Freiland gerettet?

Aber…

Nun hat das Kulturzentrum Freiland endlich wieder einen verbindlichen Pachtvertrag.
Mit einer Laufzeit von einem Jahr und unter krassen Bedingungen erkämpft.
Es wird Zeit, über Alternativen nachzudenken.
Erst einmal aber dokumentieren wir die Erklärung des NutzerInnenplenums:

Liebe Freund*innen,
Liebe Unterstützer*innen,
Liebe Besucher*innen,
die Versammlung aller freiLand-Nutzer*innen kann euch mitteilen, das freiLand bleibt freiLand – etwas kleiner und auch nur vorerst.
Das freiLand stand kurz vor dem offiziellen Aus. Bis Donnerstag, den 27.09., war vollkommen unklar, ob der Pachtvertrag zwischen den Stadtwerken Potsdam und der freiLand-Betriebsgesellschaft CULTUS UG ab 01.10. fortgesetzt wird. Das gesamte freiLand-Projekt stand auf der Kippe.
Kein Pachtvertrag hätte für das freiLand bedeutet: kein gültiger Betreiberinnenvertrag, und damit keine Basis für die Förderung der Stadt. Weiterhin hätten alle im freiLand angesiedelten Projekte keine rechtliche Grundlage mehr für die von ihnen angemieteten Räumlichkeiten gehabt. Also eigentlich das Aus für einen der wenigen Orte alternativer Kultur und partizipativer Strukturen in dieser Stadt. Auch nachdem nun in letzter Sekunde ein neuer Pachtvertrag unterzeichnet wurde, befinden sich die Betriebsgesellschaft und die zahlreichen im freiLand ansässige Künstler*innen, Initiativen, Sportgruppen und Vereine und deren Veranstaltungen in einem nur vorübergehend gesichertem Status.
Moment mal, was ist denn jetzt los? Gab es nicht im Juni 2018 einen Stadtverordnetenbeschluss und einen klaren Auftrag an die Stadtwerke zur Verlängerung des bestehenden Vertrages? Hat nicht der scheidende Oberbürgermeisters zugesagt, das freiLand unbedingt weiterführen zu wollen? Ja, das gab es alles. Aber was demokratische Absichtsbekundungen in einer Stadt wert sind, deren kommunale Unternehmen per Satzung auf Gewinnmaximierung aus sind und einer eigenen Agenda folgen, wurde hier sehr deutlich.
Kurze Chronologie
2011 eröffnete das freiLand-Kulturzentrum unter der Betriebsgesellschaft CULTUS UG als Pächterin auf dem Gelände der Stadtwerke. Dieser Ort war damals eine der Antworten auf die vielen Proteste in der sogenannten Jugendkulturkrise, die durch etliche Schließungen und Abrisse jugend- und soziokultureller Orte in Potsdam ausgelöst wurde. Zunächst in Kooperation mit Stadtwerken und Landeshauptstadt wurde im freiLand von vielen Initiativen ein florierendes Universum soziokultureller Angebote geschaffen und so dem allgegenwärtigem Defizit ein kleines Stück utopischer Überschuss entgegengesetzt.
Infolge der Unstimmigkeiten und Skandale bei den Stadtwerken ging die Zusammenarbeit schleichend zurück, die Stadtwerke stellten sich in der Zwischenzeit mehrmals neu auf. Die Probleme nahmen zu. Ab 2017 folgt dann der große Umschwung: Sanierungs-Hardliner Horst Müller-Zinsius will das freiLand in jedem Fall loswerden. Im April 2018 kommt diese Position auch schwarz auf weiß. Vorbei die Zeit des konstruktiven Gesprächs. Die Stadtwerke lassen das freiLand nun auf verwaltungstechnischem Wege „ausbluten“. (Bei einem Unternehmensapparat mit angestellten Sachbearbeiter*innen und Rechtsabteilung auf der einen und einer größtenteils ehrenamtlichen Betriebsstruktur auf der anderen Seite kein großes Problem). Auf Briefe und Emails wird nicht geantwortet, dafür aber mit Nutzungsunterlassungen gedroht, von getroffenen Absprachen plötzlich nichts mehr gewusst, immer neue vermeintliche Sachzwänge erfunden usw.
