Der 21.März ging 1933 als „Tag von Potsdam“ in die Geschichte ein. Nicht nur in die deutsche, sondern in die Weltgeschichte, da an diesem Tag das Deutsche Reich zum 3.Reich wurde und der Deutsche Faschismus auf legitimen Weg die Macht im Lande übernahm.
92 Jahre später wird der Bundesrat am 21.März eine Grundgesetzänderung verabschieden und somit nach dem Beschluss im Bundestag flankieren, die unbegrenzte Kreditaufnahme für die Hochrüstung von Bundeswehr und Abwehrdiensten erlauben wird. Neben den 500 Mrd. € für Infrastrukturen, werden in den nächsten Jahren mindestens in gleichem Maße Gelder für die Militarisierung der Gesellschaft schuldenfinanziert verausgabt werden. Ganze 3 Mrd. € gehen davon dieses Jahr als Unterstützung an die Ukraine. Das kann nicht als Begründung für die Aufrüstung herhalten.
Gerahmt wird diese 1 Billion Euro teure Zeitenwende mit einem Militärspektakel im Lustgarten der Stadt, mit Gerüstarbeiten an der Kopie der wichtigsten Militärkirche der preußisch-deutschen Geschichte, sowie der medialen Begleitung mit dem Tenor „die Russen kommen“.
Das Lustgarten-Spektakel
Der Tagesspiegel schreibt. „Auf dem einstigen Exerzierplatz preußischer Soldaten mitten in der früheren Garnisonstadt Potsdam werden am Donnerstag wieder viele Uniformierte zu sehen sein. Das Landeskommando Brandenburg wird ab 14 Uhr mit einem großen Zeremoniell im Lustgarten den Kommandowechsel vollziehen. Oberst Nikolas Scholtka übernimmt das Kommando von Oberst Olaf Detlefsen, der in den Ruhestand geht.
Es sei das erste Mal, dass eine Übergabe im Lustgarten, seinerzeit unter Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) zur Hälfte in eine Exerzierfläche verwandelt, stattfinde, teilt das Landeskommando auf Anfrage mit. Der Ort sei weder wegen noch trotz seiner Vergangenheit als Exerzier- und Gelöbnisort – auch die Wehrmacht hielt dort Paraden ab – ausgewählt worden. Sondern: Es ist eine Präsenzoffensive.“ Zum Glück sind die Dinosaurier dort rechtzeitig abgezogen.
Für andere ist ein solches „innerbetriebliches“ Spektakel der Bundeswehr ein Signal der Militarisierung der Gesellschaft. Ein Vorbote zum Wiedereinstieg in eine aggressive Wehrpflicht. Es war Friedrich Wilhelm der I. der das Kantonsystem 1733 einführte, welches als Vorläufer der Preußischen Wehrpflicht ab 1813 galt. Nun ist es „Friedrich der Sauerländer“ der alles daransetzen wird, dass die ausgerufene Kriegstauglichkeit auch personell untersetzt werden wird. Vielleicht gibt es wieder Wehrkundeunterricht. Militärische statt musikalische Früherziehung, oder kombiniert: Kindern den Marsch blasen.
Die Turmhaube -spektakuläre Symbolik
Es passt auch in die Zeit, dass gerade in dieser „Militärwoche“ vorbereitende Arbeiten für das Aufsetzen der Turmhaube an der Garnisonkirche beginnen. Deutschland will mehr Verantwortung übernehmen, so die politische Sprechblase für mehr Macht, mehr militärische Stärke innerhalb Europas. Der schon mehrfach erwähnte Friedrich Wilhelm I. (der Soldatenkönig) wollte auch dies mit seiner Turmspitze symbolisieren. Mehr Macht, mehr Einfluss für Preußen in Europa. Eine eigene Sonne für Preußen. Dem französischen Sonnenkönig und seiner Macht ein Gleichnis entgegensetzen. Der preußisch-deutsche Adler fliegt wieder.
Der Soldatenkönig rüstete auf. Sein Sohn, Friedrich der II oder „der Große“ nutzte diese militärische Macht und überfiel zuerst Schlesien und später viele andere Nachbarn. Was werden die Nachfolgeregierungen mit dieser milliardenschwer hochgerüsteten Armee anfangen? Was wird eine hypothetische Koalition aus CDU, CSU und AfD nach der nächsten oder übernächsten Bundestagwahl priorisieren? Abschottung oder Ausbreitung. Gerade jetzt, wo auch die westliche Weltordnung in Nationalismus und imperialistische Großmachtsucht zerfällt.
