Wie Immobilieninvestoren in Potsdam die Stadt über den Tisch ziehen

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Es war nur ein kleiner Teil eines Artikels in der MAZ über das aktuelle Neubauprojekt des Immobilienunternehmens Semmelhaack im Kirchsteigfeld: „Anders als lange Zeit angekündigt, sollen die Wohnungen nicht zu einem Drittel an Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen vergeben werden.“

Für die lokalen Medien und die Stadtpolitik kam das überraschend – für uns nicht.

Wir beobachten schon lange, mit welchen unsozialen und teilweise inhumanen Geschäftsmodellen private Immobilienunternehmen und Immobilieninvestoren in Potsdam agieren und dabei ganz unverhohlen vorangegangene Versprechen kippen und Projekte bauen, die überhaupt nichts mit einer sozialen und nachhaltigen Stadtentwicklung zu tun haben.

Und ganz offensichtlich haben sie dabei das Gefühl – sie können das so machen in der Landeshauptstadt Potsdam. Viele der Neubauprojekte, welche wir in letzter Zeit recherchiert und vorgestellt haben leisten weder einen Anteil an Sozialwohnungen noch sind sie an Menschen mit Wohnberechtigungsscheinen vermietbar. Es sind Anlageobjekte mit Eigentumswohnungen, Mietwohnungen im „gehobenen Segment“ oder gleich möblierte Mikroappartements. Und die Stadtpolitik und die Bauverwaltung machen das alles so mit, glauben mündlichen Versprechungen, lassen sich mit halbherzigen Konzepten von einer Handvoll Wohnungen mit „preisgedämpften Mieten“ abspeisen und arbeiten ihre Baugenehmigungen prioritär und „lobenswert“ ab – wie Herr Kirsch zu seinem Luxusbauprojekt „Humboldtzwillinge anerkennend formulierte.

Deshalb wollen wir hier noch einmal einige dieser privaten Bauprojekte und ihre „überraschenden“ Geschäftsmodelle vorstellen und zeigen, wie eben diese von der Bauverwaltung unterstützt und umgesetzt werden.

Der Bauunternehmer W. Kirsch hat schon lange gelernt, wie man die Stadt an der Nase herum führt. Vielleicht sitzt er dafür ja auch in der Stadtverordnetenversammlung. Sein Meisterstück hat er zweifellos mit dem Bauprojekt in der Steinstraße/ Großbeerenstraße abgeliefert.
In unserem Dossier zu Wolfhard Kirsch aus dem Jahr 2019 hatten wir das so beschrieben:
Die seit 2012 geplanten, (inzwischen) fertig gestellten Projekte „Residenz Steinstraße“, „Wohnen am Waldpark“ und einige mehr im Gebiet um die verlängerte Großbeerenstraße und Ecke Steinstraße sind mindestens genauso umstritten wie die Sanierungen in Babelsberg. Dort baut Wolfhard Kirsch fast ausschließlich Eigentumswohnungen auf ehemaligen Waldstücken.
Im Flächennutzungsplan war das Gelände damals zu 70 Prozent als günstige Wald- und zu 30 Prozent als teures Bauland ausgewiesen. Nun sollte das Gelände komplett als Bauland ausgewiesen werden, um den „Waldpark“ zu ermöglichen.“, schrieb die PNN 2015. Als Kirsch dort kaufte, konnte er also einen großen Teil der Flächen als Waldflächen zu einem geringen Preis kaufen: „2013 hatte Kirsch selbst dafür gestimmt, das Areal im Flächennutzungsplan als Waldfläche zu deklarieren.“, schreibt Nico Bauer (die aNDERE) auf Facebook. Danach konnte er einen viel größeren Teil bebauen. „Mit dem Wald-Deal habe Kirsch durch Spekulation 2,5 Millionen Euro verdient, schätzt der Sozialdemokrat.“, zitiert die MAZ damals Herrn Bachmann (SPD). Diesen Deal hat Wolfhard Kirsch wohl mit einem anderen Stadtverordneten verabredet – Herrn Scharfenberg von den Linken. Über dessen Vermittlung einigte man sich schließlich auf diesen Kompromiss: 8 % der Wohnungen sollten mietpreisgebunden sein, davon die Hälfte für den WBS – Satz von 5,80 €/ m² – für 10 Jahre. Heißt: Lediglich 4 % aller Wohnungen muss er zu einem geringen Mietzins anbieten! Was für ein Deal. Die laut Baulandmodell als Ausgleich für die Bodenwertsteigerungen gezahlten 1,5 Mio. € holt sich Kirsch auf dem Klageweg von der Stadt zurück.Heute (steht) in dem Stadtteil ein neues Quartier mit dem Charme einer „Gated Community“, mit Toren, Schranken, Eigentumswohnungen – aber ohne Sozialwohnungen.

