Wir dokumentieren: Reaktionen auf den Förderskandal Garnisonkirche

Wie berichtet, hat der Bundesrechnungshof die Förderung des Wiederaufbaus der Garnisonkirche durch den Bund als rechtswidrig eingestuft. Die schlimmsten Vermutungen der Kritiker*innen haben sich damit endgültig bestätigt. Wir dokumentieren die Pressemitteilungen der Bürger*inneninitiative für ein Potsdam Ohne Garnisonkirche und des Lernorts Garnisonkirche.

Die BI schreibt:

Millionengrab Garnisonkirche: Bürger*inneninitiative fordert Konsequenzen

Mit seinem Prüfbericht zur Förderung der Garnisonkirche hat der Bundesrechnungshof offiziell bestätigt, was die BI und andere Kritiker*innen des Wiederaufbaus schon seit Jahren immer wieder offenlegen und anprangern: Die Turmkopie ist ein Millionengrab. Die staatliche Finanzierung, die den Baustart erst möglich gemacht hat, ist rechtswidrig und hätte nie erfolgen dürfen. Mit anderen Worten: Der Turm hätte nie gebaut werden dürfen.

Noch schockierender als der Befund selbst ist die Tatsache, dass die Stiftung mit ihrer skrupellosen Strategie so lange erfolgreich war, obwohl ihre Machenschaften so offensichtlich waren wie des Kaisers neue Kleider. Spätestens jetzt muss das unseriöse Finanzgebaren der Stiftung Konsequenzen haben, sowohl in Bezug auf den laufenden Turmbau als auch im Hinblick auf den Vier-Phasen-Prozess, an dem die Stiftung beteiligt ist.

Die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth sollte die Fördermittel für den Turmbau sofort einfrieren und die Vorgänge lückenlos aufklären. Die zuletzt im Haushalt eingestellten 4,5 Millionen Euro, für die die Stiftung bereits einen Antrag gestellt hat, dürfen nicht ausgezahlt werden. Eine Rückforderung bereits ausgezahlter Fördermittel ist zu erwägen. Darüber hinaus sind angesichts des Verdachts auf Subventionsbetrug seitens der Stiftung auch rechtliche Schritte zu prüfen.

Der Oberbürgermeister muss sich jetzt einige Fragen gefallen lassen. Er drängte die Stadtverordneten zu einem halbgaren Beschluss, während er sie über das bevorstehende Prüfergebnis im Dunkeln ließ, von dem er bereits seit November gewusst haben dürfte. Damit hat er die Stadtverordneten und die Öffentlichkeit in die Irre geführt. Der vermeintliche Kompromiss war für die Pleitestiftung nichts als eine Flucht nach vorne.

Deswegen sollten die Stadtverordneten einer schnellstmöglichen Rückübertragung des Grundstücks oberste Priorität einräumen und auf eine Offenlegung der Stiftungsfinanzen bestehen, anstatt sich auf eine Machbarkeitsstudie unter Beteiligung der Stiftung einzulassen und sich weiter von ihr abhängig zu machen. Dass die Stadt sich sehenden Auges eine revisionistische Förderruine mitten ins Zentrum hat bauen lassen, ist schon Imageschaden genug. Die Stadt muss sich dringend von der Stiftung distanzieren. Diese hat sich endgültig als moralisch korrupt und finanziell unzuverlässig erwiesen und sollte aufgelöst werden.

Anlässlich dieser Entwicklungen lädt die BI am Montag, den 7. Februar, um 10 Uhr zu einer Pressekonferenz ein, um detaillierter auf den Prüfbericht einzugehen und weitere Forderungen zu formulieren.

