Potsdam nach dem Aus für den Mietendeckel in Berlin:
Alles ist besser, als nichts zu tun!
Am Donnerstag dieser
Woche hat das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel für
nichtig erklärt.
Hat das was mit Potsdam zu tun?
Ganz bestimmt.
Seit
Jahren weichen große Immobilienkonzerne nach Potsdam aus, weil ihnen
in Berlin zu strenge Regeln gesetzt werden.
Seit Jahren nutzen
Immobilienkonzerne und Finanzinvestoren die fehlenden Regeln in
Potsdam aus, um hier Häuser zu kaufen, Anlageobjekte zu errichten,
Mietwohnungen in Möblierte – und Eigentumswohnungen umzuwandeln.
Und jetzt sagt das Bundesverfassungsgericht eben diesen Immobilienbesitzer*innen: Kommunen und Länder dürfen euren Profit nicht begrenzen, macht, was ihr wollt.
Es ist nicht schwer zu verstehen, was dies für eine Stadt bedeutet, die bisher eigentlich gar keine Instrumente verwendet, um den Mietenwahnsinn wenigstens ein wenig zu begrenzen.
Wenn aktuell mit dem Finger auf R2G in Berlin gezeigt wird, weil sie angeblich die Mieter*innen in der Stadt in der Stadt getäuscht hätten, dann können wir mit dem Finger auf genau die gleiche Koalition in Potsdam zeigen:
Ihr habt es nicht einmal versucht.
Die Wohnungs – und
Mietenpolitik in Potsdam ist ein einziges Desaster.
Der Versuch
einer Analyse
Ein ganz wichtiges Mittel zum Schutz von Mieter*innen vor Verdrängung und extremen Mietsteigerungen sind „Soziale Erhaltungssatzungen“ oder auch Milieuschutzgebiete. Davon gibt es in Berlin inzwischen 65 in fast allen Bezirken. Damit können nach § 172 Baugesetzbuch „z.B. Luxusmodernisierungen, Wohnungszusammenlegungen sowie der Abbruch und die Umnutzung von Wohnungen versagt werden. In Verbindung mit der Umwandlungsverordnung ist zudem die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen in allen sozialen Erhaltungsgebieten Berlins genehmigungspflichtig. Zudem haben die Bezirke in sozialen Erhaltungsgebieten ein Vorkaufsrecht, um spekulative Grundstücksverkäufe zu verhindern.“ (vergl.: https://www.stadtentwicklung.berlin.de/staedtebau/foerderprogramme/stadterneuerung/soziale_erhaltungsgebiete/index.shtml )
In Potsdam gibt 0 „Sozialen Erhaltungssatzungen“, 0 Milieuschutzgebiete. An einem ersten Entwurf arbeitet die Stadt nun seit 2 !/2 Jahren, die Beschlussvorlage wurde 4 x verschoben.
Berlin hat im Zuge dieser Satzungen seit 2015 64 x das Vorkaufsrecht ausgeübt, 149 Abwendungsvereinbarungen wurden geschlossen. (vergl.: https://iniforum-berlin.de/2020/10/das-vorkaufsrecht-in-zahlen/ )
In Potsdam wurde dieses Instrument bisher 0 x angewandt.
Oft wird in Berlin das Vorkaufsrecht zu Gunsten Dritter ausgeübt. Dritte bzw. Begünstigte sind dann ganz oft Mieter*inneninitiativen und nichtkommerzielle Gemeinschaftsprojekte wie das Mietshäusersyndikat. In Tübingen oder Freiburg werden neue Wohngebiete und Quartiere in der Regel im Drittelmix entwickelt. Je ein Drittel der Flächen zum Wohnungsbau gehen an kommunale Wohnungsgesellschaften, Genossenschaften und Gruppen aus dem Mietshäusersyndikat. Überall schießen neue Gemeinschaftsprojekte aus dem Boden. Ein Forschungsprojekt von DIFU, ITZ und Plan & Praxis hat diesen Trend und die Vorteile für Kommunen eindrucksvoll dokumentiert: https://projekt.izt.de/gemeinschaftlich-wohnen/
Potsdam war Teil dieses Forschungsprojektes. Die Zahl der seitdem umgesetzten Gemeinschaftsprojekte in der Stadt: 0.
Im Gegenteil, mit den Projektinitiativen Machbar für die Goethestraße, die Wollestraße und der Projektgruppe Das Blaue L & Wohnungsgenossenschaft Sanssouci Süd i.G. für die Lennestraße 54/ 55 sind mindestens 3 Initiativen gescheitert. Und sie scheiterten vor allem an den unüberwindlichen Hürden, welche Stadtverwaltung und Politik in Potsdam errichtet haben, um solche Projekte möglichst nicht zum Zuge kommen zu lassen.
Seit Jahren wird überall in Deutschland über eine neue Bodenpolitik diskutiert, um Kommunen endlich wieder mehr Verfügungsrecht über den Grund und Boden zu geben. Das Erbbaurecht spielt dabei eine entscheidende Rolle. In Ulm, Münster und vielen anderen Städten werden Grundstücke inzwischen nach Erbbaurecht vergeben, in München wurde der Verkauf von städtischen Grundstücken auf Grundlage eines Stadtratsbeschlusses 2017 komplett beendet. Andere Kommunen haben längst den Verkauf von städtischen Grundstücken nach Höchstgebot beendet, entscheiden nach Konzept.
