Kriegsverrat ist Friedenstat!

Wir laden gern im Namen des „Vereins zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam“ herzlich zur Eröffnung der Ausstellung zu Leben und Wirken des Wehrmachtsdeserteurs Ludwig Baumann ein.

Am Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung am Mittwoch, 15. Mai 2024, 17:00 Uhr wird die Ausstellung „Kriegsverrat ist Friedenstat“ vor dem Filmmuseum Potsdam in der Breiten Straße eröffnet.

Die Veranstaltung ist Teil der Aktionswoche der „object war campaign“. Die Ausstellung wird ergänzt um eine Filmvorführung. „Die Liebe zum Leben“ mit und über Ludwig Baumann am Donnerstag, 06.06.24, 19 Uhr im Filmmuseum!

Mehr zur Aktionswoche und zum Dokumentarfilm nachstehend.

Aktionswoche „objekt war campaign“ :

Rund dreißig Organisationen aus Deutschland rufen zu einer Aktionswoche zum Schutz für all diejenigen auf, die in Russland, Belarus und der Ukraine den Kriegsdienst verweigern. Die Aktionswoche wird rund um den 15. Mai, dem Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung, stattfinden. Zwei Jahre nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine gibt es weiter keinen Schutz für diejenigen aus Russland und Belarus, die sich nicht an dem völkerrechtswidrigen Krieg beteiligen wollen. Und auch die Ukraine erkennt kein allgemeines Recht auf Kriegsdienstverweigerung an; einige Verweigerer wurden sogar zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Es gibt mindestens 250.000 Militärdienstpflichtige aus Russland, die seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine das Land verlassen haben und Schutz in anderen Ländern suchen. Schätzungsweise 22.000 belarussische Militärdienstpflichtige haben ihr Land verlassen, weil sie sich nicht an einer möglichen Beteiligung am Krieg in der Ukraine beteiligen wollen. In der Ukraine wird die Zahl der Männer, die versuchen, sich dem Kriegsdienst zu entziehen und in die EU geflohen sind, nach Zahlen von Connection e.V., auf 325.000 geschätzt. Viele Tausend verstecken sich auch innerhalb des Landes. Die Ukraine erkennt kein allgemeines Recht auf Kriegsdienstverweigerung an; die bestehenden Regelungen werden gerade weiter verschärft.

Sie alle müssen wegen ihrer Haltung gegen den Krieg eine mehrjährige Verfolgung befürchten. Sie hoffen auf Schutz in der Europäischen Union.

„Es ist eine Schande, dass die europäischen Staaten der Ukraine unbegrenzte Unterstützung zusagen, aber gleichzeitig denjenigen keine Zuflucht gewähren, die sich an dem Krieg nicht beteiligen wollen. Damit wird hingenommen, dass Menschen gegen ihren Willen zu Mittäter*innen in diesem völkerrechtswidrigen Krieg gemacht werden“, so Dr. Christine Schweitzer vom Bund für Soziale Verteidigung.

„Angesichts des Krieges in der Ukraine brauchen wir eine klare Zusage der deutschen Bundesregierung und der europäischen Institutionen“, so Rudi Friedrich vom Kriegsdienstverweigerungs-Netzwerk Connection e.V., „dass bei Desertion und ausdrücklich auch bei Militärdienstentziehung in Russland Flüchtlingsschutz garantiert wird. In bisherigen Asylverfahren werden die Betroffenen nach wie vor abgelehnt. Ein echter Schutz für alle, die sich dem Krieg verweigern, ist schon lange überfällig.“ Aber die Quote der Asyl-Anerkennungen von russischen und belarussischen Verweigerern hat sogar abgenommen, wie Zahlen des Bundesinnenministeriums zeigen.