Zoom-Zugang:
https://us02web.zoom.us/j/83129284632?pwd=Y1I2Z1BZUjVrZ2RiZjd3VXZLWlIvdz09
Meeting-ID: 831 2928 4632
Kenncode: 514418


… und Philipp Oswalt vom Lernort Garnisonkirche kommentiert den Bericht wie folgt:

Bundesrechnungshofbericht zur Garnisonkirche Potsdam: eine wirtschaftliche wie moralische Bankrotterklärung

Der gestern, am 3. Februar veröffentlichte Prüfbericht des Bundesrechnungshof zu der Bundesförderung für den Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam bestätigt amtlich, was Kritiker schon seit Jahren bemängeln: Weder ist eine Gesamtfinanzierung des Bauvorhabens gegeben noch eine Finanzierung des bald anstehenden Betriebs. Die öffentliche Förderung war nur möglich, weil die Stiftung unvollständige und zum Teil wahrheitswidrige Angaben gemacht und das Kulturstaatsministerium in mehrfacher Hinsicht die Vorgaben des Förderrechts ignoriert hat. Die Förderung des Vorhabens war rechtswidrig. Die Bericht des Bundesrechnungshofs stellt eine wirtschaftliche wie moralische Bankrotterklärung für die Stiftung Garnisonkirche dar.

Die Stiftung hat Fördermittel zweckwidrig verwendet, Spendeneinnahmen doppelt verbucht, Spenden einberechnet, die für den genannten Zweck gar nicht zu Verfügung standen, das Stiftungskapital fälschlicher Weise als verfügbare Investitionsmittel deklariert, unvermeidliche Kosten nicht berücksichtigt, widersprüchlich Auskünfte zum Spendenaufkommen gegeben und bis heute seine Finanzensituation verschleiert und keine Transparenz hergestellt. Das Kulturstaatministerium hat in mehrfacher Weise auf rechtlich vorgeschriebene Prüfungen verzichtet, vorgeschriebene Verfahrenswege umgangen, notwendige Informationen nicht eingeholt, den Haushaltsauschuss unvollständig und falsch informiert, zweckfremde Verwendung von Mitteln nicht beanstandet und rechtswidrig Zuwendungen zugesagt und ausgereicht. Den bereits im März 2021 vorgebrachten Einwänden des Bundesrechnungshofs zum Trotz wurden noch im Juni 2021 weitere 8,25 Mio. € Zuwendungen an die Stiftung bewilligt.

Der Bericht des Bundesrechnungshof offenbart eine über neun Jahre andauernde Komplizenschaft zwischen Stiftung und Kulturstaatministeriums in der Umgehung des Zuwendungsrechts, um auf betrügerische Weise rechtswidrig öffentliche Gelder für den Wiederaufbau der Garnisonkirche zu nutzen. Bereits 2015 zeigten der Kaufmann/ Baucontroller Franz Steinfest und der Architekt Günter zur Nieden die Grundproblematik auf, der Lernort Garnisonkirche legte im Februar 2021 eine 23-seitige Dokumentation vor, die wesentliche Aussagen des Bundesrechnungshofes bereits vorwegnahmen. Doch unter Missbrauch des in der Öffentlichkeit vorherrschenden Vertrauens in die Seriosität der Institution Kirche, verbunden mit einer fortdauernden Auskunftsverweigerung und der Diffamierung ihrer Kritiker gelang es der Stiftung Garnisonkirche, sich dieser Kritik jahrelang zu entziehen.

Wirtschaftlich gesehen ist die Stiftung insolvent und dauerhaft überschuldet. Ihr fehlen nicht nur mehrere Millionen Euro für die Vollendung des Baus des Kirchturms. Aus dem Bericht des Bundesrechnungshofs ergibt sich, das ihr für den Betrieb des Turms jährlich zumindest etwa eine halbe Millionen Euro fehlen, wenn nicht deutliche mehr. Eine seriöse Kosten- und Finanzierungsplanung hierzu wurde bis heute nicht vorgelegt.Die Stiftung wird nicht in der Lage sein, die kirchlichen Kredite von 5 Mio. € zurückzahlen. Die Kirchenleitung der EKD und EKBO hat mit der Befürwortung dieser Kredite an den betrügerischem Verhalten der Stiftung mitgewirkt, da schon zum Zeitpunkt der Bewilligung der Kredite die Problematik erkennbar war.