Kirsch

Und inzwischen hat Herr Kirsch den Großteil der Anlagen gewinnbringend weiter verkauft: An die Deutsche Wohnen – heute Vonovia. Die Mieten in den Wohnanlagen kosten heute nach Berechnungen der Immobilienportale zwischen 12 – 15 €/ m².

Ohne gültige Baugenehmigung, mitten in der Coronapandemie begannen Bauarbeiter am 15. Februar 2021 Teile des innerstädtischen Nuthewäldchens in Zentrum Ost zu roden. Rund 50 Menschen besetzten an dem Tag die Baustelle und stoppten vorläufig die Rodungen.
Nach und nach wurde klar, was für einen seltsamen und unverschämten Deal Stadt und Investoren hier geschlossen hatten.
Im Blogbeitrag „Wie aus Grünflächen Bauland und für ein Anlageobjekt Wald gerodet wird“ haben wir das damals wie folgt beschrieben: Zwischen 2012 und 2014 müssen die privaten Investoren das Grundstück zwischen Humboldtring und Humboldtbrücke gekauft haben. Spannend wäre dabei schon die Frage – von wem? Denn die dortigen Grünflächen gehören eigentlich der Stadt Potsdam, die Wohnflächen der Nutheschlange der ProPotsdam. Auf jeden Fall waren diese Flächen, die heute bebaut werden sollen im Flächennutzungsplan als Grünflächen ausgewiesen. Die Kaufkosten werden dementsprechend gering gewesen sein.
In den Veröffentlichungen ist meist von einem Projekt des Immobilienentwicklers BMP Immobilienentwicklung Berlin GmbH die Rede. Formal ist das nicht ganz richtig, denn wie üblich wurde speziell für dieses Projekt eine extra Objektgesellschaft mit dem Namen Humboldtringgärten Potsdam GmbH gegründet. Deren Sitz ist genauso wie die der BMP Immobilienentwicklung Berlin GmbH in Berlin, Einsteinufer 63 a. Und auch die Geschäftsführer sind die gleichen: Roland Benz und Harald Müller. Die stehen einem ganzen Firmengeflecht vor, zu denen zum Beispiel die GAB Immobilien Invest GmbH oder HRG Wohnbau 2 GmbH gehören.
Sie kaufen Grundstücke in guter Lage in Städten in ganz Deutschland – nicht selten schwierig zu entwickelnde Grundstücke – wie in Potsdam, wo sie erst einmal Grünland erwarben und damit spekulierten, das schließlich in Bauland umwidmen zu können.
Einen Teil der Projekte verwalten sie einige Zeit oder werten sie auf, unter anderem durch eine „Optimierung der Nebenkosten“ wie es in der Selbstdarstellung so schön heißt. Schließlich werden die Objekte aber alle als Anlageobjekte auf dem internationalen Finanzmarkt verkauft. Unter den selbst veröffentlichten Referenzen steht dann: „Asset Management von Wohnimmobilien für amerikanische Investorengruppe“ oder „Asset Management für luxemburgische Investorengruppe“.
Deshalb wäre es eigentlich logisch, dass die Stadt Potsdam genau hinschaut, was dort für Wohnraum entstehen soll. Dafür gibt es in der Stadt das sogenannten Baulandmodell, was für Neubauprojekte eine Zielquote von 30 % mietpreis – und belegungsgebundenen Wohnraum vorsieht. Seit dem 19.06.2020 liegt der neue, 3. Entwurf des Bebauungsplans Nr. 145 „Am Humboldtring“ vor. Nachdem lange über wenigstens 10 % an mietpreis – und belegungsgebundenen Wohnraum diskutiert wurde, heißt es jetzt unter dem Punkt „Soziale Auswirkungen“: „Die Errichtung von sozialem Wohnungsbau stellt für die Planungsbegünstigten jedoch einen wirtschaftlichen Nachteil bei der Entwicklung des Plangebiets dar…. ist im Plangebiet durch die Planungsbegünstigten keine Wohnfläche mit Mietpreis- und Belegungsbindungen zu realisieren.“

Der Deal lautete also: Sichtachse gegen 0 Sozialwohnungen.

