Vorstellung einer Umfrage an eine repräsentative, zufällig ausgewählte Gruppe von Anwohnerinnen im Untersuchungsgebiet, sowie das Mitteilen von Informationen zum allgemeinen methodischen Vorgehen.
2) Sind ausreichend personelle Ressourcen in der Verwaltung zur Verfügung gestellt
worden, um zeitnah den zweiten Schritt zu realisieren?
Zur Erinnerung: in Q2-Q3 2022 sollte eine „Satzungsgrundlage“ entstehen. Die Ergebnisse
der Untersuchung bilden demnach die Basis für Begründungsformulierungen, die dann
entscheidender Bestandteil der Satzung werden würden.
Wir fordern Sie daher einmal mehr auf, den Antrag und Beschluss von 2019, den
Aufstellungsbeschluss von 2020 und vor allem die angekündigten Vorhaben der Verwaltung
von 2021 ernst zu nehmen! Sie sind weisungsbefugt und verpflichtet, eine Umsetzung
sicherzustellen – also stehen Sie zu Ihrem Wort und gehen Sie die soziale
Erhaltungssatzung mit demselben Elan an, wie Sie ihn bei Bauvorhaben, wie dem RAW an
den Tag legen.
Die Stadtgesellschaft braucht dringend eine Anwendung städtebaulicher und
wohnungspolitischer Instrumente (vergl. Vorlage – 19/SVVVorlage – 19/SVV/1213), damit
Potsdam eine Stadt bleiben kann, in der auch morgen noch Menschen mit geringem und
durchschnittlichem Einkommen, Studierende, ältere Menschen, Alleinstehende und
Familien, Berufsanfängerinnen und Teilzeitkräfte gut leben können. Die Erarbeitung einer sozialen Erhaltungssatzung ist eine von vielen Antworten auf die seit Jahren zu beobachtende Entwicklung von Gentrifizierung und Mietsteigerungen in Potsdam, die sich durch die Ansiedlung am RAW weiter erhöhen werden. Sie ist vor allem aber ein Instrument, zu dem sich die Stadt bereits bekannt hat. Als Nachbarinnen des RAW, die
unmittelbar und erwartbar von massivem Druck auf unsere Nachbarschaft betroffen sind,
appellieren wir konkret daran, dieses Instrument JETZT entschieden voranzubringen.
Die mehrfach formulierten Ziele dieses Prozesses werden ad absurdum geführt, wenn dieser
immer wieder in die Länge gezogen wird. Wie bereits mehrfach betont, ist diese
wohnungspolitische Entwicklung in Form von Gentrifizierung in der Teltower Vorstadt bereits
jetzt im Gang. Müssen wir warten, bis auch hier möblierte Mini-Apartments zu
astronomischen Preisen entstehen, oder andere Maximalverwertungen erfolgen, die zu
Lasten einer sozial nachhaltigen Stadtentwicklung in unserem Viertel gehen?
Wir fordern die Umsetzung des angekündigten und von Ihnen beschlossenen Prozesses zur
Entwicklung einer sozialen Erhaltungssatzung: JETZT, ohne weitere Verzögerung!
Mit Grüßen aus der Nachbarschaft
Anwohner*innen-Initiative Teltower Vorstadt
i.A. V.Reininger
Web: http://initiative-teltower-vorstadt.de/
E-Mail: kontakt@initiative-teltower-vorstadt.de