Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche 2

Am Ostermontag haben mehr als 300 Menschen gegen die erste Eröffnungsfeier in der Turmkopie der Garnisonkirche protestiert. Ausgerechnet den Ostermontag, den Tag der Auferstehung hat sich die Stiftung ausgesucht, um die kleine Kapelle im Turmstumpf in Betrieb zu nehmen. Viele fragten sich „Was soll hier wieder auferstehen?“ Die alte Garnisonkirche kann es ja nicht sein, den von deren Geschichte will sich die Stiftung Garnisonkirche angeblich distanzieren. Auch von der Symbolik dieses geschichtlichen Ballastes von nationaler Tragweite. Auch von den rechten Initiatoren des Wiederaufbaus will niemand mehr etwas seitens der neuen Hausherren wissen. Was soll nun auferstehen: der Ungeist von Potsdam? Der Geist der Kirche der immer ein militärischer war, immer einer der Mächtigen. Der Geist der nie demokratisch war. Der Krieg und Verderben für viele Teile Europas brachte. Ein kolonialer Geist mit Völkermorden in Afrika und Unterdrückung in China. Die Liste der Opfer dieses Geistes von Potsdam ist lang.

Die Demonstrationsformen der Wiederaufbaugegner:innen waren am Ostermontag vielfältig: Musik, Lesungen, Reden, Jesus als Ehrengast, Performances und ein Geschichtspfad.

Dieser Geschichtspfad zeigte auf mehr als 130 Tafeln diesen Ungeist vor den Toren der Turmkapelle auf. Ein kleiner Auszug von Nutzungen der deutlich machte, das die Garnisonkirche nie von Dritten missbraucht wurde, sondern immer nur von ihren Hausherren, der Stadtpolitik und vor allem den Predigern der Hof- und Garnionkirche. Sie haben den christlichen Glauben für ihre Kriegsrhetorik missbraucht. Der Tag von Potsdam war nur die Spitze des Eisbergs und die logische Konsequenz aus der jahrzehntelangen Nutzung dieses Wallfahrtsortes für Militaristen, Monarchisten, Rechtskonservative, Ewiggestrige, Antidemokraten und die Faschisten zahlreicher politischer Organisationen.

Mehr zur Geschichte und Nutzung des unchristlichen Ortes ist in dieser Broschüre zu erfahren:

Buchvorstellung: „Das Widerstandsprojekt Garnisonkirche – Eine Chronik“ – Potsdam – Stadt für alle (potsdam-stadtfueralle.de)

Zwei Redebeiträge vom Ostermontag haben wir bereits dokumentiert (Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche – Potsdam – Stadt für alle (potsdam-stadtfueralle.de)

Heute dokumentieren wir den Beitrag von Gerd Bauz, von der Martin-Niemöller-Stiftung. Diese Stiftung ist ein langjähriger Kooperationspartner des hiesigen Widerstandes.

Darüber hinaus dokumentieren wir auch einen Brief des alternativen Lernortes Garnisonkirche an den neuen Pfarrer der Turmkapelle, Herrn Kingreen. Wenn die Stiftung sich selbst ernst nimmt und ihren vielen Ankündigungen von Dialogbereitschaft auch Taten folgen lässt, dann dürfte die Annahme des Gesprächsangebot seitens des Lernortes kein Problem darstellen.

Hier der Redebeitrag von Gerd Bauz:

Kein Gottesdienst am Blutaltar

Der christliche Altar hat die archaischen Schlachtopferaltäre überwunden. Er erinnert an das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern, er ist der Tisch des Herrn. Er bildet das örtliche Zentrum der Liturgie. Der Altar ist der Mittelpunkt einer Kirche und bezeugt die Anwesenheit Gottes. Der Altar der Garnisonkirche Potsdam hat von Anfang an die Abwesenheit Gottes bezeugt. Die Abwesenheit Jesu. Der Altar war gerahmt von den römischen Kriegsgottheiten Mars und Bellona, ein in der zweitausendjährigen Geschichte der Christenheit einmaliger Frevel.