Protest gegen Rodungen

Davon wussten übrigens nicht einmal die Stadtverordneten.
Heute, 2023 haben die ursprünglichen Investoren bereits verkauft. Inzwischen hat die Quarterback Immobilien AG das Baugrundstück gekauft. Quarterback gehört zu 40 % der Deutschen Wohnen, inzwischen also Vonovia. Die ersten Arbeiten haben jetzt begonnen. Sozialwohnungen entstehen keine.

Das passt zum Geschäftsmodell der Deutsche Wohnen – inzwischen Vonovia auch im heftig beworbenen neuen Wohnquartier in Krampnitz.

Deutsche Wohnen in Krampnitz

In unserem Beitrag „Zahlenspielerei um Krampnitz“ haben wir den neusten Deal von Stadt und Deutsche Wohnen so erklärt:
Die ganze Geschichte der Verhandlungen mit der Deutschen Wohnen steht symbolisch dafür, wie sich die Politik in Potsdam immer wieder von Immobilienunternehmen über den Tisch ziehen lässt und kennt bis heute nur einen Gewinner: Die Deutsche Wohnen.
Nach einer Serie von Skandalen um die Entwicklung von Krampnitz – Stichwort TG Potsdam – verkaufte der Entwicklungsträger Potsdam GmbH – Achtung: Natürlich eine Tochter der ProPotsdam GmbH! – im Jahr 2017 25 ha der Fläche in Krampnitz an die Deutsche Wohnen. Der damals gezahlte Ausgleichsbeitrag von 46,6 Mio. € schien Kritikerinnen schon damals als viel zu gering. Nachgerechnet hat die Deutsche Wohnen also 186,40 €/ m² für die Flächen in Krampnitz bezahlt. Zum Vergleich: Der heutige durchschnittliche Bodenrichtwert für Krampnitz beläuft sich auf 421,45 €/ m² – jetzt schon eine schöne Wertsteigerung. 2017 versprach die Deutsche Wohnen, 1.400 Wohnungen in den meist denkmalgeschützten Gebäuden errichten. Die Stadt freute sich über eine mündliche Zusage, dort Mieten von höchstens 8,50 € „anzustreben“. Forderungen nach schriftlichen oder gar rechtsgültigen Vereinbarungen lehnten beide Seiten damals ab – Potsdam vertraute „dem bewährten Partner“ und der damalige Oberbürgermeister J. Jacobs freute sich über „bezahlbaren Wohnraum“.
Im letzten Jahr wagte man sich dann mal nachzufragen, wie das nun sei mit den versprochenen bezahlbaren Mieten in Krampnitz. Und siehe da: Die Deutsche Wohnen hatte sich von solchen Mieten längst verabschiedet. Festlegen mochte sich Vorstand M. Zahn auch diesmal nicht. Nur soviel: „In Berlin sind wir beim Neubau bei Mieten von 14 oder 15 Euro pro Quadratmeter“ aber, man werde „keine Spitzenmieten“ verlangen, verriet er der MAZ am 5.10.2021. Dazu kämen die schwierigen Sanierungen in den denkmalgeschützten Bauten – was der Deutschen Wohnen erst 4 Jahre später aufgefallen war. Jetzt war sogar die Stadtpolitik alarmiert und vereinbarte einen neuen Deal. Die Deutsche Wohnen darf nun mehr bauen – insgesamt 1.800 Wohnungen. Inzwischen ist es sogar möglich, Eigentumswohnungen zu bauen.
Man braucht kein Mathematikexperte zu sein, um auszurechnen, dass der Bau von mehr und Eigentumswohnungen auf der gleichen Fläche natürlich eine erhebliche Wert – und Einnahmesteigerung bedeutet. Dazu kann die Deutsche Wohnen auf ihrer Fläche weiter verdichten und jetzt auch neu bauen. In diesen Neubauten – so hat sie in dem Deal zugesagt, würden 200 Wohnungen mit „preisgedämpften“ Mieten entstehen – was immer das sein soll. Ein Rechtsbegriff ist es nicht, Wohnungen mit Mietpreis – und Belegungsbindungen sollen es auf jeden Fall nicht werden. Öffentlich war in der PNN für die paar Wohnungen schon mal die Rede von Mieten in einer Höhe von 10,50 €/m² und eventuell ein Drittel der 200 Wohnungen für 7,50 €/ m². Zusammengefasst: Von den 1.800 Wohnungen könnten am Ende 65 Sozialwohnungen werden!
Was für ein Erfolg! Das hat in dem Deal die Stadt zugesagt: Die Deutsche Wohnen kann in einem Teil der Gebäude statt Wohnungen nun Gewerbe bauen. Da Gewerbemieten wesentlich höher sind und bisher auch nicht vom Mietrecht reguliert werden ist auch das eine richtig gute neue Einnahmequelle für den Immobilienkonzern. Außerdem kann sie endlich ein paar der Gebäude an den Entwicklungsträger zurückgeben, die in der denkmalgerechten Sanierung auch nach den Gutachten der eigenen Experten viel zu teuer geworden wäre. Jetzt darf sich wieder die Stadt Potsdam daran die Zähne ausbeißen bzw. das Geld ausgeben.

