Friedrich Schorlemmer

Der ehemalige Studentenpfarrer, Dozent, Friedenspreisträger und Ehrendoktor Friedrich Schorlemmer ist am Montag im Alter von 80 Jahren gestorben. Er war in der Friedens-, Menschenrechts- und Umweltbewegung der DDR aktiv und er moderierte und kommentierte 30 Jahre lang die Entwicklung der Bundesrepublik kritisch. Mehr dazu unter http://www.friedrich-schorlemmer.de/texte.html

Anlässlich seines Todes schreibt Michael Bartsch in der taz „Der unbestechliche Blick des evangelischen Pfarrers knickte vor keinem der beiden Systeme ab, in denen er lebte. „Zwischen allen Stühlen sitze ich fest auf der Erde“, könnte man ein Gedicht des DDR-Autors Peter Hacks bemühen. Schorlemmers Boden und Maß aller Dinge blieben die Versöhnungs- und Liebesbotschaften Jesu, festgehalten im Neuen Testament. Was eine Vereinnahmung durch jegliche Staatsform ausschloss, auch die der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.“

Mehrere Medien berichten dieser Tag zum Tode Schorlemmers. Einige würdigen sein Werk, die legendäre symbolische Aktion des Umschmiedens eines Schwertes zur Pflugschar beim Wittenberger Kirchentag 1983, seine Rede am 4.Nov.1989 auf dem Alexanderplatz oder die „Erfurter Erklärung“ von 1997, die auf mehr Gemeinwohl im Sinne des Artikels 14 Grundgesetz zielte.

Wir möchten an dieser Stelle an einen unserer Mitstreiter im Widerstand gegen Wiederaufbau der Garnisonkirche erinnern. Pfarrer Friedrich Schorlemmer war im August 2014 einer der Verfasser und Erstunterzeichner der Erklärung „Warum wir Christinnen und Christen keine neue Garnisonkirche brauchen.“ Zahlreiche Gespräche mit ihm waren für einige von uns eine Bereicherung.

Anlässlich seines Todes dokumentieren wir nochmal die Erklärung vom 25.08.2014, sowie (als Link) die dazu verfasste Erläuterung. Die er Erklärung ist in weiten Teilen heute ebenso aktuell wie vor zehn Jahren.

Erklärung „Warum wir Christinnen und Christen keine Garnisonkirche brauchen“

„Der geplante Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche spaltet die Potsdamer Bürgerschaft. Jenseits von Stadtbild- und Stadtentwicklungsfragen, des Streites um öffentliche Gelder oder private Spender, scheiden sich seit zwei Jahrzehnten die Geister an der Frage, was der Wiederaufbau dieser Kirche symbolisiert.

Wir wollen dem Eindruck entgegentreten, alle Christinnen und Christen würden dem Vorhaben einhellig zustimmen.

Weil es ein Projekt von „nationaler Bedeutung“ sei, wie Initiatoren erklären, fragen wir uns, was für ein Signal vom Wiederaufbau angesichts einer Geschichte ausgeht,

• in der die Potsdamer Garnisonkirche insbesondere für eine Kirche stand, die sich von Obrigkeit und Militär in den Dienst nehmen ließ, Demokratie verachtete und auf politische Weisung Krieg predigte,

• in der am „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 das verheerende Bündnis zwischen konservativem Bürgertum, preußischem Militär und Nazi-Führung mit kirchlichem Zeremoniell besiegelt wurde.

Weil der Wiederaufbau dieser Kirche eine Stellungnahme zu dieser Geschichte ist, wollen wir

• keine Kirche, die der Einstimmung von Soldaten auf Gehorsam bis in den Tod diente und durch religiöse Deutung des Krieges ihn als Gottes Wille predigte;

• keine Kirche, die unser Nein zum „Geist von Potsdam“ rückgängig macht und nicht deutlich macht, was wir seit den Bekenntnissen von Barmen 1934 und Darmstadt 1947 als Versagen und Verrat am Evangelium nach wie vor bezeugen.

Weil die Kirchen in Deutschland seither die Trennung vom Staat als einen Weg in die Gesellschaft gesucht haben, und weil sie ihr öffentliches Wirken an Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung orientieren wollen, fragen wir, ob und wie ein Neubau der Garnisonkirche als ein Zeichen verstanden werden kann, das dem entspricht.