Die politische und kirchliche Zustimmung zu dem Vorhaben erfolgte ursprünglich unter der Prämisse einer 100% Spendenfinanzierung. Beim Einstieg in die öffentliche Förderung im Jahr 2013 sollte diese lediglich eine „Initialzündung für die Spendeneinwerbung“ sein. Abgesehen von den kirchlichen Krediten ist das Vorhaben inzwischen aber quasi 100% staatliche finanziert, denn die eingesetzten Spenden gehen mit steuerlichen Mindereinnahmen einher. Da ein erheblicher Teil der Spenden nicht für das Bauvorhaben, sondern für laufende Kosten und anderweitige Projekte von Stiftung, Nagelkreuzkapelle und Förderverein verwendet werden, bleibt von den privaten Spenden als Entlastung des öffentlichen Hand bei der Finanzierung der Baukosten de facto so gut wie nichts übrig.

Wie kann es nun weitergehen?

1) Der Vorstand der Stiftung Garnisonkirche und das Kuratorium als ihr Aufsichtsorgan haben die Stiftung in eine wirtschaftliche Sackgasse geführt und sind finanzielle Verbindlichkeiten eingegangen, welche bei dem geringen Stiftungskapital von 635.000 € die Existenz der Stiftung gefährden. Es ist nicht absehbar, wie das strukturelle Defizit der Stiftung behoben werden kann. Wirtschaftlich gesehen ist die Stiftung insolvent. Es wird zu prüfen sein, wie die kirchlichen Stiftungsaufsicht auf den Bericht des Bundesrechnungshofes reagiert. Auch wenn die Stiftung als kirchliche Einrichtung nicht dem Insolvenzrecht unterliegt, muss sie gemäß kirchlichem Stiftungsrecht sparsam und wirtschaftlich nach den Regeln ordentlicher Wirtschaftsführung handeln.

2) Der kürzliche deklarierte, für manchen überraschenden Verzicht auf den Bau des Kirchenschiffs war kein Entgegenkommen der Stiftung, sondern rein finanziell unvermeidbar. Doch dieser Schritt der Selbstbeschränkung ist unzureichend. Der Rechnungshof fordert zu Recht vom Kulturstaatsministerium, dafür zu sorgen, dass zunächst nur die 2017 avisierte Grundvariante des Kirchturms ohne Haube, Glockenspiel und Bauschmuck fertig gestellt wird. Stiftung und Kulturstaatsministerium sind bei ihrem eigenen Wort zu nehmen: Wiederholt haben sie übereinstimmend erklärt, das die Realisierung dieser Zutaten für die Umsetzung der Maßnahme nicht erforderlich sei, die Grundvariante ein „abgeschlossenes Projekt“ sei, und den verfolgten Nutzungszwecke erfülle. Mehr noch: die Teilrealisierung stelle „symbolhaft die historischen Verwerfungen“ dar, für die dieser Ort sinnbildlich stehe.

Haube, Glockenspiel und Bauschmuck sind bislang nicht ausfinanziert, weder in der Herstellung noch im Betrieb. Da die Verbindlichkeiten aus dem Betrieb der Grundvariante bei weitem nicht gedeckt sind, müssen ggfl. neue Mittel zunächst für diesen verwendet werden.Diese Reduzierung der Maßnahme ist aus inhaltlichen Gründen ohnehin geboten. In dem offenen Brief „Keine Kirchturmhaube – Priorität für einen Lernort!“ vom März 2021, unterzeichnet von hundert internationalen Wissenschaftlern, Architekten, Künstlern, Kirchenvertretern, Kulturschaffenden und zivilgesellschaftlich Engagierten wird dies begründe. Siehe http://lernort-garnisonkirche.de/?p=1091

3) Stiftung- und Förderverein müssen ihre Finanzen, nicht nur bezüglich des Bauprojekts, vollumfänglich offen legen. Dies ist nicht nur eine Selbstverständlichkeit bei seriös agierenden Vereinen, sondern auch bei Vorhaben, die überwiegend oder ausschließlich von der öffentlichen Hand finanziert werden. Zurecht fordert auch der Rechnungshof dies nachdrücklich ein.Zudem bleibt erklärungsbedürftig, warum das Kuratorium der Stiftung einschließlich des Oberbürgermeisters als Kuratoriumsmitglied die ihnen wohl bereits bekannte Kritik des Bundesrechnungshofs in den Debatten der letzten Wochen verschwiegen und selbst die Stadtverordneten dazu in Unkenntnis gehalten hat. Dies stellt ein Vertrauensbruch dar.

Philipp Oswalt

Lernort Garnisonkirche

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