Zusammengefasst bedeutet dies: Für die – bisher wieder nur mündliche Zusage – in rund 4 %!! ihrer Wohnungen nun „bezahlbare Wohnungen anzustreben“ darf die Deutsche Wohnen 400 Wohnungen mehr bauen, Gewerbe – statt Wohnraum bauen und die teuersten Gebäude der Stadt überhelfen.

In Babelsberg und in Waldstadt ist Jan Kretzschmar mit seinem Firmengeflecht der KW Development aktiv. Er gehört inzwischen zu den Investoren in Potsdam, die hier am Meisten bauen und offensichtlich große Unterstützung in der Stadtpolitik genießen. Ihm wird soziales Engagement nachgesagt und er ist kein Investor aus dem fernen Luxemburg, sonders aus Babelsberg. Im Dossier „Wem gehört Potsdam? – Heute: Jan Kretzschmar und die KW Development“ vom 21. August 2022 haben wir seine Geschäftsmodelle dargestellt: Jan Kretzschmar möchte auf dem Geländes des Filmparks Babelsberg eine riesige Media City bauen: 4 Bürotürme bis zu 66 m hoch, für 5.000 neue Arbeitsplätze auf 94.000 m² Geschossfläche – mitten in einem kleinteiligen Stadtteil, scharf kritisiert von Bürgerinneninitiativen, Architektenkammer und vielen anderen.
Im Jahr 2012 hat er sein Hauptunternehmen KW Development gegründet – gemeinsam mit Dennis Wisbar und der DWB-Holding GmbH.
Jan Kretzschmar auf die KW Development zu reduzieren kommt allerdings viel zu kurz. Wir haben in unseren Recherchen viele andere Unternehmen gefunden, in denen Jan Kretzschmar als Geschäftsführer und/ oder wirtschaftlich Berechtigter fungiert: SKAJ Holding GmbH – seit 1.4.2022 KW Holding GmbH, offensichtlich eine Art Dachgesellschaft, SKAJ Management GmbH,
Wohnen am Filmpark Babelsberg Grundstücksgesellschaft mbH
Campus am Filmpark Babelsberg Grundstücksgesellschaft mbH – seit 2020 Refugium Beelitz Pavillon A 4 Grundstücksgesellschaft mbH, Gewerbe im Bogen GmbH – betrifft die aktuellen Gewerbebauten am Filmpark, Wohnen in der Medienstadt Babelsberg Grundstücksgesellschaft mbH
– das ist die GmbH für die Stadtvillen an der Sandscholle.

