Krampnitz: Dauerhafte Erinnerungsstätte des Militarismus?
Etwas eigenartig kommt mir das Ganze doch vor. Ticke ich richtig oder die anderen 178. 000 Potsdamer? Krampnitz mit seinen maroden Kasernen soll zum Stadtteil von Potsdam ausgebaut werden und steht unter Denkmalschutz. Die Kasernen und die militärische Anlagen werden auf Jahrzehnte einen Stadtteil mit 10 000 Einwohnern prägen und keiner fragt nach warum und ob der Denkmalschutz sinnvoll und angemessen ist. „Na ja, da kann man schon mal nachfragen warum das unter Denkmalschutz steht“, aber weiter gehen die Kommentare nicht. Irgendwie komme ich mir mit meinen Bedenken vor wie der Falschfahrer auf der Autobahn, der im Radio von einem Falschfahrer hört und empört ausruft: „Nicht einer, hunderte!“.
Das zur Nazizeit erbaute und 1938 fertiggestellte Kasernengelände in Krampnitz wurde nach dem 2. Weltkrieg von der Roten Armee genutzt und 1994 von den Russen geräumt. Seither ist das Gelände ungenutzt und verfällt zusehends. Selbst Bäume wachsen auf einigen Gebäuden. !991 und 2008 wurden von der Denkmalbehörde wesentliche Teile des Areals unter Denkmalschutz gestellt. Begründet wurde das mit städtebaulicher, baukünstlerischer sowie militärgeschichtlicher Bedeutung der Anlagen. Eine Abwägung mit den Anforderungen einer zukünftigen Nutzung, besonders Wohnnutzung, wurde nicht vorgenommen, obwohl bereits 2008 Teile des Areals an einen Investor für eine Wohnbebauung verkauft waren.
Die Unterschutzstellung scheint in vielerlei Hinsicht problematisch. In Potsdam gibt es sehr viele ehemalige Kasernen, von denen die meisten denkmalgeschützt sind. Müssen alle Kasernen geschützt werden, vor allem nachdem u.a. mit den Havelland-Kasernen in Eiche weitere, noch genutzte Kasernen aus dieser Zeit existieren und die militärische Traditionen bis zum letzten Gebäude dauerhaft gepflegt werden? Städtebaulich ist die Anlage alles andere als bemerkenswert. Es handelt sich um drei- bis viergeschossige Bebauung, die in weitem Abstand zum Straßennetz, einem rechtwinkligen Panzerstraßenraster, in einem bewaldeten Gebiet liegt. Durch diese Anlage sollten Luftangriffe erschwert werden. Baukünstlerisch ist außer dem Offizierskasino wenig hervorzuheben, an den Offiziersbauten ist z.T. eine anspruchsvollere Gestaltung zu erkennen, bei der man aber kaum von herausragender baukünstlerischer Gestaltung sprechen kann. Die sonstigen Gebäude sind sehr einfach gestaltet mit Ausnahme einiger Treppenhäuser. Von militärgeschichtlicher Bedeutung sind lediglich die sehr stabilen Panzerstraßen und die weiträumige und begrünte Anlage, die Luftangriffe erschweren sollte.
Den, nicht übermäßig bemerkenswerten, positiven Aspekten für den Denkmalschutz stehen außerdem drastische Nachteile gegenüber. Die gesamte Gebäudesubstanz ist bis auf wenige Ausnahmen in sehr schlechten Zustand, Dächer sind undicht, teilweise sogar schon von kleinen Bäumen bewachsen, Fenster und Türen zerstört, Feuchtigkeit dringt von unten und oben in die Gebäude ein. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Gebäude von schwarzem Schimmel, Hausschwamm, Hausbock, Holzfäule etc. befallen sind und überwiegend nur noch die Außenwände der Gebäude erhalten werden können. Damit entfällt weitestgehend das Argument der Ressourcenschonung durch die Nutzung der vorhandenen Bausubstanz, es muss im Gegenteil mit einem erheblich höheren Aufwand für eine ökologische und klimaneutrale Bebauung und damit auch mit höheren Kosten gerechnet werden.
Da die Grundrisse nicht unbedingt den Anforderungen des Wohnungsbaus entsprechen müssen Kompromisse bei den Wohnungsgrundrissen erfolgen, die weniger attraktiv aber deutlich teurer sind. Eine Neubebauung könnte ohne weiteres ein Geschoss höher sein und die Gebäudeabstände etwas geringer als beim denkmalgeschützten Bestand ohne dass die städtebauliche Qualität abnimmt. Das würde ebenfalls Kosten sparen und eine deutlich höhere Einwohnerzahl zulassen, was die gesamte Infrastrukturausstattung erheblich erleichtern und verbessern könnte. Die insgesamt deutlich geringeren Kosten würden auch ein deutlich günstigeres Mietniveau ermöglichen.
