Offener Brief
la datscha – Mai 2018
Potsdam, Mitte des Jahres 2018 – im Zuge des fortschreitenden Preußenwahns und der damit einhergehenden Verwertungslogik schreitet der Ausverkauf in der brandenburgischen Landeshauptstadt scheinbar unaufhaltsam voran. Im wiedererbauten Stadtschloss tummelt sich das Stadt- und Landesparlament.
Der Aufbau der Garnisonkirche wird gegen alle Bedenken weiter vorangetrieben und entgegen dem Bürgerhaushaltsvotum durch die Stadt gebilligt und mitfinanziert. Die alte Fachhochschule in der Stadtmitte ist trotz des großen Widerstands vieler Potsdamer*innen und der Besetzung zum größten Teil abgerissen und der Stadt Potsdam damit eine kulturell vielfältig und soziale Mitte endgültig versagt. Das Terrassenrestaurant Minsk steht ebenfalls kurz vor dem Abriss. Auch in Babelsberg ist einiges passiert und steht Neues auf dem Plan. So mussten bereits viele Gärten am Horstweg den altbekannten Investoren und Spekulanten weichen. Am Havelufer soll es in diesem Jahr weitergehen. So soll Ende des Jahres der Vertrag für den Segelsportverein am Babelsberger Park auslaufen und es gibt scheinbar auch kein Interesse an einer Verlängerung. Vielmehr will die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) eine Schließung vorantreiben und einen derzeit durch das Strandbad Babelsberg versperrten historischen Parkrundweg wiedererschaffen. Dafür soll das Strandbad umplaziert werden sowie der Segelsportverein weichen.
Entgegen der Beteuerungen seitens der Stadt denken wir, dass die datscha im Zuge dieser Veränderungen erneut Verhandlungsmasse sein könnte und der sogenannte Flächentausch wieder zum tragen kommt. Dabei würde die Stadt das Gelände, auf dem die datscha steht, an die SPSG abgeben und gegen ein anderes Gelände tauschen, vielleicht um lang ersehnte Parkplätze zu bauen oder um ihre sinnfreie Pufferzone vor dem Parkgelände durchzusetzen. Damit wäre das Bedrohungspotential für die datscha um einiges größer. Und wieder gibt es, wie so oft in dieser Stadt, keine transparenten Gespräche. Die Treffen finden unter Geheimhaltung hinter verschlossenen Türen statt und es wird tunlichst darauf geachtet, dass nichts an die Öffentlichkeit gelangt. Dabei wird immer wieder deutlich, wie verquickt die beiden „Gesprächspartner“ Stadt und Stiftung sind. Es gibt überlappende Interessen und mit einem Wechsel in der Führungsriege der Stiftung und auch der anstehenden Bürgermeisterwahl ist zu befürchten, dass es eher noch mehr als weniger Vetternwirtschaft geben könnte. Wir gehen davon aus, dass in diesem Jahr versucht wird, die einzelnen Betroffenen gegeneinander auszuspielen. Damit würde ein Keil zwischen die verschiedene Initiativen getrieben werden. Das werden wir nicht zulassen. Die Zusammenarbeit mit dem SV Concordia Nowawes 06 und die damit zusammenhängende Entstehungsgeschichte der Nowawiese (Grünstreifen zwischen Park Babelsberg und Zentrum Ost) zeigen, dass das Zusammenspiel verschiedener Initiativen erfolgreich sein kann und der entstandene Freiraum von vielen genutzt wird. Wir fordern daher offene Gespräche über die Entwicklung der Stadt! Klar ist, wir sind kein Tauschobjekt. Wir sind ein besetztes Haus und lassen uns weder wegtauschen noch sonst irgendetwas. Wir fordern ganz energisch – Finger weg von der datscha! Kein Flächentausch! Strandbad und Vereinsstandorte bleiben! In den Etagen der Stadtregierung und auch in den Gremien der SPSG soll kein Mensch glauben, dass wir als datscha dem Ganzen schweigend und tatenlos zuschauen werden. Wie die letzten Mietenstoppdemos beweisen, bleiben Verdrängungsprozesse in Potsdam nicht unkommentiert. Das Mobilisierungspotential rund um das Thema Mieten und Vertreibung ist groß und mit der Verschärfung der Verhältnisse in der Stadt ist davon auszugehen, dass immer mehr Menschen dagegen protestieren werden. Diese haben die Schnauze voll, immer vor den Kapitalinteressen und preußischer Rehistorisierung weichen zu müssen. Das betrifft neben dem Erhalt von Wohnraum eben auch den Erhalt von Sport- und Erholungs- sowie Kulturstandorten. Wir fordern es ein – das bunte und tolerante Potsdam. Finger weg von sozialen Einrichtungen! Finger weg von selbstverwalteten Wohn- und Kulturprojekten! Kein Ausverkauf städtischen Wohn- und Kulturraums! Gegen Zwangsräumungen! Für ein Rechenzentrum! Die Stadt sind wir alle!