Der lange Arm eines städtischen Konzerns
Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, den bestehenden Vertrag zunächst nur um ein Jahr zu verlängern, sollte für etwas Zeit sorgen, um eine langfristige Lösungen zu finden. Aber statt dem Auftrag ihrer Gesellschafterin (die Landeshauptstadt Potsdam) zu folgen, hielt die Geschäftsführung der Stadtwerke das freiLand nun 4 Monate mit unzumutbaren und komplett neuen Forderungen hin, bis letztendlich der Pachtvertrag fast ausgelaufen war. So wurde durch die Zuständigkeitsverweigerung der Stadtwerke der rechtliche und offizielle Status des Kulturzentrums aufs Spiel gesetzt. Erst in letzter Sekunde konnte ein Kompromiss gefunden werden. Die Stadt Potsdam wird Kosten der Stadtwerke für die Geländeunterhaltung übernehmen, das freiLand-Gelände wird verkleinert und Bauanträge können nun durch die Betriebsgesellschaft gestellt werden.
Die freiLand-Betriebsgesellschaft CULTUS UG hat in den zurückliegenden Monaten in einem großen Kraftakt versucht dagegen zu arbeiten, Kompromisse zu finden, alle erdenklichen Gespräche zu suchen und Auflagen zu erfüllen. Alles mit den vorhandenen, sehr begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen. Nur diesem Einsatz ist es zu verdanken, dass es derzeit so scheint als wenn wenigstens die bestehenden Nutzungen im freiLand gehalten werden können. Wir Nutzer*innen möchten auch an dieser Stelle nochmals unseren herzlichen Dank für diese Arbeit ausdrücken. Respekt!
Und wie nun weiter?
Vielleicht haben wir uns zu sicher gewähnt in unserem Bemühen der Stadt ihren soziokulturellen Anspruch zu erfüllen. Aber als Nutzer*innenplenum werden wir uns sicherlich nicht so einfach von dem Projekt, für das wir die vergangenen Jahre hart gearbeitet haben, verabschieden. Wäre ja noch schöner! Wir denken, dass Orte wie das freiLand mit niedrigschwelligen Angeboten, partizipativer Struktur und alternativen Ansätzen unverzichtbar sind. Wir werden kämpfen für diesen Ansatz und wir werden damit nicht alleine sein. Egal ob Sportplätze, Proberäume, Ateliers, Werkstätten, Galerien oder Veranstaltungsräume – von bezahlbaren Wohnungen ganz zu schweigen – von allem ist’s zu wenig! Die Politik in der Stadt muss endlich umdenken und die städtischen Unternehmen sollten dabei mitmachen. Dort wo jeder Quadratzentimeter Fläche zu Höchstpreisen verkauft wird, muss sich niemand wundern wenn der Druck auf Kulturstandorte steigt und die sowieso schon zuwenigen Spiel- und Sportflächen schrumpfen.
Wir fordern eine langfristige Perspektive für das freiLand, die Sicherung aller bestehenden Nutzungen und eine konstruktive Diskussion mit der Nutzer*innen-Perspektive im Mittelpunkt.
Wir fordern die Sicherung aller noch vorhandenen Sport-, Spiel- und Kulturstandorte durch Festschreibung in den Bebauungsplänen.
Wir fordern den Ausbau und Planung von neuen öffentlichen Standorten für Kultur jenseits des Kommerz in der Stadterweiterung.
Nein zum Ausverkauf der Stadt, Nein zum Einstampfen kultureller Projekte und Initiativen. Ja zu einer vielfältigen Stadt für Alle. Ja zu öffentlichen Räumen.
Bei Fragen zu diesem Statement, könnt Ihr uns unter plenum@freiland-potsdam.de erreichen.
Euer
freiLand-Plenum
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