Ökologisch wird dem neuen, CO2-neutralen, Stadtteil eine schwere Hypothek aufgebürdet. Es kann bei den Gebäuden kein optimales Verhältnis von Volumen, Außenfläche und Grundriss zur Minimalisierung des Energiebedarfs erreicht werden, keine optimale Ausrichtung zur Sonneneinstrahlung sowohl für Fenster aber auch Solarenergie und Fotovoltaik. auch die Baumaterialien sind nicht optimal. Das lässt sich zwar korrigieren, erfordert aber deutlich mehr Aufwand, ist damit ökologisch ungünstiger und teurer.
Die rigide Gestaltung der Kasernenanlage mit starrem rechtwinkligen Straßenraster und einer ehe einförmigen Bebauung, die in weitem Abstand von den Straßen liegt, wird nur durch den dichten Baumbestand etwas aufgelockert. Das wird auch im preisgekrönten Wettbewerbsentwurf, der die Grundlage der Bebauungspläne und damit der zukünftigen Bebauung bildet, nicht modifiziert, sondern konsequent fortgeführt, auch für die Bereiche, die neu gestaltet werden sollen. Architekturelemente wie Balkone Wintergärten, Erker, Loggien, die die überwiegend sehr einfache Architektur beleben und die Wohnqualität steigern könnten, sind wegen des Denkmalschutzes kaum möglich. Eine konsequente Umgestaltung von Gebäuden und Anlage für ein attraktiveres Wohngebiet würde den Denkmalschutz ad absurdum führen.
Eine wirkliche öffentliche Diskussion darüber ob die vorhandenen Kasernen wirklich die Grundlage des zukünftigen Wohngebietes werden sollen und der Denkmalschutz angemessen und erwünscht ist, vor allem von den zukünftigen Bewohnern, wurde nicht geführt, sondern nur über weitere Anforderungen bei Erhaltung der Kasernenanlage gesprochen. D.h., die zukünftigen Bewohner landen im Kasernengelände, ob sie wollen oder nicht in einer dauerhaften Erinnerungsstätte des Militarismus und der dunkelsten Zeit unserer Geschichte.
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang auch, dass wichtige zivile Gebäude aus der DDR-Zeit abgebrochen wurden, wie das Haus des Reisens, die Fachhochschule, die Schwimmhalle am Brauhausberg etc., während militärische Anlagen aus der Nazizeit unter Denkmalschutz stehen, wie u.a. die Kasernen in Krampnitz und die Bastion an der Wohnanlage Schillerplatz, die zur Abnahme von HJ- und SS-Aufmärschen genutzt und deren Wiederaufbau öffentlich gefördert wurde. Nach welchen Kriterien wird da vorgegangen?
Zusammengefasst: Ein marodes Kasernengelände aus der Nazizeit soll erhalten und zum neuen CO2- neutralen Stadtteil werden, wesentliche Anteile davon sind unter Denkmalschutz gestellt, ohne dass die Öffentlichkeit und vor allem die zukünftigen Bewohner an der Entscheidung beteiligt waren. Wollen sie wirklich im Kasernengelände leben? Die Bausubstanz ist marode und für eine ökologische Nullenergiebebauung wenig geeignet. Dadurch entsteht ein deutlich höherer Aufwand und höhere Kosten, die weitgehend von den Mietern getragen werden müssen. Die rigide Kasernenanlage prägt den gesamten städtebaulichen Entwurf und ergibt mit den überwiegend einfachen Kasernengebäuden ein unattraktives Stadtbild, dass wegen des Denkmalschutzes kaum zu einem attraktiven Wohngebiet umgestaltet werden kann und bei dem eine hohe Fluktuation droht.
Meinen die Denkmalpfleger, Politiker und Planer wirklich dass ein Denkmalschutz unter den o.g. Aspekten die optimale Voraussetzung für ein zukünftiges Wohngebiet ist? Dass sich zukünftige Bewohner freudig an ihre Zeit bei der NVA oder der Bundeswehr erinnern und voller Begeisterung in die Kasernen zurückkehren? Dass die Kasernenatmosphäre den optimalen Hintergrund für ein attraktives Wohnquartier abgibt?
Ekkehart Schöll