Die medialen Spekulationen
Aufrüstung kann am Ende zu Krieg führen. Letztendlich ist Krieg „nur“ die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln. Dies erleben wir aktuell in der Ukraine oder im Nahen Osten. Am Ende der Weimarer Republik treten wie heute wieder die Bellizisten auf. Fragende Menschen werden schon als „Friedenshetzer“ beschimpft. Es wird fabuliert, dass Debatten unmöglich gemacht werden und sich die Balken biegen (Fakten ignoriert werden). Vielen bekommen den Eindruck, dass „die Russen“ schon morgen wieder am Brandenburger Tor stehen und die Sicherheit Deutschlands sei wegen einer unterfinanzierten Bundeswehr in Gefahr. Aktuell ist es Russland nicht mal gelungen (zum Glück!) ihre annektierten Teilrepubliken (die vier ukrainischen Oblaste Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja) militärisch zu besetzen. Richtig ist auch: „Die deutschen Ausgaben für Verteidigung (nach Nato-Kriterien) stiegen seit 2014 von 34,7 auf 57,7 Milliarden Euro im Jahr 2022. Das ist ein satter Anstieg um 66 Prozent in acht Jahren. „Es ist ein Mythos, dass die Bundeswehr schlecht ausgerüstet ist, weil sie zu wenig Geld bekommt“ (Herbert Wulf: Haushalts-Déjà-vu, in: Wissenschaft & Frieden, 2023/4). Seiner Meinung nach, kann sie nicht mit Geld verantwortungsvoll und effektiv umgehen.
Wir müssen „kriegstüchtig“ werden, wiederholt der SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius stetig. Der Journalist Heinz-J. Bontrup stellt diese Woche fest: „Russland hat Deutschland noch nie angegriffen. Umgekehrt ist es aber richtig. Russland ist ökonomisch, sieht man einmal von seinen Rohstoffen ab, lediglich ein Zwerg und bei der konventionellen Rüstung den Nato-Staaten, auch ohne die USA, weit unterlegen. Russland ist jedoch bei der atomaren Rüstung auf Augenhöhe mit den USA.“ Jede ernsthafte, militärische Auseinandersetzung Russlands mit NATO-Staaten würde zum Desaster für BEIDE Seiten führen. Letztendlich sichern die europäischen (z.B. Frankreich) und amerikanischen Atomraketen dem Bündnis den Frieden. Gleichzeitig bedeuten diese Atomraketen unseren Untergang als Zivilisation.
Aufrüstung braucht Feindbilder um die gesellschaftlichen Opfer (von der Schuldenbelastung der öffentlichen Haushalte bis zum Gewissens- und Freiheitseingriff Wehrpflicht) zu legitimieren. Aktuell ist Russland das Hauptfeindbild. Sönke Neitzel, Professor für Militärgeschichte und Kulturgeschichte der Gewalt von der Universität Potsdam schätzt ein: „Putin wird Berlin nicht bombardieren“. Er kennt niemanden, der so etwas für realistisch erachtet. „Man glaubt eher, dass Russland sich auf ein begrenztes Testen der Nato konzentrieren wird mit dem Ziel, die Nato politisch zu zerstören.“ Ähnlich wie es die USA auf politischem Wege mit Europa die letzten Jahre getan hat. Keile treiben.
Der Brigadegeneral a. D. Erich Vad warnt vor Gefahren einer europäischen Politik, die von Ideologie und Wunschdenken getrieben ist und sich von der Wirklichkeit verabschiedet. In einem aktuellen Interview äußert er „In der Tat scheinen wir in Deutschland eine politische, intellektuelle und mediale Klasse zu haben, die in Teilen zum Krieg bereit ist, auch und vielleicht gerade deshalb, weil es sie nicht existentiell betrifft und sie solche Lagen überhaupt nicht realistisch einschätzen können. Erich Maria Remarque hat das einmal sehr schön auf den Punkt gebracht: „Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind. Besonders die, die nicht hingehen müssen.“
Was bedeutet der „Tag von Deutschland“, der 21.März 2025 für die Landeshauptstadt? Die alte Garnisonstadt Potsdam hat ihr militärisches Pathos wieder. Ein „Tag von Potsdam“ neuer Art, in alter Tradition, vor der sich aber alle Teilnehmenden, Aufmarschierenden und Bauherren selbstverständlich distanzieren, obwohl sie darauf zurückgreifen. Geschichte wiederholt sich nicht, denn heute geht es in der alltäglichen Laudatio um die „Sicherung von Frieden, Freiheit, Wohlstand und Versöhnung.“
Ein Kommentar von O. Werner