Gewerbe im Bogen im Filmpark

Viele dieser Firmen sind übrigens in Schönefeld gemeldet – und nicht in Potsdam. Das hat schlicht mit der Höhe der Gewerbesteuer zu tun. Während in Potsdam der Gewerbesteuerhebesatz bei 455 % liegt, gehört Schönefeld neben Zossen zu den „Steuerparadiesen“ mit 240 %. So eng ist dann also die Bindung von Jan Kretzschmar an seine Heimatstadt doch nicht, seine Steuern hier zu bezahlen.
Bei Interviews erzählt Jan Kretzschmar immer wieder: „Vor der Gründung der KW-Development GmbH war ich 15 Jahre lang bei einem der führenden Entwickler und Bauträger in verantwortlicher Funktion tätig und habe Projekte wie Richards Garten, das Schweizer Viertel oder auch The Charleston realisiert.“
Der führende Entwickler und Bauträger ist Kondor Wessels, ein niederländisches Immobilienunternehmen – eigentlich ein Konzern – welches zu den ganz Großen im Immobiliengeschäft zählt und in Potsdam an vielen anderen Standorten nicht ganz unbekannt ist. Vor allem in der umstrittenen Speicherstadt haben Kondor Wessel, der Projektentwickler Reggenborgh, sowie die Unternehmensgruppe Groth eine entscheidende Rolle gespielt und gehörten zu den Partnern, mit denen Jan Kretzschmar jahrelang zusammenarbeitete – und es wohl heute immer noch tut.

Speicherstadt

Und mit dem Unternehmen Kondor Wessels sind wir bei einem der wichtigsten und vor allem für Anleger bedeutendsten Immobilienunternehmen in Potsdam. Neben der Entwicklung in der Speicherstadt ist nur Wenigen bekannt, dass Kondor Wessels auch die luxuriösen Villen am Telegrafenberg verantwortet und inzwischen mit dem Bau der vier großen, neuen Wohntürme am Stern beauftragt wurde.
Heute baut Jan Kretzschmar mit diesen diversen Unternehmen vor allen Eigentumswohnungen, möblierte Mikroappartements und Anlageobjekte für diverse Immobilienfonds.
Wir wollen dafür zwei Beispiele darstellen.
Das sogenannte „Brunnenviertel“ in Waldstadt hat Jan Kretzschmar mit der KW Development GmbH entwickelt und gebaut.
Entstanden sind bisher 369 Wohnungen, die aber nicht vermietet, sondern verkauft worden. Der größte Teil davon an einen Immobilienfonds – der Immobilieninvestmentfonds Aberdeen Asset. Dahinter steckt einer der größten Vermögensverwalter Europas, der allein in Deutschland nach eigener Aussage Vermögen in einer Höhe von 40 Mrd. € verwaltet und anlegt.
Die „soziale“ Miete, für die im Brunnenviertel aktuell eine Wohnung angeboten wird liegt übrigens bei 14 €/ m² kalt. Und den angeblich großen Bedarf an Büro und Gewerbe deckt bisher eine öffentliche Einrichtung – ausgerechnet der Brandenburgischen Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen.
Am Filmpark baut Jan Kretzschmar mit seinen Unternehmen am meisten.
Die Grundstücke erwirbt er von Friedhelm Schatz – also von der von diesem geführten Filmpark Potsdam GmbH. Die beiden kennen sich schon lange und pflegen intensive geschäftliche und private Beziehungen. Das erste Investment war der Campus am Filmpark Potsdam. Dort hat eine seiner Objektgesellschaften vor allem Eigentumswohnungen und möblierte Mikroappartements gebaut – 24 m² für 595 €.
Aktuell baut Jan Kretzschmar sieben Stadtvillen in der Emil – Jannings – Straße. Dort entstehen wieder ausschließlich Eigentumswohnungen, die für über 5.300 €/ m² angeboten werden und – wie es so schön heißt – eine gehobene Ausstattung haben. Die Vermarktung läuft wie oft bei Jan Kretzschmar über die VERIMAG Vertriebs- und Marketinggesellschaft – eine Wohnung wird aktuell für 19,27 m² angeboten.
Mit der VERIMAG Vertriebs – und Marketinggesellschaft mbH kommen wir auch in unserem Puzzle wieder ein Stück weiter. Erster Geschäftsführer 2002 war niemand anderes als Thomas Groth von der Groth – Gruppe – wir kennen sie bereits aus der Speicherstadt.
Um das Ganze abzurunden wird dann auch noch ein weiteres Boardinghaus gebaut:
Auf dem Areal zwischen Großbeerenstraße, Ahornstraße und Wetzlarer Straße gegenüber der Metropolishalle sollen insgesamt 400 Appartements und ein Hotel mit 163 Zimmern entstehen. Und wieder wird der Hauptteil der „Wohnungen“ aus 150 Mikroappartements bestehen. Also möblierten Wohnungen, die kaum einer Regulierung unterliegen.
Die fünf neuen Bürogebäude im Filmpark mit einer Fläche von 23.300 m² – einschließlich eines riesigen Parkhauses, die Jan Kretzschmar aktuell unter den schönen Namen „Gewerbe im Bogen“ baut, reichen aber immer noch nicht.
Deshalb nun also die gigantische Media City. Auf dem Gelände des Filmparks Babelsberg, quasi zwischen dem geplanten „Creative Village“ auf dem ehemaligen RAW – Gelände und dem Campus von SAP und HPI am Griebnitzsee soll gegenüber dem Bahnhof Medienstadt ein Komplex mit 4 Hochhäusern von 44 bis 66 m Höhe und IT Arbeitsplätzen für bis zu 5.000 Menschen entstehen.

