Das Wohnungspolitische Konzept der Landeshauptstadt
„Stadt für alle“ zieht eine kritische Bilanz

2015 verabschiedeten die Stadtverordneten ein Wohnungspolitisches Konzept. Über ein Jahr lang arbeiteten viele engagierte Bürger*innen daran mit.
Heute – 2023 – soll eine neues Wohnungspolitisches Konzept erarbeitet werden. Als Netzwerk wurden wir gefragt, ob wir uns daran beteiligen wollen.. Das tun wir – teilweise mit großem zeitlichen und fachlichen Einsatz.

Gemeinsam haben wir deshalb in den letzten Wochen Bilanz gezogen: Was hat das bisherige Wohnungspolitische Konzept gebracht, welche Wirkungen hat es erzielt und was können wir daraus lernen?

Hier findet Ihr unsere kritische Analyse in 5 Teilen, die wir nach und nach veröffentlichen und damit zur Diskussion stellen.

Zuerst das notwendigen Dokument

Wohnungspolitisches Konzept von 2015

Teil 1: Das Potsdamer Baulandmodell

Was war der Auftrag?

“1.B Weiterentwicklung der Richtlinie zur Kostenbeteiligung bei der Baulandentwicklung
“Um die bedarfsgerechte Verfügbarkeit von Wohnungen für Haushalte mit geringem Einkommen zu erhöhen, werden Regelungen zur Schaffung mietpreis- und belegungsgebundener Wohnungen in die Richtlinie zur Kostenbeteiligung bei der Baulandentwicklung (SVV-Beschluss vom 30.01.2013) aufgenommen. …

Bisher regelt die Richtlinie die Beteiligung der Planungsbegünstigten an denjenigen Kosten, die Voraussetzung (wie z.B. Planungs- und Erschließungskosten) oder Folgen (wie z.B. Kosten der sozialen Infrastruktur) des Vorhabens sind. Die Richtlinie sollte künftig neben der Kostenbeteiligung für die technische und soziale Infrastruktur auch Regelungen zur Mietpreis- und Belegungsbindung enthalten.”

Wurde der Auftrag umgesetzt?

So – Ja, die Richtlinie zur “Richtlinie zur sozialgerechten Baulandentwicklung in der Landeshauptstadt Potsdam” wurde 2019 um eine wohnungspolitische Komponente erweitert, die auf die Herstellung mietpreis- und belegungsgebundenem Wohnraums in Verbindung mit der Wohnungsbauförderung des Landes zielt.

Die Wirkung ist allerdings mehr als bescheiden. Jahrelang wurden gar keine neuen Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindung gebaut. Seit Änderung der Richtlinie sind bis zum ersten Halbjahr 2023 rund 150 Wohnungen mit Mietpreis-oder Belegungsbindung entstanden, weitere 38 sollen vertraglich vereinbart sein (PNN 20.04.2023). Allerdings sind darin allein 143 Wohnungen aus dem großen Wohnungsbauprojekt der ProPotsdam in der „Heinrich-Mann-Allee“ – die laut Auftrag sowieso vorrangig Wohnungen mit Bindungen bauen soll.
Die restlichen 8 sind tatsächlich ein kläglicher Rest – aus dem Kirschprojekt in der Großbeeren -/ Steinstraße. Sonst wurden nach diesem Modell keine Sozialwohnungen in Potsdam gebaut.

Warum ist die Wirkung so begrenzt?

Das Potsdamer Modell nutzt die planungsbedingte Bodenwertsteigerung, d.h. die Differenz aus dem Bodenwert vor Planung gegenüber dem Bodenwert nach Abschluss der Planung, als Maßstab für die Beurteilung der Angemessenheit. Ein Drittel der Differenz verbleibt beim Investor bzw. dem Eigentümer; zwei Drittel stehen der LHP zur Verteilung zur Verfügung. Die Verteilung folgt dabei folgender Prioritätenliste: 

• Die Kosten für Planung und Erschließung sind stets in vollem Umfang zu entrichten.
• Zweite Priorität besitzt die Kostenbeteiligung an der Herstellung der sozialen Infrastruktur (Kita, Schule)
• Wenn das Verteilungsvolumen noch nicht ausgeschöpft ist, wird der Rest der Summe zur Errichtung von mietpreis- und belegungsgebundenem Wohnraum eingesetzt. Die angestrebte Zielquote hierbei ist 30% der neu zu schaffenden Wohnfläche.

Die Monitorbericht zum Potsdamer Baulandmodells im Jahr 2019 ergab, dass die verfügbare Bodenwertsteigerung in den meisten Fällen nicht ausreichte, um über die Planung- und Erschließungskosten sowie die Folgekosten für die soziale Infrastruktur hinaus auch noch einen Beitrag zur Finanzierung von mietpreis- und belegungsgebundenem Wohnraum zu leisten.

An dieser Situation hat sich auch nach Neujustierung des Modells 2019 im Grundsatz nichts geändert:
Zwar ist seither der Bodenwert erheblich gestiegen – aber eben auch die Kosten für Erschließung und Bau der Infrastruktureinrichtungen. Wieder bleibt für die dritte Prioritätsstufe, den sozialen Wohnungsbau, kaum etwas übrig.
Bei einigen Projekten wurde die ursprüngliche Festlegung des Baus von Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindung sogar wieder gestrichen, wie z.B. in Zentrum Ost auf dem Geländes des inzwischen ehemaligen Nutzwäldchen oder aktuell beim Semmelhaack – Projekt im Kirchsteigfeld.

Was kann besser gemacht werden?

Eine Änderung der Berechnungsgrundlage für die Angemessenheitsprüfung vom Bodenwert zum prognostizierten Ertrag des Grundstücks könnte u.U. die Verteilsumme und damit den Anteil für soziale Wohnraumversorgung erhöhen. Dies wird gegenwärtig in einigen Städten – u.a. Bonn und München – erprobt.

Allerdings ist zu bedenken, dass es sich beim dem Potsdamer Baulandmodell um ein Instruments der Refinanzierung der Kosten der Baulandproduktion und infrastrukturellen Folgeeinrichtungen handelt;
der Bau von bezahlbarem Wohnraum ist nicht mehr als ein Kollateraleffekt. Konsequent gedacht, gehört es so wie bisher gar nicht in das Wohnungspolitische Konzept.

Wir plädieren dafür, das neue Wohnungspolitische Konzept um Maßnahmen zu erweitern, deren Ziel darin besteht, bezahlbaren Wohnraum mit Instrumenten der gemeinwohlorientierten und nachhaltigen Bodenpolitik umzusetzen.
Wesentliche Voraussetzung ist der Erwerb von Flächen für geplante Vorhaben oder die langfristige Bevorratung. In welche Höhe Finanzmittel aus dem kommunalen Haushalt bereitgestellt werden, ist letztlich eine politische Entscheidung der Stadtverordneten. Die Stadt Potsdam stellte in den letzen 5 Jahren dafür 10 Mio. € zur Verfügung, die Stadt Münster für ihr Model der Sozialgerechten Bodennutzung 18 Mio. € pro Jahr. Zwischen beiden Summen klaffen Welten.
Wenn Potsdam ernsthaft Bodenpolitik betreiben will, die einen dauerhaften Beitrag zu bezahlbarem Wohnen leisten soll, muss schrittweise und langfristig mehr Geld für Flächenerwerb zur bereitgestellt werden. Das Wohnungspolitische Konzept kann hierfür den Rahmen abstecken und Vorschlage für die Debatte unterbreiten.

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