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Dokumentarfilm „Die Liebe zum Leben“ von Annette Ortlieb

D 2023, 63 Minuten; Prädikat besonders wertvoll

30.000 Deserteure wurden in Deutschland während des 2. Weltkriegs zum Tode verurteilt. Einer von ihnen ist der Bremer Ludwig Baumann. Er überlebt Todesstrafe, KZ und Ostfront. Aber selbst nach dem Krieg behält die Todesstrafe ihre Gültigkeit. Er kämpft 12 Jahre mit fast übermenschlichen Kräften auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen für die Aufhebung aller Strafen gegen Deserteure. Schließlich ist er erfolgreich: 2002 – fast 60 Jahre nach Kriegsende – werden die Todesurteile endlich aufgehoben.

Im Film erzählen Ludwig Baumann selbst, sowie die Unterstützerin und Freundin Ursula Prahm, der Historiker Detlef Garbe und die damalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin über ihre Begegnungen und den Kampf Ludwig Baumanns.
Ein versöhnlicher und Mut machender Film.

Annette Ortlieb hat als Autorin und Regisseurin ein beeindruckendes filmisches Porträt realisiert. Es gibt Einblick in die Tiefen der Nazi-Militär-Justiz, die ablehnende Haltung gegenüber Deserteuren in der Nachkriegszeit und die Langsamkeit von politischem Wandel. Ein Wandel, den es ohne Ludwig Baumann nicht gegeben hätte.

Jurybegründung der FBW 2024 zum Prädikat besonders wertvoll:

Mit ihrem Dokumentarfilm macht Annette Ortlieb auf einen Aspekt der bundesdeutschen Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit aufmerksam, um den kaum jemand weiß. Es geht um Deserteure unter den deutschen Soldaten während des Zweiten Weltkriegs. Von den 30000 damals zum Tode Verurteilten haben nur wenige überlebt, und ihnen wurde in der Bundesrepublik weiter Unrecht angetan, weil sie nicht rehabilitiert wurden, weiter als vorbestraft galten und ihnen kaum Entschädigungsgelder zugesprochen wurden. Einer von ihnen war Ludwig Baumann, der sich als Aktivist für die Belange dieser meist lebenslang leidenden Opfer des deutschen Faschismus einsetzte und der maßgeblich dafür verantwortlich war, dass im Jahr 2002 die letzten Urteile der NS-Justiz gegen Wehrmachtsdeserteure aufgehoben wurden.

Die Filmemacherin lernte Baumann in den 1990er Jahren kennen und sie begann 2012 mit den Aufnahmen zu diesem Film, die sie 2018 kurz vor seinem Tod beendete. So ist es ihr gelungen, diese Geschichte aus einer sehr persönlichen und dadurch immer konkreten Perspektive heraus zu erzählen, denn Baumann selber spricht hier von seiner Jugend in Hamburg, von seiner Desertation und Verurteilung, von den 10 Monaten in der Todeszelle, den Anfeindungen, die er in der jungen Bundesrepublik erdulden musste, und von seinem politischen Kampf. In diesen Passagen wird „oral history“ im besten Sinne des Wortes präsentiert, und durch sie bekommt man auch einen intensiven Eindruck davon, wie die traumatischen Erfahrungen die Persönlichkeit von Baumann geprägt haben. Denn dieser hatte eine komplexe, gebrochene Persönlichkeit, die sich zum Beispiel in einem ausgeprägten Kontrollzwang zeigte. Davon erzählt im Film Baumanns langjährige Wegbegleiterin Ursula Prahm, die vor der Kamera über das private Leben von Baumann berichtet.

Über seinen politischen Kampf erzählen der Historiker Detlef Garbe und die ehemalige SPD-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin. Und so ist es Annette Ortlieb gelungen, mit ihrem Film ein komplexes Porträt dieses streitbaren Menschen zu zeichnen, und zugleich auf ein Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte aufmerksam zu machen, das in diesen unfriedlichen Zeiten wieder erschreckend relevant geworden ist.

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Ein Kommentar

  1. Pingback: Wehrpflicht-Debatte: Tag der Kriegsdienstverweigerung mit neuer Brisanz – Peter Nowak

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