Die Stadt Potsdam fand das so toll, dass sie anfangs sogar auf ein Werkstattverfahren verzichten wollte. In diesem aktuellen Verfahren geht es aber sowieso nicht darum, ob in Babelsberg noch so ein riesiges IT Centrum gebraucht wird – da wird ausschließlich im Gestaltung und Höhe gestritten. Heute ist klar – in den höchsten Turm sollen – wieder einmal – möblierte Mikroappartements kommen. Die aktuellste Nachricht zeigt gleichzeitig, wie genau solche Anlageprojekte auf die jeweilige Marktlage reagieren. „Das Werkstattverfahren pausiert“ heißt es in einem aktuellem Bericht. Die Gründe liegen auf der Hand: Gestiegene Baukosten und Bauzinsen – und: Der Bedarf ist in Potsdam gar nicht da.

Das Immobilienunternehmen Semmelhaack aus dem kleinen und beschaulichen Elmshorn im holsteinischen Land stieg über die Jahre wundersamer Weise zu einem der wichtigsten Immobilienunternehmen in Potsdam auf.
Wie das passieren konnte ist bis heute – auch rechtlich – umstritten.
Unumstritten ist, dass das Unternehmen in den Jahren 2000 und 2001 Hunderte Wohnungen oder über Hundert Immobilienobjekte von der GEWOBA bzw. heute der ProPotsdam kaufte. Viele davon in bester Innenstadtlage, mit einer Kaufpreisermäßigung zum Verkehrswert von 10 bzw. 20 %. Die Kaufpreise sind heute kaum noch vorstellbar. Für das erste Paket von 61 Objekten (nicht Wohnungen!) bezahlte Semmelhaack 14,3 Mio. €, für das zweite Paket von 17 Objekten 12 Mio. €.

Semmelhaack im Kirchsteigfeld

Selbst Günther Jauch regte sich damals medial ungeheuer auf, der Stern und andere überregionale Medien berichteten, es standen Vorwürfe wie Korruption und Vetternwirtschaft im Raum. Den Einzigen, welchen das nicht geschadet hat ist das Immobilienunternehmen Semmelhaack. Sie haben seitdem weiter fleißig Geschäfte gemacht. Die Objekte und Grundstücke, welche sie nicht selbst verwertet haben, wurden mit hohem Gewinn verkauft (wie das RAW Gelände), anderswo (wie in Fahrland und im Kirchsteigfeld) neu dazu gekauft. Sie haben am Hauptbahnhof fleißig gebaut, meist kostengünstig (um nicht billig zu sagen, wie es in vielen Bewertungen steht), um dann jede Möglichkeit der Mieterhöhung nach Neuvermietung, Modernisierung oder Mietspiegel zu nutzen. Gerade in der Coronazeit gab es ganz viele Beschwerden über krasse Mieterhöhungen auch und gerade in Semmelhaack – Wohnungen.
Heute nun also der Deal im Kirchsteigfeld.