Potsdam bietet seine Flächen weiter gerne bei großen Immobilienmessen an – natürlich nach Höchstgebot. (vergl.: https://www.pnn.de/potsdam/expo-real-in-muenchen-potsdam-verkauft-grundstuecke-auf-immobilienmesse/25089360.html )
Erbaurechtsvergaben: 0.
Nein, stimmt ja nicht, die Grundstücke in der Lenne`straße 54/55 sollen als Modellprojekt nach Erbbaurecht vergeben werden – mit einem Höchstgebotsverfahren von mindestens 4 % Erbbauzins. Unbezahlbar.
Verantwortlich für
viele dieser Vorgaben und Entwicklungen ist die kommunale
Gesellschaft ProPotsdam.
In vielen Städten sind solche
kommunale Gesellschaften ein wichtiges Instrument sozialen
Wohnungsbaus. In Berlin hat der Senat die kommunalen
Wohnungsgesellschaften angewiesen, in Zeiten der Coronakrise die
Mieten nicht zu erhöhen. Ebenso in Hessen, Hamburg, Frankfurt und
anderen Städten.
Und in Potsdam? Da erhöht die ProPotsdam ausgerechnet in der Coronakrise die Mieten bis an die rechtlich möglichen Grenzen. Gleichzeitig planen sie den Abriss bezahlbaren Wohnraums des Staudenhofs und an der Nutheschlange, organisieren den barocken Stadtumbau in der Stadtmitte mit dem Abriss der Fachhochschule und vieles mehr.
Wir haben in den letzten zwei Jahren immer wieder auf das Problem der sogenannten „Möblierten Wohnungen“ verwiesen. Wir haben große Recherchen veröffentlicht, unsere Analysen der Stadt geschickt, eigene Vorschläge für eine Zweckentfremdungssatzung gemacht, dargestellt, welche Anbieter*innen von Mikroappartements besonders dreist vorgehen.
Und die Reaktion in
Potsdam?: Nichts.
Oder anders ausgedrückt:
„Flächendeckend gibt es bislang keine Instrumente, um dies
einzudämmen.“ (Vergl.:
https://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam/Potsdam-Das-sagen-Stadt-und-Mieter-zu-den-hohen-Mieten-in-moeblierten-Wohnungen
)
Ja, aber das
Baulandmodell!?
Der Potsdamer Baubeigeordnete Herr Rubelt
formulierte es so: „Die Wohnungsmarktengpässe der vergangenen
Jahre und daraus resultierende Mietpreissteigerungen haben dafür
gesorgt, dass sich insbesondere Haushalte mit geringen und mittleren
Einkommen nur noch eingeschränkt aus eigener Kraft angemessen mit
Wohnraum versorgen können. Die Landeshauptstadt Potsdam sieht es
daher als eine dringliche Aufgabe der allgemeinen Daseinsvorsorge an,
für diese Haushalte preisgünstigen Wohnraum zur Verfügung zu
stellen. 2013 haben wir den ersten Schritt in die richtige und
notwendige Richtung getan und mit der 2017 eingeführten Richtlinie
zur sozialgerechten Baulandentwicklung in der Landeshauptstadt
Potsdam, kurz „Potsdamer Baulandmodell“, konsequent fortgeführt.
(verg.:
https://www.potsdam.de/35-potsdamer-baulandmodell-wird-fortgeschrieben
Jetzt gibt es die
ersten Zwischenergebnisse.
Zahl der mietpreis –
und belegungsgebundenen Wohnungen durch das
Baulandmodell seit 2017: 0.
Gerade hat die Stadt mal wieder
ihre Interpretation des Modells gezeigt: In Quartier Zentrum Ost darf
ein privater Investor ein Anlageobjekt bauen, ein innerstädtisches
Waldgebiet abholzen und muss wie viel mietpreis – und
belegungsgebundenen Wohnraum schaffen?: 0 %.
Es ist ein ein einziges Desaster.
Im Grunde gibt es in
Potsdam nicht ein einziges Mietenpolitisches Instrument, was wirklich
und konsequent angewandt wird.
Heißt andersrum, der Markt soll
es regeln.
Macht er.
Potsdam ist teuerste Stadt der neuen
Bundesländer. Auf dem Markt gibt eigentlich fast nur noch
überteuerte Möblierte Wohnungen, die Angebotsmieten liegen aktuell
über 12 €/ m².
Und niemand in
der Stadt scheint es zu interessieren.
Niemand zieht irgendeine
Konsequenz, selbst als vor Kurzem bekannt wurde, dass es
möglicherweise auch im neuen Stadtteil Krampnitz zu 0 % mietpreis –
und belegungsgebundenen Wohnraum kommen könnte.
Aber immerhin baut dort die Deutsche Wohnen – heftig protegiert von Politik und Verwaltung in Potsdam.
Was für ein Desaster.