Seit Juni 2021 läuft die Unterschriftensammlung für das Bürgerbegehren für einen „Potsdamer Mietendeckel“. Gefordert wird, dass die kommunale Wohnungsgesellschaft ProPotsdam die Mieten in ihrem Bestand in den nächsten 5 Jahren nur noch um 1 % erhöht.
Die geballte Empörung von Politik, Verwaltung und ProPotsdam ließ nach den ersten Ankündigungen nicht lange auf sich warten. Vom Ruin der ProPotsdam war die Rede, das Klimaschutz jetzt nicht mehr möglich wäre, eine Kostenschätzung geht von 350 Mio. € an Einnahmeausfällen für die kommunale Gesellschaft aus und an Unterschriftenständen erzählten Mitarbeiter*innen von drohenden Kündigungen im Haus. Die Stadtverordneten verabschiedeten schnell eine Stellungnahme, in der sie die „Sorgen der Menschen vor steigenden Mieten“ bedauern und sich zu den Unternehmenszielen der ProPotsdam bekennt – die ausgerechnet in Coronazeiten die Mieten im Bestand bis an die Grenze des Möglichen erhöht hatte.
Das sind eine Menge Motive für eine öffentliche Debatte – dachten sich wohl auch die Initiator*innen des Bürgerbegehrens.
Für Dienstag, den 14. September 2021 laden sie zu einer Podiumsdiskussion ins Kino Thalia. Neben zwei spannenden Filmen geht es um die recht offen formulierte Frage: „Der Mietendeckel – das richtige Instrument gegen den Mietenwahnsinn?“ Aus Berlin haben dazu zugesagt Ulrike Hamann, Vorstandsmitglied der Wohnraumversorgung Berlin AöR und Rouzbeh Taheri, Sprecher der Initiative „Deutsche Wohnen und co. enteignen“.
Der Stuhl für die Kritiker*innen des Bürgerbegehrens hingegen wird wohl leer bleiben.
In den letzten Wochen haben alle abgesagt: Die ProPotsdam, der Oberbürgermeister, Verwaltung und Frau Meier als zuständige Beigeordnete.
Die Chefetage der ProPotsdam machte es kurz und bündig:
„Herr Westphal wird nicht an der Podiumsdiskussion teilnehmen.“
Gleichzeitig ließ die Gesellschaft in den letzten Wochen keine Gelegenheit aus, um allen, die mit ihr reden wollten mit einer Hochglanz – Powerpoint – Präsentation zu überzeugen – aber bitte immer schön in kleiner Runde, ohne Öffentlichkeit.
Frau Brigitte Meier, immerhin Beigeordnete für Ordnung, Sicherheit, Soziales und Gesundheit wusste offensichtlich nicht, wie sie am Besten absagen kann.
So hieß es zuerst:
„wegen der zeitlichen Nähe zur Bundestagswahl nehmen kommunale Wahlbeamte der LHP nicht an Veranstaltungen politischer Parteien teil.“
– was natürlich einfach falsch ist, da die Initiative für das Bürgerbegehren keine politische Partei ist.
Dann eben jemand anderes schicken:
„nach Rücksprache mit Herrn Jekel würde dieser die fachliche Haltung des FB 39/GB 3 auf dem Podium vertreten.“
Nein, bei dieser öffentlichen Debatte soll es um die politischen Positionen gehen, nicht fachliche Haltungen eines der wenigen Verwaltungsmitarbeiter, der sich seit Jahren ehrlich und engagiert für die Rechte von Mieter*innen in der Stadt engagiert und dafür oft genug all die Aufgaben auf den Tisch bekommt, die der Bau – und Stadtentwicklungsverwaltung nicht passen – Stichwort soziale Erhaltungssatzung, Zweckentfremdungsverordnung.
Okay, neuer Anlauf, aber nun sind leider keine Termine mehr frei:
„an diesem Abend ist zugleich OSG und eine Teilnahme meinerseits sowieso sehr schwierig.“
Die Initiative ließ aber nicht locker und begründete noch einmal, warum eine öffentliche Debatte so wichtig ist:
„ Da wir einen öffentlichen politischen Diskurs über die Mieten- und Wohnungspolitik in Potsdam und Berlin führen wollen, sollte die LHP auf dem Podium nicht nur ihre fachliche Ablehnung des laufenden Bürgerbegehrens vertreten. Wir möchten vielmehr mit den politisch Verantwortlichen ins Gespräch kommen und von ihnen hören, warum in Potsdam eine Mietenpolitik ausgeschlossen sein soll, die in Berlin gerade umgesetzt wird. Daher möchten wir Sie noch einmal ausdrücklich bitten, abzusichern, dass der Oberbürgermeister und/oder die Geschäftsführung der städtischen Wohnungsgesellschaft ProPotsdam angemessen in der Podiumsdiskussion vertreten ist.“
Darauf kam nun die offizielle Absage wegen terminlicher Schwierigkeiten:
„auf Grund der Wahrnehmung anderer Termine können der Oberbürgermeister und ich leider nicht an der oben genannten Podiumsdiskussion teilnehmen.“
Statt dessen kam wieder einmal eine Einladung zu einem internen Gespräch – wahrscheinlich wieder mit der tollen Powerpoint Präsentation der ProPotsdam.
Eigentlich ist das ein Skandal.
Seit Wochen haben die Entscheidungsträger der Stadt und der kommunalen Wohnungsgesellschaft diese Einladungen und reden sich mit immer fadenscheinigeren Gründen heraus, warum sie sich keiner öffentlichen Debatte stellen.
Stattdessen wird weiter intern und „hinten herum“ Stimmung gemacht, Gerüchte gestreut und Einrichtungen angewiesen, ja keine Unterstützung beim Sammeln der Unterschriften zu geben.
Das ist für eine demokratischen Debattenkultur in Potsdam schlicht unwürdig – wenn auch leider keine neue Situation, wenn es um Mieten – und Wohnungspolitik in Potsdam geht.
Statt dessen werden uns am nächsten Dienstag mal wieder Menschen aus Berlin erzählen, warum dort geht, was in Potsdam alles angeblich nicht möglich ist.
In Berlin gibt es einen Mietendeckel für die landeseigenen Wohnungsgesellschaften, in Berlin gibt es Milieuschutz und Vorkaufsrechte, in Berlin gibt es Erbbaurechtsvergaben mit bezahlbaren Zinsen …
In Potsdam gibt es all das nicht – und niemand der politisch Verantwortlichen will öffentlich darüber reden.