Hier waren ursprünglich auch Sozialwohnungen geplant, nun ist klar, die 160 Wohnungen werden frei vermietet, was nach aktuellen Preisen wohl bedeutet, dass mehr als 15 €/ m² aufgerufen wird.
Die Stadt Potsdam hat dafür extra seinen Bebauungsplan geändert, aus einem Mischgebiet wurde ein reines Wohngebiet und auch das Baulandmodell findet mal wieder keine Anwendung. Wohnungen mit Mietpreis – und Belegungsbindung entstehen hier nicht.

Bei all dieser zuvorkommenden und wohlwollenden Behandlung wundert es eigentlich nicht, dass einige Immobilienunternehmen denken, sie können sich in der Stadt alles erlauben.
Sie kaufen und verwerten Objekte, die nach den gültigen Bebauungsplänen, Mietspiegelberechnungen oder Flächennutzungen gar nicht für eine Verwertung als Immobilie verwendbar sind.
Ihre einzige Hoffnung: In Potsdam ist alles möglich, hier bekommen wir schon einen Deal mit Politik und Verwaltung hin.
Nur so lassen sich die Geschäftsmodelle der MK – Kliniken AG, von TAMX oder der Sanus AG erklären.

Die Josephinenwohnanlage war ursprünglich ein Pflegeheim in Potsdam. Gekauft hatte es irgendwann die MK – Kliniken AG des skandalumwitterten Ulrich Marseille – ausgerechnet von der Stadt Potsdam. Mitten in der Coronakrise, kurz vor Weihnachten hat die SGG Soziale Grundbesitzgesellschaft mbH, eine Tochtergesellschaft der Hamburger MK-Kliniken AG allen rund 110 Seniorinnen gekündigt. Die Wellen der Empörung schlugen hoch, auch die politischen Debatten. Dabei hatte die MK – Kliniken AG genau das gemacht, was ihr Geschäftsmodell ist und sie angekündigt hatten: „Wegen der Marktsituation sowie der steigenden Immobiliennachfrage sehe der Konzern die Möglichkeit, „die noch vorhandenen Objekte einer anderen und rentablen Nutzung zuzuführen“. Inzwischen verwertet der Konzern die Anlage tatsächlich rentabler als mit Seniorinnen. Der Betreiber bietet die Wohnungen nun als Ferienunterkünfte über AirBnB an. Von den einst 111 Seniorinnen wohnen nur noch neun im Haus. Für 22 – 28 € pro Tag kann man jetzt dort als Touristin mieten. „Für den Tourismus in Potsdam eine Riesenchance, denn nun können auch Leute mit kleinem Geldbeutel die Stadt besuchen“, erklärte der Management Direktor der Betreibergesellschaft. Der neuste Clou: Jetzt soll die Anlage für ukrainische Geflüchtete Verwendung finden. Mit der Stadt wird darüber intensiv verhandelt. Die soll auch eine mögliche Zweckentfremdung des Wohnraums nach der Zweckentfremdungssatzung der Stadt prüfen. Die Chance, dass dies Folgen für die MK – Kliniken AG hat sind allerdings äußerst gering. Wegen Zweckentfremdung hat die Stadt noch nie Bußgelder oder andere Strafen verhängt.

Der Angergrund war/ ist eigentlich eine Kleingartenanlage. Irgendwann – vermutlich 2014/ 2025 -hat die TAMAX AG – konkret die TAMAX Potsdam Projekte GmbH das Grundstück zwischen Horstweg und Dieselstraße erworben. In der öffentlichen Debatte gab es immer wieder Vorwürfe, die Stadt Potsdam hätte damals noch ein Vorkaufsrecht gehabt – was sie aber nicht wahrgenommen hat.
Ab 2018 beginnt die TAMAX mit ziemlich rabiaten Mitteln gegen die Kleingärtnerinnen vorzugehen – kündigt die Verträge, dreht das Wasser ab, zerstört Anlagen und geht rechtlich gegen sie vor. In der Politik wird hektisch versucht, früher Versäumtes aufzuholen und eine Veränderungssperre in den Bebauungsplan geschrieben, damit die TAMAX dort nicht bauen kann. Seitdem versucht diese mit einem Mix aus „Butterbrot und Peitsche“ doch noch bauen zu können. Einerseits drohen sie mit Klagen gegen die verhängte Veränderungssperre, andererseits werben sie mit immer neuen Ideen öffentlich für eine Bebauung des Grundstücks – mal mit Sozialwohnungen, aber natürlich auch wieder mit den möblierten Mikroappartements für Studentinnen – aktuell sogar mit Wohnungen für Geflüchtete. Beim neuesten Vorstoß, Container für Geflüchtete aufzustellen haben sie sich offensichtlich sogar die AWO zur Unterstützung mit an Bord geholt.
Nicht nur in Potsdam, sondern auch in anderen Regionen Berlins und Brandenburgs – so in Schönefeld, Strausberg, Werneuchen oder Lichtenrade – kauft TAMAX Bauruinen, Kleingärten oder Brachland an. In der Regel gibt es auf diesen Grundstücken kein Baurecht. Aber genau mit diesen besonderen Grundstücken spekuliert TAMAX und treibt damit die Wiederverkaufswerte in die Höhe: Immobilienspekulation im besten Sinne.