Bereits der Erbauer der Kirche ließ diese Figuren dort programmatisch aufstellen, der Soldatenkönig, dessen Haushalt zu 90 Prozent Kriegshaushalt war. So ausgestattet legte sein, von ihm gedemütigter, Sohn los mit dem Überfall auf Schlesien, den drei Schlesischen Kriegen, der Annexion Schlesiens und so weiter. Er wurde ‚der Große‘ genannt. Und so ging es weiter und weiter mit seinen Hohenzollern-Nachfolgern bis zu Wilhelm II, … und dann bis hin zu dem Nach-Nachfolger nach Auschwitz und Stalingrad, eine zunächst zehntausendfache, hundertausendfache, dann millionenfache Blutspur; immer wieder wurde am Blutaltar gestartet und religiös zugerüstet, seit 1800 genau an diesem, der nebenan steht.

Das ehemalige Mitglied der Landessynode der Ev. Nordkirche und Vizepräsidentin ihres Kirchenkreises, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Forschungsstelle Weimarer Republik, Autorin des Standardwerks „Die überforderte Republik“, die Historikerin Prof. Dr. Ursula Büttner stellte im Nationaltheater in Weimar anlässlich des hundertsten Jubiläums der ersten deutschen Demokratie die Frage: „Wie kann man nur auf die Idee kommen, dieses Bauwerk wieder errichten zu wollen, wenn man die Geschichte der Weimarer Republik kennt?“

Wie kann jemand nur an diesem Gegenstand noch Gottesdienst feiern wollen, wenn man die ganze Geschichte hinzunimmt? Wie mag man dieses Identifikations-Objekt des alten und des neuen Nationalismus und Militarismus einfach nutzen wollen – als wäre nichts? Gedankenlosigkeit, Dreistigkeit, Ignoranz, Gefühllosigkeit, Blasphemie, Sympathie, Sturheit, … Entwidmet gehört dieses Trumm, überreif fürs Museum, wo seine Altardecke schon wartet.

Wenn das Militärmöbel in knapp zwei Stunden als Altar – warum eigentlich erneut? – geweiht wird: Was geschieht da? Für welche Wirklichkeit und für welche Wahrheit entscheidet man sich? Was will man setzen und sagen, was übergehen und verschweigen? Auf den Blutaltar wird ein Nagelkreuz gestellt sein. Der Pfarrer, der an ihm Dienst tun wird, sagt dazu: „Das Nagelkreuz ist das weltweite Symbol dafür, dass Versöhnung funktionieren kann.“ Weiter kann man vom christlichen Verständnis der Versöhnung nicht entfernt sein. Versöhnung ‚funktioniert‘ nicht, Versöhnung geschieht. Versöhnung ist eine Gnade. Nicht dass man nach Versöhnung nicht streben und sich bemühen könnte – und sich bemühen muss, damit sie sich einstellen könne. An diesem singulären Ort deutscher Täterschaft, wären anerkennen, benennen und bekennen die Bedingungen der Möglichkeit von Versöhnung. Wie also kann der Blutaltar den Mittelpunkt eines Raumes bilden, der der Versöhnung gewidmet sein soll? Was sagt die weltweite Nagelkreuzbewegung dazu?

Und: Wie laufen nebenan die Verantwortlichkeiten, wenn der Staat zahlt, eine Stiftung bestimmt, die Kirche segnet, eine Synode nicht debattiert und der Bischof, an der Spitze zugleich von Stiftung und Kirche, zulässt – was nicht passiert: Eine wahrheitsorientierte und wahrhaftige Auseinandersetzung mit dem historischen Ort der ehemaligen Garnisonkirche in Potsdam; wenn also unsere Republik dieses Vorganges fortgesetzt enteignet wird?

Ganz herzlich danke ich dem Wissenschaftlichen Beirat des Lernort Garnisonkirche für das Hervorragende an Aufklärung, das hier im Rechenzentrum, aus der Opposition heraus geleistet wird!

Hier der Brief des Lernortes an Pfarrer Kingreen; Anlass ist der Feld- bzw. Blutaltar, der nun wieder in der Kapelle des Turmes steht.

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