Das Wohnungspolitische Konzept der Landeshauptstadt
„Stadt für alle“ zieht eine kritische Bilanz
2015 verabschiedeten die Stadtverordneten ein Wohnungspolitisches Konzept. Derzeit wird es überarbeitet.
Für uns Anlass zu fragen, wie die Bilanz im Jahr 2023 ausfällt.
Erfolge werden mit Sicherheit andere für sich verbuchen wollen.
Wir konzentrieren uns auf Versäumnisse und Fehlschläge.
Teil 2: Förderung von Baugemeinschaften und anderen Wohnformen
Was war der Auftrag?
Die Unterstützung und Förderung von Baugemeinschaften und anderen Wohnformen finden sich im Wohnungspolitischen Konzept von 2015 an vielen verschiedenen Stellen wieder.
„1.B Beratung von Baugemeinschaften ausbauen…
Baugemeinschaften werden durch spezifische Beratungsangebote gezielter in den Blick genommen und aktiviert. Die Stadtverwaltung sollte mit Beratungs- und Koordinierungsfunktion Erstberatungen zu Fragen rund um das Thema Baugemeinschaften anbieten, um Interessierte zu erfassen, zu vernetzen und an professionelle Dienstleister in der Stadt, die Baugemeinschaften bei der Planung und Durchführung fachlich begleiten können, weiterzuleiten. Das Beratungsangebot sollte durch eine informative Homepage zu Baugemeinschaften in Potsdam flankiert werden.“
„1.G Konzeptvergabe ausbauen … richtet sich an Gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen, die den Anspruch vertreten, breite Bevölkerungsschichten mit preiswertem Wohnraum zu versorgen, Genossenschaften oder Baugemeinschaften“
„3.D Neue Finanzierungs- und Organisationsmodelle
…Das Modell des Bürgerfonds, wie es etwa im Bereich der erneuerbaren Energien regelmäßig zur Anwendung kommt, wird ebenso mit Bezug auf den Wohnungsmarkt thematisiert wie neue Organisationsmodelle (z.B. Neugründung von Genossenschaften, Mietshaussyndikat, Beteiligungsmodelle mit Stiftungen).
Die vielfältigen Einzelanregungen aus dem Prozess zum wohnungspolitischen Konzept aufgreifend, werden neue Finanzierungs- und Organisationsmodelle auf ihre Anwendbarkeit in Potsdam und ihren Beitrag für mehr bezahlbares Wohnen hin im Rahmen einer Machbarkeitsstudie überprüft.“
… Eine entsprechende Machbarkeitsstudie sollte zum anderen auch die Möglichkeiten neuer Akteure auf dem Wohnungsmarkt in den Blick nehmen (z.B. Mietshaussyndikat, Neugründung von Genossenschaften). Dies ist vor allem als Option im Falle des Verkaufs von Mietwohnobjekten vorstellbar („Bewohnergenossenschaft“). Hier sollten konzeptionelle Vorüberlegungen zumindest insoweit erarbeitet werden, dass im Bedarfsfall (d.h. in der Regel unter Zeitdruck) effektiv reagiert und eine entsprechende Bewohnerinitiative angemessen unterstützt werden kann.“
4.C Beratungsangebote für besondere Wohnkonzepte und Wohnprojektinteressierte bündeln
Verwaltungsseitig werden bestehende und neue Beratungsangebote für besondere Wohnkonzepte und Wohnprojektinteressierte gebündelt, um die Vermittlung an geeignete Anlaufstellen und zu Ansprechpersonen in der städtischen Verwaltung oder bei anderen Wohnungsmarktakteuren zu verbessern.“
3.C Vermittlung von Mietshäusern an sozial verantwortliche Eigentümer
“Die Möglichkeiten einer Agentur für die Vermittlung von Mietshäusern an sozial verantwortliche Eigentümer werden geprüft.”
Wurden die Aufträge umgesetzt?
Ganz klar: Nein.
Keine der Punkte wurde bis heute umgesetzt.
Es gibt weder eine Beratungsstelle für Baugemeinschaften noch Anlaufstellen in der Verwaltung.
Eine Machbarkeitsstudie zu neuen Finanzierungs – und Organisationsmodellen wurde nie in Auftrag gegeben.
Es wurde auch nicht geprüft, welche Möglichkeiten sich für die Stadt ergäben, wenn eine Agentur behilflich wäre, den Verkauf von Häusern den sozial verantwortliche und engagierte Eigentümer zu vermitteln.
Konzeptvergaben an nichtkommerzielle Gemeinschaftsprojekte oder Verkäufe an gemeinwohlorientierte Träger kamen nie zustande.
Warum sind diese Aufträge nicht umgesetzt worden?
Ganz offensichtlich gab es trotz aller Beratungen und Beschlüsse 2014/ 2015 erhebliche Vorbehalte gegenüber solchen anderen Wohn- und gemeinschaftlichen Eigentumsformen.Bewerbungen von Baugemeinschaftsprojekten bei Ausschreibungen wie bei der Goethestraße wurden ausgebremst und ignoriert, möglichen Mieterinnenerwerb wie in der Wollestraße unmögliche Hürden in den Weg gelegt, gemeinsame Werkstattverfahren endeten mit einer intransparenten anderen Entscheidung zuungunsten der Gemeinschaftsbewerbung wie in der Döberitzerstraße. Dabei waren die fachlichen und konzeptionellen Rahmenbedingungen gegeben. Von 2016 bis 2019 wurde Potsdam zur „Laborstadt für Potenziale gemeinschaftlichen Wohnens“ einem Forschungsprojekt von DIFU, ITZ und Plan & Praxis.In drei Jahren, vielen Werkstattgesprächen und öffentlichen Veranstaltungen – an denen die Vertreterinnen des Mietshäusersyndikats und anderer Wohnprojekte in Potsdam intensiv beteiligt waren – wurden Forschungsergebnisse erarbeitet, Konzepte gemeinschaftlichen Wohnens vorgestellt und Vorschläge präsentiert, wie in Potsdam gemeinschaftliches Wohnen gefördert werden könnte.Bei einer Fachtagung am 20.06.2019 mit dem Titel „Reale Utopien – Gemeinschaftliche Wohnformen als Trittsteine der Stadtentwicklung“ im Oscar in Drewitz stellte Cord Soehlke, Baubürgermeister der Stadt Tübingen, das innovative Konzept der kleinteiligen Vergabe und Beteiligung von Grundstücken in neuen Quartieren an Baugemeinschaften vor.
Seit dem Ende dieses tollen Forschungsprojektes ist in Potsdam – nichts passiert.
Was kann besser werden?
Alles.
Im Grunde können wir alles wieder so in das neue Wohnungspolitische Konzept aufnehmen:Es bedarf einer Anerkennung der Möglichkeiten, durch die Unterstützung nichtkommerzieller Wohnprojekte bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und zu erhalten. Solche Organisationsformen wie das Mietshäusersyndikat müssen bei der Vergabe von Grundstücken und Häusern informiert und beteiligt werden, dies gilt auch im Neubau wie in Krampnitz. Die Stadt sollte dies durch eine neue Vergabe- und Bodenpolitik unterstützen, welche Erbbaurechtsvergaben nach Liegenschaftszinsen einschließt. Und schließlich muss dies alles in einer Anlauf- und Beratungsstelle gebündelt werden.