Der Kreml auf dem Brauhausberg ist in mehrerer Hinsicht ein Symbol für die Stadt Potsdam.
Früher thronte hier mal die SED Bezirksleitung Potsdam hoch über der Stadt.
Nach der Wende tat dies auch der neue Landtag des Landes Brandenburg – bis zum Umzug in den Retrobarockbau eines niederländischen Bauunternehmens am Alten Markt.
Danach war einige Zeit Ruhe auf dem Brauhausberg, bis das Land den Kreml 2015 für das Schnäppchen von 8,6 Mio. € an ein Konsortium um die Sanus AG verkaufte.
Die hatte schon damals eine ganze Reihe an Skandalgeschichten hinter sich. Das sicher berühmteste Spekulationsobjekt, was sich Siegfried Nehls, der Mann hinter dem Firmengeflecht der Sanus offensichtlich bereits 2007 gesichert hatte war das Gelände der Köpi in Berlin, Wagenburgplatz und autonomes Zentrum auf dem ehemaligen Mauerstreifen. Ansonsten ist das Netz voll mit Berichten über undurchsichtige Fonds für Kleinanleger, die ihr Geld nie wieder gesehen haben, weil es in Gesellschaften mit intensiven personellen Verflechtungen zu Sanus geflossen ist – aber selten so gebaut wurde wie beworben. Und immer im Mittelpunkt: Siegfried Nehls.
Den Kreml in Potsdam will die Sanus AG angeblich seit 2015 bebauen. Natürlich wieder mit Luxus – Eigentumswohnungen und möblierten Appartements. Passiert ist aber noch gar nichts.

Kreml und Sanus AG

Erst einmal wurde das Objekt mehrere Jahre als Flüchtlingsunterkunft an die Stadt vermietet. Kostenpunkt: 1,5 Mio. € pro Jahr. Damit hatte die Sanus die Kosten für den Kauf schon fast wieder eingenommen. Mehrmals in den letzten Jahren gab es Gerüchte über einen Weiterverkauf des Kreml, während baulich gar nichts passierte.
Nun aktuell gibt es Informationen, dass der Kreml wieder als Flüchtlingsunterkunft angefragt wurde….
Bei all dem Hin und Her bleibt nur Eins: Der Investor verdient sich eine goldene Nase – auf Kosten von Stadt und Land.

Alle diese Geschichten um Immobilienspekulation, gruslige Investorenprojekte und nicht gebaute Sozialwohnungen spielen in einer einzigen Stadt – in der Landeshauptstadt Potsdam.
Sie sind nur möglich, weil Stadtpolitik und Bauverwaltung solche Projekte, solche Geschäftsmodelle mindestens nicht verhindern, sie wahrscheinlich eher befördern. Den oft zitierten „Roten Teppich“ gibt es in dieser Stadt wirklich. Er ist aber nicht für die Mieter*innen gedacht, sondern für Kirsch, Semmelhaack, Kretzschmar und die Vonovia.
Uns wundert es daher überhaupt nicht, dass TAMAX, Marseille oder die Sanus auch auf diesen „Roten Teppich“ wollen.

Achtung: Die Quellen für alle Aussagen befinden sich in den konkreten Recherchebeiträgen!

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