• Wir bezweifeln, wie der geplante Neubau dem Konzept eines „Versöhnungszentrums“ entsprechen kann, wenn schon die Zusage nicht mehr gilt, die Kirche unter das Nagelkreuz von Coventry zu stellen.

• Wir verstehen nicht, wie zum Reformationsjubiläum 2017 die Fertigstellung des Turms dieser Kirche gefeiert werden soll. Wir befürchten, dass damit die notwendige Auseinandersetzung mit den dunklen Seiten der Kirchen der Reformation, ihrem antidemokratischen Geist und ihren antijüdischen Predigten verdrängt wird.

Weil Kriege, Militarisierung der internationalen Beziehungen und Missbrauch von Religion zu kriegerischer Hetze bedrohlich aktuell sind, weil auch in Deutschland von „neuer Macht“ geredet, gegen eine „friedensverwöhnte“ Gesellschaft polemisiert und ein Ende der militärischen Zurückhaltung gefordert wird, brauchen wir heute ein anderes Zeichen als eine neue Garnisonkirche.“

Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner der Erklärung:

Dr. Bernd Albani, Berlin * Manuela Albani, Berlin * Prof. Dr. Rainer Albertz, Münster * Dr. Heike Albertz, Münster * Prof. Dr. Peter Alheit, Berlin * Uta Armbruster-Held, Berlin * Elfriede Begrich, Berlin * Dr. Gerhard Begrich, Berlin * Sylvia Bellack, Berlin * Almuth Berger, Berlin * Prof. Dr. Klaus Bochmann, Halle * Renate Bochmann, Halle * Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, Tübingen * Volkmar Deile, Berlin * Dr. Hans Joachim Döring, Magdeburg * Dr. Konrad Elmer-Herzig, Potsdam * Carola Enke-Langner, Berlin * Dr. Heino Falcke, Erfurt * Bernhard Forck, Berlin * Prof. Dr. Hajo Funke, Berlin * Joachim Garstecki, Magdeburg * Michael Grüber, Teschendorf * Dr. Gertrud Gumlich, Berlin * Prof. Dr. Heidrun Herzberg, Neubrandenburg * Gerhard Hochhuth, Berlin * Maili Hochhuth, Berlin * Annegret Hoffmann, Potsdam * Joachim Hoffmann, Potsdam * Martin Hoffmann, Hamburg * Dr. Renate Höppner, Magdeburg * Volker Hörner, Landau * Beate Hörner, Landau * Wolfram Hülsemann, Berlin * Jürgen Israel, Neuenhagen * Michael Karg, Herborn * Günther Köhler, Berlin * Luise Köhler, Berlin * Heidi Konzack, Cottbus * Angelika Krause, Wittenberg * Reinhard Krause, Wittenberg * Prof. Dr. Dietfrid Krause Vilmar, Kassel * Andreas Kuhnert, Lehnin * Christian Langner, Berlin * Heiko Lietz, Schwerin * Eva Löber, Wittenberg * Theodor Lorentz, Berlin * Karl Martin, Berlin * Stella Merkel, Berlin * Dr. Hans Misselwitz, Berlin * Ruth Misselwitz, Berlin * Arnd Morgenroth, Themar * Barbara Morgenroth,  Themar * Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr, Berlin * Karl-Rudi Pahnke, Berlin * Andrea Richter, Weimar * Dr. Edelbert Richter, Weimar * Dr. Klaus Roeber, Berlin * Mario Schatta, Berlin * Dr. Friedrich Schorlemmer, Wittenberg * Prof. Dr. Luise Schottroff, Kassel * Reinhard Schult, Berlin * Christa Sengespeick-Roos, Frankfurt/M. * Prof. Dr. Fulbert Steffensky, Luzern * Prof. Dr. Martin Stöhr, Bad Vilbel * Dr. Barbara Stolterfoth, Berlin * Dr. Siegfried Sunnus, Berlin * Helga Trösken, Langen (Hessen) * Hans Jochen Tschiche, Satuelle * Rainer Weitzel, Berlin * Peter Zimmermann, Erfurt * Andreas Zumach, Genf

Link zur „Erläuterungen zur Erklärung“ http://www.friedrich-schorlemmer.de/docs/20140825-Erlaeuterungen_Endfassung.pdf

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