Wir brauchen ein Lied für die Garnisonkirche. Ein Friedenslied. Niemand nutzt das Wort Frieden mehr als die Stiftung Garnisonkirche.
Gibt jemand „Kirche Frieden Potsdam“ in die bekannteste Suchmaschine ein, kommen viele Einträge zur Friedenskirche. Das ist ärgerlich. Lautet die Eingabe aber „Garnison Frieden Potsdam“ kommt natürlich die Garnisonkirche zuerst. Ein Ort des Friedens. Ein Heil für uns alle, in diesen kriegerischen Zeiten. Der junge Pfarrer Kingreen und die Stiftung glauben, dass Glauben immer hilft. Und sie denken, trotz gegenteiliger Belege, dass die alte Wetterfahne des Soldatenkönigs Gottesfurcht ausdrückt: „Nec soli cedit“. Nicht einmal der Sonne weicht er, genau wie sie. Und sie hoffen, dass es beim Wiederaufbauprojekt keine Misstöne gibt, sondern nur eine Vielstimmigkeit, und auch die letzten Ungläubigen den Weg des Friedens finden werden.
Diese neue Kapelle mit ihrem Aussichtsturm ist ein Verwandlungs- und Multitalent. Initiiert von Rechten, Konservativen und Leichtgläubigen hat sie sich das Projekt zum Hort der Friedens-, Versöhnungs- und Bildungsarbeit gewendet. Der Weg dahin war und ist mit Stolpersteinen gepflastert. So ist die Stiftung nicht bereit, sich vom „Ruf aus Potsdam“ zu distanzieren, der sehr wohl von einem nationalistisches Opfernarrativ geprägt ist (und u.a. von Alexander Gauland mitunterzeichnet wurde). So geht Versöhnung.
Ihre Füße richten sie nun auf den Weg des Friedens und behalten aber einen militärischen Namen: Garnisonkirche. Ist dies gelebte Konversion oder muss der Friede wieder bewaffnet sein? Sie hätten sich auch Heilig-Kreuz-Kapelle nennen können. Das hätte mehr Bezug zum Christentum und zur Geschichte des Objektes gehabt. Denn schon die Christen in der DDR gaben sich für ihr kleine Turmkapelle, in Kenntnis der Geschichte der Garnisonkirche, einen neuen Namen. Die wiedervereinigten Deutschen geben dem Ganzen hingegen wieder den Impetus des Preußischen, des Nationalen. Ein großes „geeintes“ Deutschland muss auch groß denken. Sie glauben, mit den Nagelkreuz auf dem alten Feldaltar ist nicht nur das Blut, sondern auch die Schuld getilgt. Eine tolle PR-Aktion. So wird Geschichte erinnert.
Leider war der Name Friedenskirche in Potsdam schon vergeben. Auf einer Sanssoucci-Webseite steht: „Sie (die Friedenskirche) steht auch für den Wunsch des Königs nach Frieden und Versöhnung in einer Zeit, die von politischen Unruhen und Konflikten geprägt war. Ihre Weihe im Jahr 1848, ein Jahr der politischen Umbrüche in Europa, unterstreicht die Botschaft des Friedens, die von diesem Ort ausging.“ Auf solche Wortakrobatik muss mensch erst mal kommen. 1848 wünscht sich der kriegstreibende König (Friedrich Wilhelm IV) aus Angst vor Veränderung und Machtverlust, dass mit ihm versöhnlich umgegangen wird und nicht der Kopf abgeschlagen wird. Aus „Friede mit euch“, wird „Friede mit mir“.
Dies wiederum passt auch zum Habitus der Garnisonkirchen-Propagandist:innen. Sie wollen doch nur spielen: Friedensengel. Nachdem über tausend Jahre in Gottes Namen Krieg geführt und geprädigt wurde, wollen sie nun Frieden haben. Sie wollen mit dem Wort Frieden spielen und zeitglich nicht die Spender:innen verprellen, die die alten Zeiten wieder haben oder zumindest „sehen“ wollen. Die alten Witwen oder die politisch rechts stehenden Spender:innen, deren Namen die Stiftung nicht wissen will und auch nicht preis geben möchte. Pecunia non olet.
Das Friedensmusikkorps der Bundeswehr spielt für das Stabs-Carillon der Garnisonkirche, oder andersherum?
Nun soll am 7. Mai eine Militärkapelle aufspielen, um bei einem Benefizkonzert in der Nikolaikirche Geld für das „Friedens-Carillon der Garnisonkirche“ einzuspielen. Militärs hatten die Idee zum Aufbau des Glockenspiels in Iserlohn und der Verbringung nach Potsdam. Militärs hatten die Idee, im Ausland gefallene Soldaten in der Garnisonkirche aufzubahren und zu ehren. Militärs saßen und sitzen im Kuratorium der Stiftung Garnisonkirche und Militärs spielen nun wieder eine Geige. Selbst die Militärseelsorge der Bundeswehr gehört zu den Spender:innen für den Wiederaufbau der ehemaligen Militärkirche. Bestimmt weil der Bundeswehroffizier Max Klaar nur gottesfürchtig und nicht rechts war und wir heute eine Friedensarmee haben, die völlig selbstlos und ohne politische oder wirtschaftliche Interessen Peacekeeping in der Welt betreibt. Und aktuell wieder dauerhaft an der Memel stationiert ist.
Welches Liedgut das „Friedens-Carillon“ (falls es jemals ertönt) spielen wird, bleibt abzuwarten. Zu jeder vollen Stunde „Give Peace a Chance“ und zu jeder halben „Ein bisschen Frieden“?
Als kürzlich im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme der Turmkapelle Pfarrer Kingreen wieder davon anfing, dass die goldene Wetterfahne der Preußen die Stadtkrone bilden soll, weil die angebetete Sonne ein Gottessymbol sei, stelle ich mir den Glanz vor. Eine eigene goldene Sonne scheint über das prachtvolle barocke, wieder aufgebaute Potsdam.
Schööön.
Die Sonne als Wetterfahne der Garnisonkirche und Stadtkrone. Die Sonne, ein Macht- und Gottessymbol. Wir Potsdamer:innen hätten dann alle eine Platz an der Sonne. Zusätzlich zu den blühenden Landschaften und den steigenden Mieten. Toll!
Vor fast 60 Jahren wurde die Kirchenruine gesprengt, jetzt steht der Turm und in der Zukunft soll auch das Schiff entstehen. So Gott und OBM Schubert wollen. In Anbetracht dessen, in Anbetracht der „Wiedervereinigung des Vaterlandes“ und all den zahlreichen Rekonstruktionsbestrebungen zur Überwindung der Ruinen und „sozialistischen Notdurftarchitektur“ braucht es einer musikalischen Würdigung.
Ein Lied für das Carillon muss gefunden werden. Ein Lied des Lichtes, welches auch das Streben der Stiftung nach Frieden und Versöhnung sowie dem Dienst am Guten würdigt.
Zum Glück gibt es dies schon!
„Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt,
laß uns dir zum Guten dienen, Deutschland, einig Vaterland.
Alte Not gilt es zu zwingen, und wir zwingen sie vereint,
denn es muß uns doch gelingen,
daß die Sonne schön wie nie über Deutschland scheint.“
P.S: Leider können wir Herrn Becher nicht mehr fragen, ob wir „Deutschland“ in der letzten Zeile durch „Potsdam“ ersetzen dürfen. Da aber der Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam von nationaler Bedeutung ist, brauchen wir eigentlich keine Textänderung, sondern nur das alte Selbstbewusstsein: an Potsdams borussischen Wesen, wird auch Deutschland genesen.
O.W.
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